Frage an Dennis Melerski von Rüdiger S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Melerski,
ich bin über unser Schulsystem entsetzt und da nicht der Einzige. Die Diskussion beherrscht allerdings überwiegend die Frage, wie unsere Kinder lernen sollen. Die Fragen, ob alle Kinder 4 oder 6 Jahre gemeinsam lernen, ob die Ganztagsschule flächendeckend eingeführt werden soll oder die Frage, ob ein Turboabitur Sinn macht oder nicht, sind zweifellos sehr wichtig.
Es wird aber kaum danach gefragt, WAS unsere Kinder lernen. Wenn man sich die Lehrpläne ansieht, wird schnell klar, dass sie überfrachtet sind. Darüber hinaus lassen sie oftmals keine logische Stringenz im Lernstoff erkennen, was vor allem Schüler frustriert. Lehrer sind mit der Situation offenbar auch sehr oft überfordert. Die wachsende Nachfrage zwecks Nachhilfe und vor allem die überfüllten Praxen der Kinder- und Jugendpsychologen geben doch beredtes Zeugnis darüber ab, dass unser Bildungs-/Schulsystem vermurkst ist. Eltern als auch Fachverbänden verwehrt man de facto ein Mitspracherecht. Die Politik überlässt die Umsetzung ihrer Vorgaben oder Ideen der Kultusbürokratie.
Wie gedenken Sie eine Korrektur dieser unerträglichen Situation herbeizuführen oder meinen Sie, dass der derzeitige Kurs der richtige ist? Geben Sie sich wie etwa Herr Pinkwart mit den Angaben des Schulministeriums zufrieden, das unlängst etwa behauptete, die Lehrpläne seien entrümpelt? Es lässt sich leicht das Gegenteil beweisen. Lassen Sie unsere Kinder endlich wieder ohne ideologischen Ballast das lernen, was sie wirklich für ihr weiteres (Berufs-) Leben brauchen!
Freundliche Grüße,
Rüdiger Stritzke
Sehr geehrter Herr Stritzke,
ich freue mich sehr über Ihr großes Interesse an den Positionen der KandidatInnen aus Ihrem Wahlkreis.
Ihr Entsetzen über unser derzeitiges Schulsystem, an dem CDU und FDP aus ideologischen Gründen festhalten, ist verständlich. Eine repräsentative Befragung, die der deutsche Philologenverband erst gestern in Berlin vorstellte, zeigt, dass Sie damit nicht alleine sind. Im Ländervergleich landete die Schulpolitik in NRW mit der Note 3,7 unter dem Durchschnitt und lediglich auf dem zehnten Rang.
Auch Ihre Beschreibungen von SchülerInnen, die immer öfter auf Nachhilfe angewiesen sind, und von überfüllten Lehrplänen treffen zu. Sie decken sich u.a. mit dem, was Rene Heesen von der LandesschülerInnenvertretung auf dem GRÜNEN Bildungskongress am 21. März in Gelsenkirchen gesagt hat und beschreibt eine skandalöse Entwicklung.
Die Frage nach überfrachteten Lehrplänen und zu stark belasteten SchülerInnen lässt sich meiner Meinung nach nicht komplett von der Diskussion um Turboabitur, Ganztagsschulen und längerem gemeinsamen Lernen trennen. So ist zum Beispiel insbesondere an unseren Gymnasien der Leistungsdruck auf die SchülerInnen durch die unüberlegte Einführung des Turboabiturs immens gestiegen.
Schule darf zukünftig nicht mehr durch Aussortieren und Abschulen, sondern soll durch individuelle Förderung geprägt sein. Dazu ist z.B. längeres gemeinsames Lernen nötig, bei dem Kinder eben nicht schon nach der 4. Klasse aussortiert werden und ihr weiterer Lebensweg damit entscheidend vorgezeichnet wird.
Die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen wird sich auch auf die Gestaltung des Lernens auswirken, z.B. durch eine andere, projektbezogene Rhythmisierung der Lehreinheiten.
Ein sehr wichtiger Kritikpunkt von Ihnen an der heutigen Situation ist die mangelnde Beteiligung. In einem guten Bildungssystem muss es ein Mitspracherecht von Eltern und SchülerInnen geben. Deswegen muss die Drittelparität in der Schulkonferenz wiedereingeführt werden. Eltern und SchülerInnen können dann ihre Kompetenzen auf Augenhöhe einbringen und verantwortungsvoll mitgestalten. Auf Landesebene wollen wir GRÜNE den Einfluss von Eltern zudem durch einen Landeselternrat stärken.
Um Ihre Frage nach den Lehrplänen noch einmal aufzugreifen: Diese gehören für mich fortwährend überarbeitet und angepasst. Das ich damit offensichtlich eine andere Haltung als Herr Pinkwart zu dem Thema habe, überrascht wahrscheinlich wenig, dürfte sich doch die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen GRÜNER- und FDP-Politik als äußerst schwierig gestalten.
Ich habe einmal mit einem unserer Bildungsexperten ein Gespräch geführt. Er vertritt die Meinung, dass unsere Lehrpläne den Anforderungen einer modernen Wissensgesellschaft noch nicht entsprechen. Zu sehr stehe das Ansammeln von Faktenwissen im Mittelpunkt. Entscheidender als bloße Wissensanhäufung ist aber, zu erfahren wie man lernt, wie man das Erlernte anwendet und wie man Wissen vernetzt. In diesem Sinne besteht noch einiger Spielraum für ein Entrümpeln der Lehrpläne.
Ich sende Ihnen viele Grüße,
Ihr Dennis Melerski