Frage an Daniel Sieveke von Bettina K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Sieveke,
in letzter Zeit wurde die Novellierung des Jugendmedienstaatsvertrages kontrovers diskutiert.
Die Ministerpräsidenten der Länder haben die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) verabschiedet. Der Staatsvertrag, der im Rahmen der 14. Änderung des Rundfunkstaatsvertrages nun noch von den Landesparlamenten, auch vom nordrhein-westfälischen Landtag, abgesegnet werden muss, sieht einheitliche Regelungen für den Jugendmedienschutz in Rundfunk und Internet vor.
Kritiker befürchten, dieser Vertrag werde im Ergebnis im Bezug auf das Medium Internet einer weitgehenden Zensur gleichkommen , z. B. mit "Sendezeiten" für Internetinhalte oder die Haftbarmachung von Internet Service Providern bzw. Bloggern für Inhalte Dritter. Man fühlt sich an die Debatte um die Internetsperren im vergangenen Sommer erinnert.
In diesem Zusammenhang interessiert mich:
a.) Wie ist Ihre Position zum Entwurf des neuen JMSTV?
b.) Würden Sie dafür oder dagegen stimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Koch
Sehr geehrte Frau Koch,
Zum Teil a) Ihrer Frage: Kritiker und Medienexperten haben nachvollziehbar eine gewisse Unsicherheit angemeldet, ob der neue Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) in seiner 14. Fassung das geeignete Instrument zur Wahrung des Jugendschutzes im Internet ist. Auch der relativ langsame politische Prozessweg eines Staatsvertrages (Bund-Länder-Abstimmung) als Instrument zur politischen Bearbeitung einer sich schnell weiterentwickelnden Technologie wie der des Internets kann durchaus hinterfragt werden.
Ich persönlich glaube darüber hinaus nicht, dass z.B. durch Alterskennzeichnungen von Internetseiten ein besserer Jugendschutz in der Praxis erreicht werden kann. Andererseits halte ich aber z.B. die technologische Weiterentwicklung von Jugendschutzsoftware für durchaus interessant, wenn ich auch der Meinung bin, dass entsprechende Programme in der Praxis nur bis zu einem relativ niedrigen Kindesalter wirksam sein können bzw. könnten aufgrund der meiner Einschätzung nach meist hohen Internetkenntnisse bei Kindern und Jugendlichen.
Der JMStV wird in seiner Umsetzung keinesfalls zu einer lähmenden Totalüberwachung des Internets führen, und er sollte nicht zu einer übermäßigen bürokratischen Belastung der Anbieter eindeutig nicht-jugendgefährdender Internetseiten oder -angebote führen. Ich möchte an dieser Stelle eine stärkere Förderung eines - möglichst europaweit einheitlichen - Gütesiegels der Art "kein jugendgefährdender Content" zur freiwilligen Zertifizierung und Beobachtung ergänzend zur Diskussion stellen.
Zum Teil b) Ihrer Frage: Ich bin aber auch der Meinung, dass sich das Internet in seiner Gesamtheit (Anbieter und Nutzer) der Jugendschutzdebatte offener stellen muss! Ich vermute, dass der neue JMStV in der Praxis zu allerlei Stilblüten (negative und positive Erfahrungen mit einzelnen Instrumenten) führen wird. Er stellt sicherlich nicht das Ende der Debatte dar und auch nicht die letzte Änderung seiner selbst. Zur Frage meiner persönlichen Zustimmung oder Ablehnung möchte ich zunächst die Beratungen im Landtag abwarten, vor allem die Belastung der Medienwirtschaft durch die neuen an sie gestellten Anforderungen gilt es zu bewerten und abzuschätzen. Eine Zensur des Internets befürchte ich nicht, da dies nicht die Intention des Vertrages ist, sondern der Jugendschutz.
Nach Abwägung der mir derzeit vorliegenden Informationen tendiere ich trotz der geschilderten Bedenken (Bürokratie, Effektivität in der Praxis) zur Zustimmung. Vor allem, um die Diskussion in die Praxis zu tragen (nach dem derzeitigen Stand ab dem 01.01.2011), und dann hoffentlich endlich zu erleben, wie und ob Jugendschutz im Internet tatsächlich funktionieren kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Sieveke