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Detlef Matthiessen
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Frage von Ute P. •

Frage an Detlef Matthiessen von Ute P. bezüglich Energie

1. Stimmen Sie zu, dass CO2- Speicherung ein Endlagerproblem darstellen würde, dessen Risiken nicht beherrschbar sind?
2. Befürworten Sie die Verabschiedung eines CCS- Unterlassungsgesetzes nach Art.4 Abs.1 der CCS-EU-Richtlinie? Falls Nein, warum nicht?
3. Sehen Sie durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien ein weitaus größeres Potential für zusätzliche und zukunftsfähige Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein als durch Fortführung und Ausbau der Kohleverstromung?
4. Halten Sie die Versorgungssicherheit auch ohne den Neubau des Kohlekraftwerks (CCS-ready) in Brunsbüttel für gewährleistet?
5. Stimmen Sie zu, dass Schleswig-Holstein durch CO2- Verpressung/Speicherung einen beträchtlichen Image-Schaden erleiden würde, der sich besonders auf Tourismus und Landwirtschaft verheerend auswirken würde?
6. Wird es Ihre Partei vor und nach der Wahl am 06.Mai 2012 zulassen, dass in Schleswig-Holstein die CCS- Technik zum Einsatz kommt, bzw die Einbringung von CO2 in den Untergrund erfolgt (Vorwand der Forschung oder Öl-/ Gasförderung)?
7. Wie wollen Sie und Ihre Partei im Falle eines Wahlsieges am 06.05.2012 konkret die Verpressung von CO2 verhindern?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Petersen
vielen Dank für Ihr Interesse. Ich beantworte gerne Ihre Fragen wie folgt:
1. Stimmen Sie zu, dass CO2- Speicherung ein Endlagerproblem darstellen
würde, dessen Risiken nicht beherrschbar sind?
Ja. Das Märchen von sauberer Kohle ist eine dreckige Lüge.
2. Befürworten Sie die Verabschiedung eines CCS- Unterlassungsgesetzes
nach Art.4 Abs.1 der CCS-EU-Richtlinie? Falls Nein, warum nicht?
Aufgrund der gemeinschaftlichen Verpflichtungen müssen wir -wie in anderen Fällen auch- gesetzliche Vorgaben der EU, i.d.R. Richtlinien, in nationales Recht umsetzen. Das gilt auch für die EU-Richtlinie 2009/31 vom 23. April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006. Der dafür nach EU-rechtlichen Bestimmungen vorgesehene Zeitrahmen ist bereits überschritten. Eine nationale Umsetzung der Richtlinie 2009/31 ermöglicht einen generellen Ausschluß der CCS-Technik im Geltungsbereich der Nationalstaaten einschließlich deren ausschließlicher Wirtschaftszonen (AWZ) bzw. deren Festlandsockel. So regelt im die Richtlinie im Kapitel 2 der Artikel 4 „Auswahl von Speicherstätten“
im Absatz 1 folgendes:
"Die Mitgliedstaaten behalten das Recht, die Gebiete zu bestimmen, aus denen gemäß dieser Richtlinie Speicherstätten ausgewählt werden können. Dazu gehört auch das Recht der Mitgliedstaaten, keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebietes zuzulassen."
Davon macht z.B. Österreich Gebrauch mit dem Bundesgesetz über das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00288/imfname_221978.pdf)
Die Forschung zur Abscheidung von Kohlendioxid in industriellen Prozessen oder zur Reinigung von Biogas und Ähnliches wird damit nicht ausgeschlossen. Eine Einlagerung von CO2 bis zu 100.000 Tonnen wird in diesem Zusammenhang gestattet. Eine Anwendung im Energiesektor ist somit in Österreich klar ausgeschlossen. Zum Vergleich: Ein heute üblicher Kohleblock von 800 MW verfeuert 1,8 Millionen Tonnen und erzeugt damit 7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Eine stoffliche Nutzung (Baustoffe, Windgas) unvermeidlicher Treibhausgasemissionen (Stahl, Zement und anderes Prozess-CO2 trägt zu 8% des THG-Ausstosses bei) bleibt damit möglich und ist auch etwas vollständig Anderes. Meiner Meinung nach brauchen wir eine Forschung für Verpressung und CO2-Einlagerung überhaupt nicht. Die Energiewende hin zu einer Vollversorgung aus Erneuerbaren verzichtet vollständig auf Atom und Kohle.
3. Sehen Sie durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien ein weitaus größeres Potential für zusätzliche und zukunftsfähige Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein als durch Fortführung und Ausbau der Kohleverstromung?
Ja.
4. Halten Sie die Versorgungssicherheit auch ohne den Neubau des
Kohlekraftwerks (CCS-ready) in Brunsbüttel für gewährleistet?
Ja. Allerdings brauchen wir dazu eine kluge Energiepolitik. Versorgungssicherheit und Netzstabilität sind hohe Güter und im Übrigen auch gesetzliche Anforderung des Ene rgiewirtschaftsgesetzes [EnWG] mit seinen Spezalgesetzen und dem untergesetzlichen Regelwerk. Bemerkenswert ist, dass die Landesregierung, hier Wirtschaftsminister de Jager, mit 100 Prozent Erneuerbaren im Wahlkampf wirbt, aber gleichzeitig den gigantischer Kohlekraftwerke in SH unterstützt. Ein weiterer Widerspruch in der CDU-Energiepolitik ist die vorgebliche Ablehnung der CCS-Technik, aber die Anforderung an diese Kraftwerke "capture-ready" zu bauen, also die CCS-Technik vorzusehen.
5. Stimmen Sie zu, dass Schleswig-Holstein durch CO2-
Verpressung/Speicherung einen beträchtlichen Image-Schaden erleiden würde, der sich besonders auf Tourismus und Landwirtschaft verheerend auswirken würde?
Ja. Neben Rufschädigung befürchte ich allerdings auch erhebliche materielle Schäden, etwa eine Versauerung des Grundwassers. Von einem CO2-Endlager unter der Nordsee wären nicht nur die Inseln sondern auch das Festland betroffen, wenn sich das CO2 ausbreitet und das Grundwasser erreicht. Durch die unterirdischen Druckauswirkungen der CO2-Verpressung kann es in einem Radius von etwa 100 km um die Lagerstätten zum Aufstieg von stark salzhaltigen Wässern kommen. Die Meeresumwelt und besonders die Naturschutzgebiete wie das Wattenmeer können beeinträchtigt werden mit negativen Folgen für Tourismus und Fischerei.
Tiefengeologen vermuten eine großräumige Kommunikation der so genannten tiefen salinen Aquiferen. Die Gefährdung der Trinkwasservorkommen in Küstennähe liegt doch auf der Hand. Wenn nicht durch CO2, dann durch die dreißigprozentige Salzlösung, die aus der Lagerstätte herausgepresst wird. Wo soll die gewaltige Menge Salz denn hin? Wird es um unser Grundwasser einen großen Bogen machen?
Neben Umweltgefahren macht CCS auch energiewirtschaftlich keinen Sinn. Man muß für dieselbe Strommenge 1.3 Tonnen Kohle verbren-nen statt einer. Wir alle wissen: Strom wird nicht billiger. Dafür haben die Bürger Verständnis. Aber niemand will den CCS-Unsinn bezahlen.
6. Wird es Ihre Partei vor und nach der Wahl am 06.Mai 2012 zulassen, dass
in Schleswig-Holstein die CCS- Technik zum Einsatz kommt, bzw die Einbringung von CO2 in den Untergrund erfolgt (Vorwand der Forschung oder Öl-/ Gasförderung)?
Nein.
7. Wie wollen Sie und Ihre Partei im Falle eines Wahlsieges am 06.05.2012
konkret die Verpressung von CO2 verhindern?
Das hängt von der Ausgestaltung des Gesetzes ab. Natürlich gibt es in Schleswig-Holstein aus Sicht der Kohleindustrie geeignete Einlagerungsräume, sonst hätte RWE-DEA keinen Antrag auf Erforschung von Lagerstätten gestellt.
Die so genannte Länderklausel halten wir für wenig belastbar.
Die CDU hält an einer Länderklausel fest, mit der sie sich in Berlin hat abspeisen lassen. Das verkaufen die hier im Land als großen Verhandlungserfolg, um zu kaschieren, daß sie in Wahrheit mit leeren Händen aus Berlin zurückgekehrt sind.
Die sogenannte Länderklausel zieht nicht, sie ist ein stumpfes Schwert. Das haben Antworten des Bundeswirtschaftsministerium an den grünen Abgeordneten Oliver Krischer unter Beweis gestellt, das zeigen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das zeigt ein Rechtsgutachten, das die Umweltverbände hier in Schleswig-Holstein, in Kiel mit einer Pressekonferenz vorgestellt und erläutert haben.
Die Länderklausel zieht nicht, das sagt auch der gesunde Menschen-verstand. Ein CCS-Gesetz, das die Ermöglichung dieser Technologie zum Ziel hat, verlagert die Flächenauswahl auf die Landesebene: Das ist der Vorgang. Und wer da meint, in Deutschland sei Verhinderungsplanung erlaubt, der irrt.
Wir dürfen auch andere Gefahren in dem Gesetzentwurf nicht ignorieren:
Die geplante Verbringung gigantischer CO2-Mengen unter dem Meer vor Schleswig-Holsteins Küsten? Im Gesetzesentwurf §2 Absatz 4 steht: „Dieses Gesetz gilt nach Maß-gabe des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1798) auch im Bereich der aus-schließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels.“
Welche Folgen könnte die Haftung des Landes für Spätfolgen der CO2-Verpressung haben? Wird schon gut gehen, oder?
Andere Bundesländer handeln nicht so verantwortungslos. Die Mehrheit lehnt den Gesetzentwurf ab.
Im Spiegel vom 16.5.2011 ist nachzulesen, dass im norwegischen CO2-Speicher Sleipner der Druck im Speicher nicht angestiegen ist, obwohl schon jahrelang CO2 verpresst wurde. Das kann ein Hinweis sein, dass CO2 an Gesteinsverwerfungen austritt.
Das Märchen von sauberer Kohle ist eine dreckige Lüge.
Atom und Kohle sind von gestern.
Wir werden daher auf ein vollständiges Verbot von CCS hinwirken.

Ich danke für Ihr Interesse und stehe für ein vertiefendes Telefongespräch gerne zur Verfügung. Dienst: 0341-988-1511 und privat 04351-751205 oder senden Sie mir eine mail unter detlef.matthiessen@gruene.ltsh.de

Mit freundlichen Grüßen
Detlef Matthiessen