Frage an Daniel Sieveke von Maike I. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Sieveke,
mit Interesse habe ich Ihre Antworten gelesen. Die bisherigen Fragen zeigen, dass das Thema Bildung ein großes Anliegen ist und hier noch große Herausforderungen vor der zukünftigen Landesregierung liegen.
Leider haben Sie die Frage von Herrn Lammert in meinen Augen ausweichend beantwortet, wie Nicht-Stipendiaten und Nicht-BAföG-Empfängern ein Studium ermöglicht werden soll. Sie schreiben, dass diese Möglichkeit gegeben ist, schreiben allerdings nicht worin Sie diese konkret sehen. Ich selbst kenne genug Studenten, die weder das eine noch das andere beziehen (aus unterschiedlichsten Gründen) und auch kein vermögendes Elternhaus im Rücken haben. Ein Studium ist heutzutage auch mit einemnicht zu unterschätzendem Arbeitsaufwand verbunden (der sich insbesondere im Zuge der Bolognarisierung noch verschärft hat), der es kaum ermöglicht, 20 Std wöchentlich zu arbeiten um sein Studium (Lebensunterhalt, Studiengebühren,..) selbst zu finanzieren, ohne an seine Grenzen zu stoßen. Was ist mit dieser Personengruppe? Soll sie in Zukunft von einem Studium ausgeschlossen werden?
Meine zweite Frage bezieht sich auf die Reform des Schulrechts, welche durch die derzeitige schwarz-gelbe Landesregierung in dieser Legislaturperiode umgesetzt wurde. Erstmals wurde ein „Recht auf individuelle Förderung“ im Schulgesetz verankert. Mir ist jedoch kein Beispiel bekannt, wie dieses an Schulen konkret umgesetzt wird. Ich meine hierbei keine allgemeine Erklärung individuellen Förderns, sondern zum einen eine Antwort darauf, wie sie individuelle Förderung definieren und wie Sie gedenken, diese dann so umzusetzen, dass der rechtliche Anspruch der Eltern verwirklicht wird und nicht nur ein Schlagwort bleibt. Wie wollen Sie dem Abhilfe schaffen?
Mit freundlichem Gruß
Maike Isenbach
Sehr geehrte Frau Isenbach,
Sie hinterfragen die Möglichkeit, in NRW ein Studium aufzunehmen ohne Nutznießer eines wie auch immer gearteten Stipendiums oder von BAföG zu sein. Bitte beachten Sie dazu meine Antwort auf eine sehr ähnliche Frage bei abgeordnetenwatch.de, die sich auf die Finanzierungsfrage eines Studiums konzentriert, und damit die Möglichkeit zur Aufnahme eines Studiums näher beschreibt:
„Weiterhin hinterfragen Sie die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studienfinanzierung. Die Sozialverträglichkeit setzt sich aus folgenden Aspekten zusammen:
1. Begrenzung des Beitrages pro Semester (maximal 500,-EUR).
2. Begrenzung der maximalen Rückzahlung auf 10.000,- EUR in Raten.
3. Nachgelagerte Rückzahlung und Einkommensberücksichtigung.
4. Geringe Zinslast.
5. Hoher Anteil von Beitragsbefreiungen bei BAföG-Empfängern.
Zu Ihrer konkreten Ansprache der NRW.Bank: Ich bin tatsächlich der Meinung, dass eine solche Finanzierung und der skizzierte gesetzliche Rahmen eine ernsthafte Verschuldung von Studierenden ausschließen. Die mir bekannten Zugangsvoraussetzungen zu einer Darlehensberechtigung für Studierende bei der NRW.Bank halte ich für angemessen.
Die Entscheidung zu einem Studium allgemein, und damit ggf. auch zu einer finanziellen Investition in die eigene Bildung und Karriere, muss jeder für sich selbst treffen. Die Aufnahme eines Studiendarlehens halte ich dabei aus den beschriebenen Gründen ausdrücklich nicht für einen Hinderungsgrund, Ihre persönlichen Bedenken kann ich dennoch nachvollziehen, schließlich geht es um eine wichtige Entscheidung.“
Soweit meine vorangegangene Antwort zur Finanzierung eines Studiums. Ein weiterer Aspekt, den ich in meinen bisherigen bildungspolitischen Antworten bei abgeordnetenwatch.de noch nicht angesprochen habe, ist eine gewisse Gerechtigkeitsbetrachtung von Studienbeiträgen im Vergleich zur nicht-akademischen Meisterausbildung: Auch hier entstehen den angehenden Meistern der Industrie oder des Handwerkes selbstverständlich Gebühren und Kosten. Mit diesem Hinweis möchte ich jedoch nicht von Ihren Fragen ablenken, sondern lediglich an einem meiner Meinung nach erforderlichen Umdenken in der Bewertung von Studienbeiträgen mitwirken.
Weiterhin sprechen Sie die durchschnittlich höhere Arbeitsbelastung von Studierenden im Rahmen des Bologna-Prozesses an. Hierzu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ist nicht reibungslos verlaufen, daher gilt es nachzujustieren, sowohl in Bezug auf die Studieninhalte als auch in weiteren Teilaspekten der Lehre wie z.B. der Ausstattung der Universitäten mit Räumlichkeiten und Dozenten. Grundsätzlich war die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge im Sinne einer internationalen Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit jedoch richtig und notwendig.
Zudem sprechen Sie das absolut lobenswerte Vorhaben an, Ihr Studium auch durch einen Studentenjob mitzufinanzieren. Eine solche, selbständige Einstellung, entspricht sicherlich der Lebensrealität vieler Studenten, wenn nicht sogar der meisten. Teils aus rein finanzieller Notwendigkeit, teils zur Erlangung praktischer Arbeitserfahrung: Ein Studentenjob, zum Beispiel als Kassierer an einer Tankstelle oder anderswo, bringt nicht nur ein kleines Einkommen, sondern auch Einblicke in die Realitäten der Arbeitswelt mit sich, die nicht wertlos sind. Die Arbeitsbelastung erhöht sich damit jedoch zusätzlich in einem nicht zu unterschätzenden Maß. Keinesfalls dürfen aber Studierende, die neben dem Studium arbeiten, dadurch zur Aufgabe ihres Studiums kommen. Auch in diesem Kontext stehen daher meine Hinweise zur notwendigen Überprüfung der Studieninhalte und -bedingungen.
Sehr geehrte Frau Isenbach, ich bitte Sie, den letzten Teil Ihrer Frage bezüglich der individuellen Förderung im Schulsystem im Interesse anderer Nutzer und Leser von abgeordnetenwatch.de als separate Frage in der Kategorie Bildung einzustellen. Ich würde Ihre Frage dann sehr gerne aufnehmen, um daran weitere Aspekte des Schulsystems zu diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Sieveke