Frage an Diana Golze von Christine A. bezüglich Familie
(bzgl. Elternunterhalt)
Sehr geehrte Frau Diana Golze,
meine Mutter lebt seit September 1994 wegen schweren Alkoholismus in einem Pflegeheim. Erst im Februar 2002 wurde ich vom Sozialamt des Landkreises Rügen darüber informiert, dass es entsprechende Leistungen erbringt und aufgefordert, meine Einkommensverhältnisse offenzulegen. Seinerzeit war ich nicht in der Lage, Unterhalt zu leisten.
Meine Fragen:
1. Kann das Sozialamt auf Grund des o.g. langen Zeitraumes seinen Anspruch auch für die Zukunft verwirkt haben??
2. Liegt auf Grund dessen, dass ich mit einer alkoholkranken Mutter aufwachsen musste, und dies selbstverständlich ausgesprochen schwer war, ein Fall von unbilliger Härte vor??
Der § 1611 BGB würde nach meiner Auffassung davon ausgehen.
Ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihre Hilfe
und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Christine Alm
Sehr geehrte Frau Alm,
Die von Ihnen angesprochene Rechtsfrage ist kompliziert und ohne genauere Kenntnis der Umstände nicht zu beantworten. Ich empfehle Ihnen deshalb dringend, sich Hilfe einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwaltes oder einer anderen qualifizierten Beratungsstelle zu suchen. Meine Antwort kann eine rechtliche Beratung keinesfalls ersetzen. Die Inspruchnahme erwachsener Kinder durch Sozialhilfeträger, die an deren Eltern Leistungen erbringen, findet häufig statt und ist auch gesetzlich in § 94 SGB XII vorgesehen. Inwieweit eine Inanspruchnahme für die Vergangenheit möglich ist, wenn sich Ihre Einkommensverhältnisse ändern, kann ich leider nicht abschließend beantworten. Davon unabhängig ist die Frage zu klären, ob Sie vielleicht gar keine Unterhaltspflicht haben (weil diese eventuell unbillig wäre), dies müssten aber ExpertInnen beurteilen.
Außerdem stellt sich die Frage des Selbstbehalts, d.h. wie hoch die Zahlung ist, die von ihnen erwartet werden kann. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einigen Fällen entschieden und unter anderem zum Selbstbehalt der in Anspruch genommenen Personen geurteilt. Dabei hat er unter anderem ausgeführt: "Eine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus braucht der Unterhaltsverpflichtete jedenfalls insoweit nicht hinzunehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben im Luxus führt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß eine Inanspruchnahme für den Unterhalt von Eltern in der Regel erst stattfindet, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter befindet, seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkommensniveau angepaßt hat, Vorsorge für sein eigenes Alter treffen möchte und dann unerwartet der Forderung ausgesetzt wird, sich an den für seine Eltern aufgrund deren Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit anfallenden Kosten zu beteiligen. Wenn in dieser Situation sogar von ihm verlangt wird, mehr von seinem Einkommen für den Unterhalt der Eltern einzusetzen, als ihm selbst verbleibt, wird die Grenze des dem Unterhaltsverpflichteten Zumutbaren in der Regel überschritten." (BGH v. 23.10.2002, Aktenzeichen XII ZR 266/99). Falls also eine Unterhaltspflicht besteht und der Anspruch des Sozialhilfeträgers nicht bereits wegen Zeitablaufs verwirkt ist, ist die Frage, wie leistungsfähig sie jetzt sind und in welchem Umfang sie einer Zahlungsverpflichtung nachkommen könnten.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Klärung Ihres Falles.
Mit freundlichen Grüßen
Diana Golze