Wann kommt die bundesweite Aufklärungskampagne über Long/Post Covid, ME/CFS und Post Vac für Bürger:innen und Ärzt:innen? Wann wird die Versorgungsstruktur für hunderttausende Betroffene aufgebaut?
Sehr geehrte Frau S.,
für konkrete Fragen zur Bundespolitik sind meine Kolleg*innen der SPD-Bundestagsfraktion die besseren Ansprechpartner*innen und können Ihnen vermutlich genauere Antworten geben. Als Europaabgeordnete möchte ich Ihnen aber aufzeigen, dass die EU bereits jede Menge tut, um Menschen, die an Long-Covid erkrankt sind, zu unterstützen und auch ME/MCF weiter zu erforschen.
Dafür müssen Sie wissen, dass die Union die Gesundheitspolitik der Mitgliedsstaaten gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union lediglich ergänzt. Die EU klärt dabei nicht nur über Gesundheitsgefahren auf, sondern ist bspw. auch für die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von menschlichen Krankheiten und die Bekämpfung von schweren und seltenen Krankheiten, die weit verbreitet sind, zuständig. Allerdings dürfen Vorgaben in diesen Bereichen nicht bindend sein.
Das Europäische Parlament hat bereits im Juni 2020 eine Entschließung (2020/2580(RSP) angenommen, in der zusätzliche Fördermittel für die Forschung an ME/CFS gefordert werden. Seitens der Kommission erwarten wir eine Studie, die dazu beitragen soll, Erkrankungen im Zusammenhang mit hoher Belastung zu ermitteln, die wie ME/CFS noch nicht ausreichend erforscht sind. Weiterhin fordert das Parlament, dass Forschungsprioritäten festgelegt werden, um den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten besser gerecht zu werden. Ferner hat die EU im Rahmen früherer Rahmenprogramme für Forschung und Innovation mehrere Projekte, wie beispielsweise „Help4ME“, „DISCOvERIE“, „VirA“ oder „EUROMENE COST-Maßnahme“, im Zusammenhang mit MF/CSE unterstützt. Diese Bemühungen werden im Rahmen des Horizon Europe Forschungsprogramm der Union, explizit des Clusters Gesundheit, fortgeführt, so dass weitere Projekte im Bereich der ME/CFS Forschung finanziell unterstützt werden.
Auch der Kommission sind die langfristigen Auswirkungen einer COVID-19-Infektion bekannt. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) überwacht derzeit die wissenschaftliche und graue Literatur zum Zustand nach COVID-19 mit dem Ziel, den Abschnitt zu den klinischen Merkmalen seines Online-Krankheitshintergrunds, zur Hilfestellung von u.a. medizinischem Fachpersonal, zu COVID-19 regelmäßig zu aktualisieren.
Die Kommission hat weiterhin das sogenannte Expertengremium für wirksame Investitionen in die Gesundheit gebeten, einen Bericht über den Zustand nach COVID-19 zu erstellen. Der Bericht wird sich auf die Definition, die Auswirkungen auf die Gesundheitsdienste und die Überwachung des Zustands nach COVID-19 konzentrieren und wurde Ende 2022 veröffentlicht: https://ec.europa.eu/newsroom/sante/newsletter-archives/42544 .
Das ECDC wirft auch einen allgemeinen Blick auf die aktuelle Literatur und verfolgt die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufmerksam, um eine klinische Falldefinition für Post-COVID-19-Zustände zu entwickeln.
In Bezug auf die Forschung wurde das Projekt ORCHESTRA im Rahmen von Horizont 2020 finanziert. ORCHESTRA versucht Kohortendaten aus ganz Europa und darüber hinaus zu bündeln, um die mittel- und langfristigen Auswirkungen von COVID-19-Infektionen zu messen. Das ECDC sitzt im wissenschaftlichen Beirat dieses Projekts. Darüber hinaus wurden im Jahr 2021 drei neue Projekte mit 30 Mio. EUR im Rahmen des HERA-Inkubatoraufrufs finanziert. Diese Projekte werden Patientengruppen verfolgen, um das Risiko sowie die Schutzfaktoren im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion in verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser zu verstehen.
Die Arzneimittelstrategie für die Union zielt weiterhin darauf ab, ungedeckten medizinischen Bedarf von Patient*innen zu decken. Hier wird vor allem die Entwicklung von Arzneimitteln im Fokus stehen, für die es keine oder keine zufriedenstellenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Die spezifischen Revisionen der Arzneimittelstrategie wird dieses Jahr starten.
Mit der Initiative „Innovative Gesundheit“ (IHI) - eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) zwischen der EU und der europäischen Biowissenschaftenindustrie- soll Gesundheitsforschung und -innovation in greifbare Vorteile für Patient*innen und die Gesellschaft umgesetzt und sichergestellt werden, so dass die Union an der Spitze der interdisziplinären, nachhaltigen und patientenorientierten Gesundheitsforschung bleibt.
Abschließend würde ich auch gerne die Gelegenheit nutzen, um auf das potentielle Medikament BC 007 von Berlin Cures einzugehen. Die Entwicklung dieses Medikamentes befindet sich zurzeit kurz vor der klinischen Phase IIa und hat bereits wissenschaftlichen Rat seitens der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erhalten. Allgemein gibt es mehrere Phasen der klinischen Prüfung, die ein Arzneimittel durchlaufen muss. Von intensiver Testung in Laboren und Tieren, über die Studien in der Phase IV an mehreren tausende Menschen. Ob dieses Medikament am Ende des Tages für die Behandlung von ME/CFS zugelassen wird, basiert auf Daten, die im weiteren Prozess der Prüfung erhoben werden. Eine finale Marktzulassung beruht ausnahmslos auf vorhandene wissenschaftliche Daten und unterliegt strengen rechtlichen Standards in Bezug auf Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit. Weiterhin ist zu betonen, dass die Unternehmen eine Zulassung innerhalb der EU beantragen müssen. Die Politik hat hier keinen Einfluss.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort aufzeigen konnte, dass die EU aktiv die Forschung und Innovation im Bereich von ME/CFS sowie Post-Covid unterstützt und vorantreibt, um so betroffenen Patient*innen zu helfen.
Mit freundlichen Grüßen
Delara Burkhardt