Frage an Delara Burkhardt von Peter W. bezüglich Gesundheit
Liebe Frau Burkhardt,
als Mitglied im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments möchte ich Ihnen gern ein paar Fragen zur geplanten Impfpflicht in Deutschland und einer etwaigen Ausdehnung in eine europäische Impfpflicht stellen.
Sind Ihnen persönlich auch die Kritikpunkte der "Ärzte für individuelle Impfentscheidung", die am Kabinettsentwurf für das Masernschutzgesetz geübt werden, bekannt (siehe https://tinyurl.com/y2k4zgqf)?
Die Ausschüsse des Bundesrats haben in den letzten Tagen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet (siehe https://tinyurl.com/y4rgfbee). Ist für Sie persönlich eine Impfpflicht mit den Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit, elterliche Fürsorge oder Selbstbestimmung vereinbar?
Quasi zeitgleich fand dann gestern in Brüssel der "globale Impfgipfel" von EU-Kommission und WHO statt (https://tinyurl.com/yy55aog8), was mich zu weiteren konkreten Fragen an Sie als Mitglied des Europaparlaments führt.
1. Halten Sie es für möglich, dass Gesundheitskommissar Hr. Andriukaitis analog zu Bundesgesundheitsminister Hr. Spahn demnächst der EU-Kommission einen Gesetzentwurf für die europaweite Einführung einer Impfpflicht vorlegen wird?
2. Sollte ein solcher Entwurf vorgelegt werden, wie sehen Sie die Chancen, dass diesem von EU-Kommission, Europaparlament und Rat der Europäischen Union zugestimmt würde?
3. Wäre eine Impfpflicht in Europa mit der EU-Verfassung konform?
4. Wäre eine Umsetzung eines solchen EU-Gesetzes in nationales Recht mit unserem Grundgesetz vereinbar?
Was mir in diesem Zusammenhang etwas Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass die WHO offensichtlich stark von Ihren Geldgebern abhängig ist. Dies wird u.a. sehr gut im Dokumentarfilm "WHO - Am Tropf der Geldgeber" (https://tinyurl.com/yxbuspqd) deutlich. Wie sehen Sie das?
Danke für Ihre Antworten und alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Peter Wunder
Sehr geehrter Herr W.,
zunächst möchte ich mich für Ihre Fragen bedanken. Gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (EAUV) ergänzt die Politik der Union lediglich die der Mitgliedstaaten. Die EU klärt jedoch nicht nur über Gesundheitsgefahren auf, sondern ist bspw. auch für die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von menschlichen Krankheiten und die Bekämpfung von schweren und seltenen Krankheiten, die weit verbreitet sind, zuständig. Allerdings dürfen Vorgaben in diesen Bereichen nicht bindend sein. Die Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen, sichere und hochwertige Medizinprodukte oder gemeinsame Impfstrategien sind nur wenige Beispiele, die nur dank europäische Zusammenarbeit möglich sind.
Die Impfung ist eine der kosteneffektivsten Möglichkeiten, um Krankheiten vorzubeugen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) verhindern Impfungen derzeitig 2-3 Millionen Todesfälle pro Jahr, und weitere 1,5 Millionen könnten vermieden werden, wenn die weltweite Abdeckung der Impfungen verbessert würde. In der nächsten Dekade können Impfungen laut WHO bis zu 25 Millionen Menschenleben retten.
Die WHO hat dieses Jahr Impfgegner sogar als eine der 10 globalen Gesundheitsrisiken eingestuft. Masern zum Beispiel haben weltweit einen Anstieg von 30% verzeichnet. In einigen Ländern, die kurz vor der Ausrottung der Krankheit standen, ist es jedoch zu einem Wiederaufleben gekommen. So ist es auch bei uns in Deutschland. Im April vergangenen Jahres hat die Europäische Kommission deswegen einen 20-Punkte-Plan zur Bekämpfung des Impfrückgangs vorgelegt. Ein entschiedenes Vorgehen gegen Anti-Impf-Kampagnen sowie Maßnahmen gegen Impfstoffengpässe sind unumgänglich. Die wachsende Impfskepsis und der Impfrückgang in Europa gefährden Menschenleben. Es ist daher erfreulich, dass die Kommission das Thema jetzt umfassend angeht. Wir müssen darauf drängen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zügig und konsequent umgesetzt werden.
Zu den Maßnahmen, die die Kommission und die Mitgliedstaaten durchführen sollen, gehören unter anderem die Implementierung eines nationalen Impfplans (nicht Impfpflicht!) bis 2020 sowie die Einführung von Routinechecks des Impfstatus. Außerdem soll eine einheitliche, grenzüberschreitend abrufbare Impfkarte eingeführt und zügig ein Informationsportal für Bürgerinnen und Bürger mit wissenschaftlichen Fakten zu Impfungen entwickelt werden. Ferner ist eine EU-Datenbank zum Austausch von Informationen zu verfügbaren Impfstoffen geplant und die verstärkte Fortbildung für medizinisches Personal.
Die Vorteile von Impfungen sind wissenschaftlich ausgiebig erforscht. Das Ausrotten der Pocken, die Reduzierung von typischen Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung um bis zu 99 Prozent sind gute Beispiele für die Wirksamkeit von Impfungen. Umso bedauerlicher ist es, dass offenbar immer mehr Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union Zweifel am Nutzen von Impfungen haben. Vor allem die teils wilde Panikmache rund um das Thema muss ein Ende haben. Wir müssen transparent, gezielt und nüchtern über Impfungen aufklären. Mitgliedstaaten müssen geschlossen gegen Fehlinformationen vorgehen und vor allem Eltern mit Informationskampagnen für die hohe Bedeutung von Impfungen sensibilisieren.
Das Thema Impfplicht wurde in den vergangenen Wochen emotional in der Öffentlichkeit diskutiert. Als SPD Gruppe im Europäischen Parlament halten wir eine Impfpflicht bei ausgewählten Erkrankungen für äußerst sinnvoll. Gerade im Zuge der Masernerkrankungswelle sehen wir wie wichtig ein flächendeckender Impfschutz ist. Die EU kann jedoch wie bereits erwähnt keine Impflicht einführen, das bleibt Entscheidung der Mitgliedsländer. Es ist daher begrüßenswert, dass sich auf Bundesebene diesbezüglich was bewegt. Gerade in Gemeinschaftseinrichtungen wie bspw. Kindergärten geht es um Verantwortung nicht nur für sich selbst/das eigene Kind, sondern für alle.
Zu bedenken gibt die SPD Europa, dass es Menschen gibt, darunter auch Babys und Kinder, die aufgrund eines Alters oder einer Immunschwäche gar nicht die Möglichkeit der Impfung haben. Bei Impfungen gilt prinzipiell die Herdenimmunität, denn solange ausreichend Individuen geimpft sind, sind auch die geschützt, die sich aufgrund des zu jungen Alters oder gesundheitlichen Gründen wie bspw. einer Erkrankung ihres Immunsystems nicht impfen können, geschützt. Eine ausreichend hohe Anzahl geimpfter Menschen ist daher unbedingt sicherzustellen.
Schlussendlich können Sie sehen, dass es zwar Bewegung auf europäischer Ebene im Bezug zu Impfungen gibt, es jedoch kein Bestreben einer europäischen Impfplicht gibt. Ich bin mir bewusst, dass dies nicht die von Ihnen gewünschte Antwort ist. Jedoch hoffe ich, dass Sie unsere Gründe nachvollziehen können.
Mit freundlichen Grüßen
Delara Burkhardt