Frage an Diana Golze von Guntram S. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Golze,
wie steht die Linke zu der Frage, wie für Kinder und Jugendliche in Zukunft gewährleistet werden kann, dass diese den Umgang mit dem umgangsberechtigeten Elternteil pflegen können ohne der Willkür des Betreuenden und schlecht informierter Mitarbeiter im Jugendamt und Familienpsychologie ausgeliefert zu sein.
Fakt ist zur Zeit in Deutschland, dass eine Mehrheit der Kinder in strittigen Fällen durch Boykott der Mutter früher oder später den Kontakt zum Vater verlieren, und damit wohl die wichtigste Unterstützung beim Erwachsen werden.
Mit der Folge einer zunehmenden Verarmung,Verwahrlosung und abnehmenden Bildung der jungen Generation.
Welche konkreten Schritte unternehmen Sie zur Schaffung von mehr Fairness in Scheidungsprozessen zwischen Eltern, denen durch die Sozialdemokratie ein Gesetzeswerk nach dem Motto:
Wir regeln nichts, schlagt euch bitte um Geld und Kinder, der Stärkere gewinnt (Beim Geld manchmal der Mann, bei den Kindern meist die Frau).
Ich denke, unsere Familien und Kinder sind zu schade, um an deren Not kräftig zu verdienen, wie das heute einige Rechtsanwälte und Psychologen leider nur tun (selbstverständlich nicht alle).
MfG
Sehr geehrter Herr Seiss!
Die Frage nach der Ermöglichung des Umgangs von Kindern mit dem umgangsberechtigten Elternteil hat uns während der Debatten um die Änderungen im Familiengerichtsbarkeitsgesetz sehr intensiv beschäftigt. Das Recht der Kinder auf den Umgang mit beiden Elternteilen und deren Familien ist eine Errungenschaft, die mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention in der bundesdeutschen Gesetzgebung Einzug gehalten hat und seither nicht nur in der rechtlichen Diskussion einen anderen Stellenwert gefunden hat, sondern auch in der allgemeinen Anerkennung der Wichtigkeit dieses Kindesanspruches. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass das Umgangs- und Sorgerecht Bestandteil der Vorbehalte war, den die damalige Bundesregierung bei der Zeichnung der UN-Kinderrechtskonvention formulierte. Die Änderungen im Kindschaftsrecht Anfang der 90-er Jahre haben dazu beigetragen, dass diese Fragen im Sinne der Kinder geändert wurden.
Im Kindschaftsrecht ist seither ausdrücklich vorgesehen, dass insbesondere nach der Trennung oder Scheidung der Eltern die gewachsenen familiären Beziehungen soweit als möglich erhalten bleiben. Des Weiteren gibt es dem berechtigten Elternteil die Befugnis, das Kind regelmäßig zu sprechen und zu sehen. Allein aus diesem Blickwinkel heraus ist Ihre Forderung rechtlich mehr als berechtigt.
In der Tat ist es so, dass das Gesetz keine Regelung über die Ausgestaltung des Umgangs im Einzelfall trifft. Die sorge- und umgangsrechtlichen Fragen werden - auch nach einer Trennung oder Scheidung - nur im Streitfall durch ein Familiengericht gelöst. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine funktionierende gemeinsame elterliche Sorge und Erziehung dem Kindeswohl am besten dient. Letztlich sollte der Schritt, Sorgerechtsfragen gerichtlich zu entscheiden, immer der letztmögliche sein.
Unsere Fraktion hat Kritik an der jüngsten Reform des Familiengerichtsbarkeitsgesetzes geäußert, da diese Reform nicht unseren Vorstellungen entspricht. Wir haben unsere Kritik an dem Wohl des Kindes orientiert und sind der Meinung, dass die Umsetzung des Umgangsrechtes im Streitfall durchaus durch die Familiengerichte in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern geschehen soll - nicht aber durch Ordnungsmittel. Dies schadet vor allem den Kindern, die ohnehin in einer schwierigen Situation sind. Auch aus diesem Grund hat die Fraktion DIE LINKE diesen Gesetzentwurf abgelehnt.
Allerdings ist die alleinige Sorge durch ein Elternteil für uns nicht mit Verwahrlosung gleichzusetzen. Vielmehr sehen wir eine Gefährdung für die Teilhabe von Kindern von Alleinerziehenden am gesellschaftlichen Leben und eine Ungleichbehandlung in Bezug auf Bildungschancen, da diese Familienform im Vergleich zu anderen ein erhöhtes Armutsrisiko aufweist.
Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, den Streit um Kinder nicht eskalieren zu lassen. Jugendämter leisten hierzu einen wichtigen vermittelnden Beitrag.
Deshalb steht unsere Fraktion und auch ich als kinder- und jugendpolitische Sprecherin für eine Stärkung der finanziellen und personellen Ausstattung der Jugendämter. Die Politik hat in den vergangenen Jahren aber Schritte in eine andere Richtung gemacht. Mittel für die Kinder- und Jugendhilfe wurden sukzessiv abgebaut, worunter vor allem die Personalausstattung litt. DIE LINKE setzt sich für eine Politik ein, die es den Jugendämtern ermöglicht, durch gut aus- und weitergebildetes Personal den Auftrag zu erfüllen, der ihnen durch das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) und das Kindschaftsrecht aufgetragen wird: der Schutz des Kindeswohls.
Ich kann Ihre Sorge und Ihre Wut verstehen. Gerichtssäle sind kein Ort für Kinder! Darum ist es aus meiner Sicht notwendig, die Jugendämter in ihrem Aufgabenbereich zu stärken und somit ein gutes, hochwertiges und flächendeckendes Netz an Beratungsangeboten für Eltern und für Kinder vorzuhalten. Denn letztlich sind es die Eltern, die durch einvernehmliche Entscheidungen im Sinne ihrer Kinder Streitigkeiten beheben können.
Dass es auch bei familiengerichtlichen und jugendamtlichen Entscheidungen falsche gibt, wird sicher niemand bestreiten. Der Weg, das Jugendamt als
Beratungs- und Netzwerkstelle zu schwächen oder gar abzuschaffen, ist aber aus meiner Sicht der falsche.
Mit freundlichen Grüßen,
Diana Golze