Frage an Dieter Hillebrand von Thomas M.
Sehr geehrter Herr Hillebrand,
Ihre Partei möchte u.a. die Bevorzugung von Gemeinschaftsschulen beenden und gleichzeitig die Realschulen stärken. Wenn der Prozess der Wandlung zu einem Zweisäulensystem bestehend aus Gymnasium und Gemeinschaftsschulen nicht fortgeführt wird, sehe ich die große Gefahr eines vielgliedrigen, weiterhin hierarchischen Systems, welches alles andere als integrativ sein wird und die Gemeinschaftsschulen nach und nach die Stellung der jetzigen Werkrealschulen einnehmen lässt, mit entsprechendem Ruf und immer geringer werdender Anmeldezahl von Schülern. Sehen Sie diese Gefahr auch und wie wollen Sie dieser entgegnen? Falls Sie diese nicht sehen, wird Baden-württemberg von einem vielgliedrigen System aus Gymnasium, Realschulen, Gemeinschaftsschulen, Werkrealschulen und SBBZ profitieren?
Sehr geehrter Herr M.,
wir als CDU stellen uns der bestehenden Wirklichkeit in der Schullandschaft und dazu gehören auch die Gemeinschaftsschulen. Grundsätzlich sollen in Zukunft keine Schulstandorte in Frage gestellt werden. Allerdings wird es unter einer CDU-geführten Landesregierung ab dem Schuljahr 2016/2017 keine weitere Ausweitung der Gemeinschaftsschulstandorte geben. Das Bildungskonzept der CDU-Landtagsfraktion, in dessen Zentrum die Realschule Baden-Württemberg steht, bietet eine erstklassige pädagogische Alternative zur Gemeinschaftsschule. Dieses Angebot der Leistungsdifferenzierung soll mit einer CDU-geführten Landesregierung unverzüglich nach der Landtagswahl 2016 auch allen bestehenden Gemeinschaftsschulen gemacht werden. Jede Schule soll sich freiwillig dafür entscheiden können.
Unsere Antwort auf die ideologisch eingeführte Gemeinschaftsschule ist ein Bildungskonzept, welches auf die hohe Durchlässigkeit zwischen differenzierten Schularten setzt. Eine zentrale Rolle spielen dabei unsere hervorragenden Realschulen. Die Lehrerinnen und Lehrer an den Realschulen leisten unter derzeit schwierigsten Bedingungen eine ausgezeichnete Arbeit. Für mich steht außer Frage, dass die Realschulen den Schülerinnen und Schülern ein äußerst attraktives Lernangebot machen. Wir brauchen auch in Zukunft ein solches lebensnahes Bildungsangebot im Land, das gerade Kinder und Jugendliche mit eher praktischen Talenten fördert. Während Grün-Rot die Realschulen massiv benachteiligt und mit Druck und Lockangeboten versucht, diese erfolgreiche Schulart in einer Gemeinschaftsschule aufgehen zu lassen, haben wir einen konkreten Vorschlag, wie die Realschulen in ihrer Funktion als Rückgrat unseres Bildungswesens gestärkt werden können:
Realschule soll auf Mittlere Reife und Hauptschulabschluss vorbereiten: Die Realschule soll als leistungsstarke Schulart mit einem eigenständigen Profil gestärkt werden. Schülerinnen und Schüler sollen künftig an der Realschule neben der Mittleren Reife auf einem teil-differenzierten Bildungsgang auch auf einen Hauptschulabschluss vorbereitet werden, der eine intensive Förderung durch ergänzende differenzierte pädagogische Angebote beinhaltet.
Die Klassen 5 und 6 müssen als Orientierungsphase organisiert werden: Um der steigenden Heterogenität an den Realschulen zu begegnen, erhalten die Schülerinnen und Schüler dort neben dem in der Regel gemeinsamen Unterricht auch leistungsdifferenzierte Förderangebote für einen erfolgreichen Start. Während Grün-Rot hier ausschließlich auf ein längeres gemeinsames Lernen - quasi eine Verlängerung der Grundschule - setzt, setzen wir auf passgenaue leistungsdifferenzierte Förderangebote für leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler.
Wir setzen auf Durchlässigkeit: In den Klassen 5 und 6 soll jeweils zum Halbjahr ein Wechsel zwischen dem Haupt- und Realschulniveau erlaubt sein. Dies geschieht stets im engen Dialog von Schule und Elternhaus. Nach Klasse 6 erhalten die Eltern eine Bildungswegeempfehlung, die den weiteren Bildungsweg zum Hauptschulabschluss oder zur Mittleren Reife empfiehlt.
Leistungsdifferenzierte Bildungsgänge ab Klasse 7: Ab Klasse 7 muss die Realschule Baden-Württemberg die Chance bekommen, in möglichst leistungsdifferenzierten Bildungsgängen auf den Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife - auf dem Praxisweg und dem Realschulweg - vorzubereiten. Grün-Rot erlaubt nur maximal zwei Stunden leistungsdifferenzierten Unterricht in Deutsch, Mathe und Englisch. Das ist schlicht zu wenig!
Durchgehender Lernprozess ab Klasse 5: Unser Bildungskonzept für die Realschule steht für einen durchgehenden Lernprozess ab Klasse 5 vor, der spätestens ab Klasse 7 gezielt auf einen bestimmten Abschluss hin ausgerichtet ist. Damit dies gelingen kann brauchen die Realschulen mehr Freiraum. Das heißt, jede Realschule soll entsprechend ihrer Schülerschaft Angebote für Leistungsstärkere oder Leistungsschwächere machen können.
Berufsnähe: Ab Klasse 8 soll eine engere Verzahnung mit den beruflichen Schulen (bspw. berufspraktische Projekte) erfolgen.
Darüber hinaus dürfen die Realschulen auch nicht länger bei der Ressourcen- und Lehrerausstattung benachteiligt werden. Es ist alles andere als gerecht, wenn die Gemeinschaftsschulen rund den doppelt so hohen Sachkostenbeitrag als die Realschulen erhalten. Ebenso werden die Gemeinschaftsschulen bei der Lehrerausstattung massiv bevorzugt: mehr Poolstunden, eine üppig ausgestattete Kontingentstundentafel, ein kleinerer Klassenteiler mit 28 Schülern, zusätzliche Entlastungsstunden sowie der Ausstattung mit Ganztagesangeboten sprechen eine deutliche Sprache. Dies schlägt sich in deutlich höheren Personalkosten je Schüler nieder. Aus dem Staatshaushaltsplan der Landesregierung für den Doppelhaushalt 2015/2016 ist zu entnehmen, dass die Personalausgaben für die Gemeinschaftsschule um rund das 2,5 fache höher liegen als die Personalausgaben für die Realschule. Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende finden!
Das Schulsystem soll sich wieder am Kind orientieren, nicht an der Ideologie. Dabei ist für uns selbstverständlich, dass künftig wieder alle Schularten gleichermaßen gut aufgestellt sind und in einem fairen Qualitätswettbewerb stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Hillebrand MdL