Frage an Diana Golze von Klaus W. bezüglich Familie
Liebe Frau Golze,
ich habe Ihre Veröffentlichungen zum Thema Jugendhilfe und Ihre Antwort an Herrn Klisch mit Interesse gelesen. Das von Herrn Klisch geschilderte Beispiel passiert tatsächlich mit zunehmender Tendenz, auch wenn Herr Klisch daraus meiner Meinung nach die falschen Schlüsse zieht.
Als Sozialarbeiter in einem Berliner Jugendamt sehe ich allerdings mit Sorge, dass die Jugendämter durch politische Vorgaben wieder immer stärker als "Kontrollorgane für mißratene Familien" instrumentalisiert werden sollen. Ich nenne die Gesetze zu verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen und die Rolle der Jugendämter dabei ("´Wer die Termine nicht wahrnimmt, bei dem steht das Jugendamt vor der Tür.") Ich nenne die Forderungen bzw Vorschriften zu verpflichtenden Hausbesuchen und "Inaugenscheinnahmen" von Kindern beim geringsten Verdacht auf Vernachlässigung oder Mißhandlung.
Diese und andere politische Vorgaben schädigen die Rolle des Jugendamts als Dienstleister und Partner der Familien. Und wir Sozialarbeiter sehen uns einem verstärkten Druck ausgesetzt; die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen bei nicht rechtzeitiger Intervention inklusive.
Sind Sie nicht auch der Meinung, daß diese Tendenz dringend gestoppt werden sollte?
Mit herzlichen und kollegialen Grüßen
Klaus Wörsdörfer
Sehr geehrter Herr Wörsdörfer!
Vielen Dank für Ihre Email. Ich kann mich Ihren Ausführungen nur anschließen. Die Jugendämter haben in den letzten Jahren unter zunehmendem Druck zu leiden. Mehr Aufgaben - wie von Ihnen beschrieben - bei gleichzeitig weniger werdendem Personal. Dies führt nicht nur zur Überlastung der Beschäftigten, sondern auch zu einem erhöhten Risiko an Fehlentscheidungen. Dazu noch der enorme öffentliche Druck - wer will sich schon den Vorwurf machen lassen, ein Kind zu spät aus einer Familie genommen zu haben. Leider geht die Diskussion genau in dieser Richtung weiter, denn der Referentenentwurf zum Kinderschutzgesetz beinhaltet eine Regelung, wonach die Jugendämter noch schneller und bedingungsloser die Familien zu Hause aufsuchen sollen. Sie wissen aus Ihrer Erfahrung, dass es sehr schnell kontraproduktiv sein kann, wenn das Vertrauensverhältnis von Kindern und/oder Familien dadurch zerstört wird, dass beim kleinsten Hinweis auf Probleme sofort ein Mitarbeiter vor der Tür steht.
Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass Jugendämter ihrer Dienstleistungs- und Hilfsfunktion nachkommen können und nicht zu Überwachungs- und Kontrollinstanzen werden.
Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen für das neue Jahr
Diana Golze