Portrait von Diana Golze
Diana Golze
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Diana Golze zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerhard R. •

Frage an Diana Golze von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr gehrte Frau Golze,

meine - noch unbeantwortete - Frage zum Verhalten eines Gymnasiums unter http://www.abgeordnetenwatch.de/diana_golze-575-37602--f247541.html#q247541 ergänze ich:

"Keine privilegierte Stellung der Bundeswehr in der Schule" kann nach Gesprächen in meinem Bekanntenkreis wegen der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nur eine in die Zukunft gerichtete Forderung sein.
Brauchen wir für die Gegenwart die Forderung "Keine Zwangsanwesenheit im Unterricht mit der Bundeswehr"?

Denkbar wäre vielleicht:

Eltern teilen der Schule schriftlich mit: Aus Gewissensgründen erziehen wir unser Kind gewaltfrei mit dem Ziel, daß es später den Wehrdienst verweigert. Deshalb beantragen wir die Befreiung von der Teilnahmepflicht am Unterricht mit der Bundeswehr.

Volljährige Schüler teilen der Schule schriftlich mit: Aus Gewissensgründen werde ich den Wehrdienst verweigern. Deshalb beantrage ich die Befreiung von der Anwesenheitspflicht im Unterricht mit der Bundeswehr und Ersatzunterricht in der Parallelklasse.

Wie beurteilen Sie - gfs. nach Befragung von Fachleuten - die Erfolgsaussichten?

Besteht das Bundesverteidigungsministerium darauf, daß Veranstaltungen mit der Bundeswehr NUR im Rahmen des Unterrichts stattfinden?
Trifft es zu, daß bei schulischen Veranstaltungen AUSSERHALB des Unterrichts keine Teilnahmepflicht besteht?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

Portrait von Diana Golze
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Reth,

zunächst möchte ich mich für die lange Bearbeitungszeit Ihrer Anfrage entschuldigen. Als kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE befasse ich mich zwar nicht originär mit den Fragen, die mit dem von Ihnen geschilderten Problem zusammenhängen. Zum einen liegt die Gestaltung des Schulwesens in der Kompetenz der Länder und zum anderen sind Ausgestaltung von schulischer Organisation eher Fragen an unsere bildungspolitische Sprecherin und die Problematik der sehr fragwürdigen „Bildungsarbeit“ durch Bundeswehroffiziere Sache unseres verteidigungspolitischen Sprechers. Nach Abstimmung mit diesen beiden Büros möchte ich Ihnen dennoch aus bundesdeutscher Sicht versuchen zu antworten. DIE LINKE sieht die Durchführung von sogenannten Informationsveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen seit langem sehr kritisch. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode ist von unserer Fraktion daher der Vorstoß gemacht worden, diese Form der politischen Beeinflussung zu unterbinden. (16/13060) Die Fraktion DIE LINKE fordert die Bundesregierung in diesem Antrag auf, Informationsveranstaltungen von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen nur dann zu genehmigen, wenn auch die Teilnahme anderer gesellschaftlicher Verbände und Initiativen gewährleistet und nachweisbar ist. Dabei beruft sich unsere Fraktion auf die Prinzipien der politischen Bildung, die im sogenannten Beutelsbacher Konsens aus dem Jahr 1976 und dem Münchner Manifest aus dem Jahr 1997 formuliert sind. Demnach müsse politische Bildung im öffentlichen Auftrag pluralistisch, überparteilich und unabhängig erfolgen. Dies ist in der Praxis jedoch nicht der Fall. Allein im Jahr 2008 haben 94 Jugendoffiziere der Bundeswehr etwa 3.900 Vorträge zu außen- und sicherheitspolitischen Themen an Schulen gehalten, zudem sind mehr als 400 Seminare und 80 sogenannte "Besuche bei der Truppe" organisiert worden. In der Regel, so heißt es, herrsche für die Schüler eine Anwesenheitspflicht bei diesen Veranstaltungen. Auf diese Art und Weise hat die Bundeswehr etwa 130.000 Schülern exklusiv "ihre Weltsicht" vermittelt. Gegen dieses Vorgehen regt sich zu Recht Protest bei den Schülern. Dies kommt in einem entsprechenden Antrag, den die Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalen auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz 2009 verabschiedet hat, deutlich zur Sprache. DIE LINKE fordert, dass die Einbindung der Bundeswehr in die Aus- und Fortbildung von Lehrern und Referendaren beendet wird, die Bundeswehr keine Lehr- und Unterrichtsmaterialien für zivile Schulen erstellt und dass die ergänzende politische Bildung an Schulen ausschließlich durch ziviles Personal unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geleistet wird. Außerdem darf kein militärisches Gerät auf Schulgeländen ausgestellt werden. Mit unseren Forderungen stehen wir nicht allein. Auch die zuständige Gewerkschaft GEW beobachtet mit Sorge die Zunahme der durchgeführten Informationsveranstaltungen. Als Mitglied der Fraktion DIE LINKE unterstütze ich die von der Gewerkschaft aufgemachten Forderungen. Diese macht auch darauf aufmerksam, dass : „Junge Menschen, die ihre berufliche Zukunft oder ihre Ausbildung bei der Bundeswehr realisieren wollen, umfassende Informationen benötigen, worauf sich Zeitsoldat/innen einlassen (z. B. Verpflichtung zu 12 Monaten Auslandseinsatz und harten finanziellen Sanktionen bei vorzeitigem Vertragsausstieg). Zur Information gehören auch Berichte über traumatisierte Heimkehrer/innen aus Afghanistan und über diejenigen, die in einem Kriegseinsatz in Afghanistan getötet werden.“ (GEW am 31.03.2010 „Einfluss der Bundeswehr an Schulen zurückdrängen“) Auch einen Zwang für Schülerinnen und Schüler an solchen Informationsveranstaltungen teilzunehmen, lehnen sowohl wir als auch die GEW ab. Dazu ist der von Ihnen unterbreitete Vorschlag durchaus bedenkenswert. Auf Grund der Zuständigkeit für die Schulgesetzgebung werde ich Ihre Vorschläge unseren Landtagsfraktionen zukommen lassen. Diese sind bereits (z. B. in Berlin) sehr intensiv in die Schüler/innen- und Elternproteste eingebunden. Sollten Sie weitere bzw. konkretere Fragen haben, möchte ich Sie bitten, sich an meinen Fraktionskollegen Paul Schäfer zu wenden, der als sich verteidigungspolitischer Sprecher seit geraumer Zeit auf diesem Gebiet engagiert.

Mit freundlichen Grüßen
Diana Golze