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Daniela Ludwig
CSU
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Frage von Bärbe L. •

Frage an Daniela Ludwig von Bärbe L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ludwig,

Unterstützen Sie auch den Gesetzerntwurf Sensburg, Dörflinger, Hippe?

Österreich, Großbritannien und Italien haben den assistierten Suizid verboten!
Sorgen Sie für EU-Konformität in diesem Fall.

Angehörigen, Nahestehenden, Pflegende und Ärzten könnten eigennütige Motive unterstellt werden. So wird das Vertrauen zwischen dieser Personengruppe und den Betroffenen Kranken und Alten untergraben.
Es bedarf des Schutzes vor Sterbehilfe-Vereienen und geschäftsmäßigen Sterbehelfern.
Es geht hier um die Rechtssicherheit und unbegrenzte Solidarität mit alten und kranken Menschen bis zum letzten Atemzug.
Nehmen Sie allen schwer Erkrankten die Ängste durch flächendeckende Palliativversorgung im Sinne der Hospizbewegung.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Lehner,
am kommenden Freitag werde ich den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag „Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ der Bundestagsabgeordneten Frieser, Brand und Lücking-Michel unterstützen.

Gerne möchte ich Ihnen im Folgenden ausführlich erläutern, warum ich mich deren Entwurf anschließe.

Grundsätzlich sehe ich die Notwendigkeit einer neuen Regelung darin begründet, dass sich in den letzten Jahrzehnten der gesellschaftliche Umgang mit Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid stark verändert hat und ich dieser Tendenz entgegenwirken möchte.
Heute gibt es sowohl Vereine als auch Einzelpersonen, die die Beihilfe zur Selbsttötung als Behandlungsoption am Lebensende als geschäftsmäßige Dienstleistung bewerben und auch durchführen - und zwar nicht nur bei sterbenskranken Menschen in deren letzter Lebensphase, sondern darüber hinaus generell für Menschen, die aus individuellen Gründen in einer bestimmten Lebenssituation nicht mehr leben wollen.
Die Fälle von geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid nehmen in Deutschland und auch in Nachbarländern wie der Schweiz zu – die Zahl geht in die Tausende.
In den vergangenen Jahren ist durch die Regelungslücke auch in Deutschland die Zahl in hunderte Fälle gestiegen, in der Schweiz stieg die Zahl allein im Jahr 2014 um 25 Prozent.
Es ist zudem zu beobachten, dass auch in der Ärzteschaft die Beihilfe zum Suizid von einzelnen durchaus als Option angesehen wird, die Patienten unter bestimmten Voraussetzungen „angeboten“ werden kann.
Bliebe es also bei der bisherigen Regelungslücke, würde sich diese Entwicklung fortsetzen, und assistierter Suizid würde über Zeit zu einer gesellschaftlichen Normalität. Damit stiege der zwischenmenschliche und soziale Druck auf Menschen gerade in einer schwachen Lage, von einer solchen Option auch Gebrauch zu machen.
Dieser Druck träfe die Schwächsten am stärksten – gerade solche, die wegen Alters, Gebrechlichkeit oder schwerer Krankheit ohnehin schon das Gefühl haben, ihren Mitmenschen oder auch der Gesellschaft zur Last zu fallen. Dieser Gesetzentwurf will der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid nun Einhalt gebieten und damit auch der damit verbundenen fatalen Verschiebung von ethischen Maßstäben durch eine moderate gesetzliche Regelung.

Den zentralen Unterschied zwischen diesem Gesetzentwurf und den Vorstellungen, erstmals gesetzlich eine Öffnungsklausel für ärztlichen assistierten Suizid vorzusehen, sehe ich in der Unvereinbarkeit dieser Regelungen.
Der von mir favorisierte Gesetzentwurf will gerade einer Normalisierung des assistierten Suizids als einer medizinischen Behandlungsoption am Lebensende vorbeugen, weil hiermit nicht nur eine Schwächung der menschlichen Selbstbestimmung, sondern auch eine Gefährdung für den Schutz des Lebens verbunden wäre.
Die Öffnung der Beihilfe für Ärzte hingegen als gesetzliche Norm würde gerade dies für eine zunächst zwar begrenzte, näher definierte Personengruppe fixieren: bei irreversibel zum Tode führende Erkrankungen und schwerem Leiden, das von zwei Ärzten festgestellt werden soll. Mit einer solchen gesetzlichen Regelung würde erstmals in Deutschland positiv-rechtlich die ärztliche Beihilfe zum Suizid normiert und damit eine gleichwertige Option neben Palliativversorgung und Sterbebegleitung geschaffen.
Auch die im Entwurf vorgesehene Beratungspflicht für Suizidwillige über palliativmedizinische Versorgung würde an diesem erstmaligen Festschreiben nichts ändern – und aus anderen Zusammenhängen ist bekannt, wie sich derartige Beratungspflichten abnutzen und auch ausgehöhlt werden können.
Allein mit der Öffnung einer solchen gesetzlichen Option würden zahlreiche Menschen absehbar unter einen Rechtfertigungszwang geraten, warum sie nicht Gebrauch machen von dieser nun eigens gesetzlich festgeschriebenen Option. Rechtsnormen sind nicht nur Ausdruck von Wertentscheidungen, sie prägen durch ihre Festschreibung auch die Wertentscheidungen einer Gesellschaft. Es überzeugt zudem nicht das Argument, dass es sich nach den Kriterien doch nur um eine Regelung für einen ganz begrenzten, sehr kleinen Personenkreis handele.
Eine ganze Reihe unserer Nachbarländer belegen, dass zunächst begrenzte Regelungen enorme Auswirkungen auf die Wertentscheidungen haben und die Kriterien in keinem Land in dem anfänglichen engen Umfang „gehalten“ haben: ist der Dammbruch erst einmal eingetreten, weitet sich die Lücke über die Jahre immer weiter aus.

Das Vertrauen in den Arztberuf und das Vertrauen zum Arzt würde nachhaltig verändert, wenn die Beihilfe zum Suizid in das Aufgabenspektrum der Ärzte aufgenommen werden würde. Zudem dürfte verfassungsrechtlich eine Begrenzung auf den im Entwurf umrissenen Personenkreis aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum zulässig sein.

In der Folge würde mit einer solchen Regelung in der Praxis die Abgrenzung zur Tötung auf Verlangen kaum mehr haltbar sein. Mit welcher Begründung wollte man auf Dauer einem todkranken und sterbewilligen, schwerstleidenden Menschen, der nicht mehr in der Lage ist, den Suizid selbst auszuführen, dann noch das tödliche Gift verwehren?

Wer die Öffnung für den ärztlich assistierten Suizid will, der geht das Risiko ein, dass eine Entwicklung hin zum Töten auf Verlangen nicht aufgehalten werden kann. Die Entwicklung in unserem Nachbarland Belgien zeigt, ähnlich wie in den Niederlanden, wie aus anfänglich begrenzten Kriterien für Töten auf Verlangen durch nachfolgende 25 gesetzliche Änderungen in 10 Jahren bis heute eine Ausweitung der Angebote bis hin zum Kind eingetreten ist, was jährlich zu tausenden Todesfällen dieser Art führt. Sobald die Option auf ärztlich assistierten Suizid eröffnet wäre, würde sie gerade von Patienten in Not als Ausweg gesehen und auch vom Arzt eingefordert. Eine sukzessive Veränderung der Kriterien wäre auch hier nach Ansicht aller vorgezeichnet, weshalb die überwältigende Zahl der Ärzteschaft und sämtliche Ärztekammern sich massiv gegen diese Öffnungsklausel zur Wehr setzen.
Die warnenden Beispiele unserer Nachbarländer in Europa geben hier erheblich stärkere Hinweise als das angeführte Beispiel aus dem US-Bundesstaat Oregon, das in völlig unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen einschließlich einer anderen Gesundheitsversorgung umgesetzt wurde.
Allerdings ist eine Warnung zur Wirkung der Regelung in Oregon nicht zu ignorieren: es gibt eine bedenkliche Zahl von assistierten Suiziden von Menschen aus prekären Verhältnissen, was die These vom sozialen Druck zur Wahl dieses Ausweges eher stützt als widerlegt.

Wer wird von der Regelung erfasst, und wer nicht?
Erfasst werden in diesem Gesetzentwurf lediglich Vereine oder sonstige Organisationen, die die Hilfe beim Suizid geschäftsmäßig anbieten. Ebenfalls erfasst werden Einzelpersonen, die Suizidhilfe geschäftsmäßig, also auf Wiederholung angelegt, anbieten.
Nicht erfasst ist der gesamte Bereich der Hilfe beim Sterben, wie wir ihn etwa bereits aus Hospizen und der Palliativversorgung kennen: nicht strafbar bleibt das Unterlassen, das Begrenzen und das Beenden einer (begonnenen) lebensverlängernden medizinischen Behandlung, sofern dies dem Patientenwillen entspricht (früher „passive Sterbehilfe“).
Ebenso erlaubt bleiben ärztliche und pflegerische Maßnahmen, durch die Schmerzen gelindert werden und der Sterbevorgang erleichtert wird, und zwar selbst dann, wenn dies zu einer Bewusstseinstrübung oder im Extremfall in der Folge, und nicht als Absicht, zu einer Lebensverkürzung führen kann.
All dies wird durch den Gesetzentwurf nicht kriminalisiert. Es kommt sehr auf die Absicht an, in der diese Maßnahmen angewendet werden.

Was ist mit den Ärzten?
Mit dem Gesetzentwurf wird bewusst auf die Handlung, und nicht auf den Beruf abgestellt. Es wird kein Sonderrecht für Ärzte geschaffen.
Ärzte können nur dann unter das Verbot fallen, wenn sie Patienten die Suizidassistenz geschäftsmäßig anbieten. Und dies wäre nur dann der Fall, wenn die Suizidassistenz zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil der Tätigkeit gemacht würde, so wie dies für alle anderen auch gilt. Diese Wertung entspricht im Übrigen auch dem ärztlichen Berufsrecht, das – jenseits aller länderspezifischen Differenzierungen bezüglich der Reichweite des Verbots der ärztlichen Suizidassistenz - bundesweit einheitlich besagt, dass die Suizidassistenz nicht zu den Aufgaben des Arztes gehört. Auch deshalb wehren sich sämtliche Ärztekammern in Deutschland und eine überwältigende Mehrheit der Ärzteschaft einhellig gegen eine Regelung, die etwa eine Öffnung hin zu ärztlicher Suizidassistenz vorsieht.
Als Ausweg in subjektiv auswegloser Situation sollte nicht die Beihilfe zum Suizid gewählt werden, sondern die massive Stärkung der palliativmedizinischen Begleitung, die durch ausgebildete Teams und die ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer der Hospize in solchen Fällen den Sterbenden sowohl Ängste als auch Qualen nehmen kann. In einer aktuellen Fachumfrage 2015 unter Palliativmedizinern zu über 12.000 begleiteten Sterbefällen hat es keinen einzigen Suizid aus Gründen des Krankheitsverlaufes gegeben.
Der ärztliche Weg lautet also, auch entsprechend dem ärztlichen Kodex, gute Begleitung beim Sterben, nicht Beihilfe zum Sterben.

Warum wird im § 217 Abs. 2 ausgerechnet der Fall von Angehörigen und nahestehenden Personen eigens normiert?
Im § 217 Abs. 2 wird aus rechtssystematischen Erfordernissen der Bereich der Angehörigen und nahestehenden Personen eigens benannt, um die bisherige Straffreiheit für Beihilfe, die in einem Einzelfall und nicht auf Wiederholung angelegt erfolgt, bei der jetzigen Neuregelung unangetastet zu lassen.
Ohne diese Klarstellung könnte sich jemand aus dieser Personengruppe der Beihilfe zu einer Straftat nach dem neuen § 217 Abs. 1 StGB strafbar machen, auch wenn er selber nicht geschäftsmäßig handelt. Bei dem Merkmal der Geschäftsmäßigkeit handelt es sich nämlich rechtssystematisch um ein sogenanntes besonders persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB. Dieses Merkmal muss nur der Täter einer Straftat– hier des § 217 Abs. 1 StGB erfüllen, nicht aber andere Teilnehmer.

Beschränken wir hier nicht die Selbstbestimmung des Menschen am Ende des Lebens?
Das Gegenteil ist die Wirkung unseres Gesetzentwurfs: das Verbot des geschäftsmäßigen Angebotes von Suizidbeihilfe stärkt den Schutz gerade von Menschen in subjektiver Ausweglosigkeit vor Fremdbeeinflussung und stärkt damit den Schutz ihrer freien Willensbildung und ihres Selbstbestimmungsrechtes.
Davon völlig unberührt bleibt das bestehende Selbstbestimmungsrecht, sich frei und eigenverantwortlich für das Ende des eigenen Lebens zu entscheiden.
Der Gesetzentwurf befasst sich sehr eng beschränkt mit der Umsetzungshilfe durch einen Dritten und will erhöhte Suizidgefahr eindämmen, die durch eine Normalisierung und gar Professionalisierung einer „Dienstleistung“ der Beihilfe zum Suizid gerade für besonders schutzbedürftiger Personen gegeben ist.
Auch der Deutsche Ethikrat hat festgestellt, dass eine Suizidbeihilfe, die eine Art Normalfall wäre, geeignet wäre, den gesellschaftlichen Respekt vor dem Leben zu schwächen.
Dies würde die Gefahr fremdbestimmender Einflussnahme auf Menschen in Situationen prekärer Selbstbestimmung mit sich bringen. Schließlich könnte es auch die Anstrengungen der Suizidprävention unterlaufen, wenn eine Beihilfe den Charakter eines gesellschaftlich akzeptierten Angebotes erhielte.

Fazit
Der Gesetzentwurf reagiert auf eine bestimmte Fehlentwicklung, nämlich das geschäftsmäßige Angebot der Beihilfe zum Suizid. Bei der rechtlichen Formulierung wurden Nebenwirkungen vermieden, es wird keine Strafbarkeit außerhalb der geschäftsmäßigen Beihilfe geschaffen und sich auf diesen engen Bereich fokussiert.
Nach dem Urteil vieler Beobachter aus den Bereichen Medizin, Pflege, Recht und Ethik, aber auch von Betroffenen ist dies durch die konsequente Beschränkung auf dieses Ziel in vernünftiger Weise gelungen.
Eine falsche Ausweitung der Debatte um weitere Einschränkungen, die über die derzeitige Rechtslage hinaus Strafbarkeit zum Beispiel durch ein Totalverbot schaffen wollen, lehnen wir ebenso ab wie eine Öffnungsklausel für Beihilfe zum Suizid, ob von Ärzten oder von Organisationen oder Einzelpersonen.
Der Gesetzentwurf will eine erkannte Gefahr eindämmen, die Selbstbestimmung auch in subjektiv auswegloser Lage schützen und die menschliche und medizinische Begleitung beim Sterben stärken. Wir sehen diesen Gesetzentwurf als eine Seite derselben Medaille, die auf der anderen Seite die Palliativ- und Hospizversorgung sowie die gute Pflege stärkt.
Es ist eine Antwort hin zum Leben, nicht zum Tod. Dabei ist uns bewusst, dass nicht alle Einzelfragen zwischen Leben und Tod durch rechtliche Regelung beantwortet werden. Es gibt Bereiche des Lebens, wo das Strafrecht zu schweigen hat, und wir wollen definitiv nicht den Staatsanwalt ans Krankenbett. Hier vertrauen wir darauf, dass Verantwortung und Menschlichkeit zu den richtigen Entscheidungen im Einzelfall führen.
Zu diesem zwischenmenschlich wie gesellschaftlich bedeutsamen Bereich will dieser Gesetzentwurf einen Beitrag leisten, indem er den menschlichen und nicht den geschäftsmäßigen Umgang mit dem menschlichen Sterben stärkt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position näher bringen und sehe daher der Abstimmung am Freitag mit gutem Gewissen entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig, MdB

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