Frage an Diana Kummer von Mirjam V. bezüglich Gesundheit
Hallo Diana Kummer,
ich bin Mirjam, 22 Jahre alt und schließe gerade die Ausbildung zur Physiotherapeutin ab.
Nebenbei studiere ich Physiotherapie als Fernstudium, weil ich finde, dass in Deutschland noch viel Potenzial nach oben ist, was diese Profession angeht (v.A. im Bereich Ausbildung und Wissenschaftlicher, evidenzbasierter Arbeit/Forschung und damit Anerkennung durch andere Gesundheitsberufe).
Die GroKo hat 2017 ja den Modellversuch zur Blancoverordnung eingeführt mit der Stärkung des Heil- und Hilfsmittelgesetztes. Inwiefern verfolgen und unterstützen Sie dies? Sehen Sie momentan Instrumente zur objektiven Auswertung dieses Versuchs, die das konkrete und dauerhafte Umsetzen von Blancoverordnungen als Vorrausetzung hätte? Haben Sie Ideen dazu? Können Sie sich vorstellen, hier konkret tätig zu werden, evtl auch in Zusammenarbeit mit dem bereits im Bundestag gewesenen Physiotherapeut Dr. Roy Kühne (CDU)?
Es ist mir wirklich ein Anliegen. Zudem würde mich interessieren, was ihre Meinung zur Professionalisierung (und Akademisierung) unseres Berufes ist. Finden Sie das Studium eine wünschenswerte Entwicklung?
Natürlich liegen mir persönlich auch noch andere Themen am Herzen wie der Ausbau des günstigen Nahverkehrs und v.A. der RADWEGE in Essen (denn am wenigsten Platz nehmen Fußgänger und Fahrradfahrer auf der Straße weg!). Auch Umweltschutz und Europa liegen mir am Herzen, haben Sie irgendwo ihre Positionen hierzu vermerkt?
Ich vermute, dass Sie als Physiotherapeutin auch gute Qualifikationen in Gesprächsführung und Bedürfniswahrnehmung vom Gegenüber haben und wünsche Ihnen unabhängig von Ihrer Antwort an mich viel Erfolg bei der Wahl und ein erholsames Wochenende!
Mit freundlichen Grüßen,
M. V.
Hallo Frau V.,
erste einmal dankefür Ihre fragen.
Natürlich ist das nicht so einfach zu beantworten...
Zu unserer Ausbildung/ Studium: ich bin gegen eine weitere Akademisierung der Ausbildung „Physiotherepie“ und damit auch gegen den Studiengang. Das heißt aber nicht, dass ich gegen eine bessere Qualifizierung der Ausbildung bin. Ich bin der Meinung das man Ausbildungen nicht verbessert, indem man vorher entsprechend Menschen selektiert, die diese Ausbildung machen wollen. Leider ist das bei Physiotherapie/ergotherapie/Logopädie schon jetzt der Fall. Zwar „darf man“ diese Ausbildungen mit einem Realschulabschluß beginnen, jedoch nur mit dem entsprechenden Kleingeld. Das monatliche Ausbildungsgeld (meist um 400 €) sortiert schon früh zeitig Leuteaus, so das viele diese Berufe für sich nicht ins Auge fassen.
Was die Ausbildungsinhalte, die Forschung und auch die Anerkennung angeht, bin ich ganz bei Ihnen. Wir haben uns zu einem tollen Beruf entschieden, der wichtig ist für die Menschen mit denen wir arbeiten und die uns täglich brauchen! Gerade im Bereich der Forschung muss„eine Schippe drauf“ gelegt werden. Zu einigen abrechnungsrelevanten Techniken gibt es keine adäquaten Studien, obdie Maßnahme/Technik den gewünschten Zweck hat. Krankenkassen folgen einen absurden „Trend“ und bezahlen für Hockus –Pockus, Chef's stellen Physios nur noch mit den entsprechenden Scheinen ein. Hat man dann den Schein nicht, wird man nicht eingestellt – obwohl man sich auf wissenschaftliche Ergebnissebezieht und nur das beste für den Patienten will.
Zu den Blancoverordnungen: Krankenkassen werden, nach den vorliegenden Modeln, versuchen so wenig wie möglich an Kosten zu bezahlen. Das wiederum setzt den Arzt unter Druck. Der wieder rum wird sich der Zahlung an den Physiotherapeuten verweigern, wenn sein Budgetausgeschöpft ist. Somit ist der Physiotherapeut der verarschte. Auch ist unklar wer bei entsprechenden falschen Diagnosen/Behandlungen zum Schluss haftbar gemacht wird und die Beführchtung ist hoch, dass Löhne von PhysiotherapeutInnen schlechter werden (im Gesundheitsbereich verdient man ja sowieso nicht viel....)
Ich halte nicht von dem Model.
Der Gedanke, der dahinter steckt, ist aber gar nicht so schlecht. Mehr Freiheit bei Entscheidungen in Frequenz, Anzahl der behandlungen und Technik wären toll. Aber auch wenn die Freiheiten als Physiotherapeuten dadurch gesteigert werden, ändert das nichts am grundsätzlichen Problem: Gesundheit ist eine Ware. Das ist nämlich das eigentliche Problem und muss im System geändert werden.
Zu Fahrradwegen und Ausbau vom Öffentlichen Personennahverkehr: Auf jeden Fall bin ich für einen Ausbau der Fahrradwege, gerade in Essen! Im Bewerbungsschreiben für die „Grüne Hauptstadt“ warb die Stadt Essen mit dem Ausbau von Radwegen. Wer in Essen mit dem Rad unterwegs ist, weiß das das eine Farce ist. Buckelpisten als Radwege zubezeichnen oder Radwege im Nirgendwo enden zu lassen ist besondersfür Kinder gefährlich. Aber auch der ÖPNV muss verändert werden: Taktungen von Bussen und Bahnen müssenerhöht werden, Strecken, die über die Jahre hinweg eingestampft wurden, müssen wiederbelebt werden (damit auch wieder mehr Wohnsiedlungen an das Busnetz angegliedert werden). Wenn der ÖPNV wieder gefördert werden würde, würden auch wieder mehr Menschen damit fahren! (was auch für die Umwelt gut wäre, weil viele ihr Auto dann auch mal stehen lassen würden).
Aber auch am Preis muss sich was tun: der ÖPNV darf nicht teurer werden, sondern billiger oder noch besser: kostenlos! Es gibt in verschiedenen europäischen Städten dazu Versuche, den ÖPNV kostenlos fahren zulassen. Die Ergebnisse sind durchaus positiv. Es ist also machbar.
Ich hoffe, dass beantwortet erst mal die erste Frage (natürlich könnte man noch mehr ausholen und noch konkreter in Detail gehen).
Rote Grüße,
Diana Kummer