Frage an Daniel Caspary von Lucas K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Caspary
Im Vorfeld einer Sitzung des Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) erneuern die Electronic Frontier Foundation (eff) und prominente Köpfe der Netzwelt ihre Kritik an den mit der geplanten EU-Urheberrechtsreform geplanten Upload-Filtern. Mit automatisierten Filtern werde das offene Internet in ein "Werkzeug der Überwachung und Nutzerkontrolle“ verwandelt, heißt es in einem offenen Brief der Kritiker an das Parlament.
Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Mit besten Grüssen
L. K.
Sehr geehrter Herr K.
vielen Dank für Ihre E-Mail bezüglich der geplanten Urheberrechtsrichtlinie. Sehr gerne gehe ich auf Ihre Fragen und die Grundlagen des Gesetzesprojekts ein.
Zunächst einmal verfolgt die Novelle des Urheberrechts in der Europäischen Union das Ziel, geltendes Recht an das veränderte Nutzungsverhalten der Bürger anzupassen und dabei die Interessen von Künstlern und Autoren, Produzenten, Verlegern, Rechteinhabern, Konsumenten und Internetnutzern fair auszugleichen.
Wir in der EVP-Fraktion machen uns dabei für einen ausgewogenen Ansatz stark. Wir sind der Überzeugung, dass die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher nur geschützt werden können, wenn die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten bleibt.
Der Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und die Förderung eines breiteren Zugangs zu Werken sind die Säulen der wirtschaftlichen Nutzung des Internets und Grundlagen der digitalen Wirtschaft der EU. Doch gerade dort sind immer mehr urheberrechtlich geschützte Werke illegal und ohne Genehmigung der Rechteinhaber erhältlich. Das ist ein Problem. Wenn mit der Schaffung von Werken keine Einnahmen mehr erzielt werden, ist die Schaffung neuer Werke nicht mehr zu finanzieren. Deshalb müssen die berechtigten Interessen der Rechteinhaber geschützt werden.
Außerdem kann die kulturelle Vielfalt in Europa nur erhalten werden, wenn für ein hohes Maß an urheberrechtlichem Schutz gesorgt wird, indem Autoren und andere Inhaber von Urheberrechten angemessen vergütet und Investitionen in die Kreativ- und Kulturwirtschaft gefördert werden. Deshalb wollen wir den Zugang zu Diensten und Inhalten fördern und gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass Kulturschaffende und Kreative eine angemessene Vergütung für Ihre Arbeit erhalten.
Das heißt natürlich nicht, dass nun alles, was Sie ins Internet stellen, gefiltert oder gesperrt wird. Doch muss die Verantwortung der Online-Plattformen neu definiert werden. Online-Plattform-Dienstleister, die es Benutzern ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, müssen auch ihre Verantwortung für den Schutz der Autorenrechte tragen.
Diese Anbieter erzielen hohe Gewinne durch die Vermarktung von Inhalten, deren Rechte sie oft nicht besitzen. Hier muss es zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechteinhaber und denen, die wirtschaftlichen Gewinn aus urheberrechtlich geschützten Inhalten generieren, kommen. Dies geschieht zum Beispiel, indem Plattformen Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern oder Rechteinhabern treffen.
Das Problem in der Wertschöpfungskette zwischen Online-Plattformen als Verbreiter und Urhebern und Künstlern als Schöpfer der Inhalte lässt sich gut anhand des Beispiels des Musikmarkts erläutern:
Heutzutage wird mehr Musik gehört als jemals zuvor. Allerdings bieten einige Internet-Provider Musik zum Abruf an, ohne Lizenzen für die Musiknutzung an Urheber und Liedermacher zu zahlen. Obwohl die Online-Plattformen eine aktive Rolle bei der Verbreitung und Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten spielen, berufen sich die Plattformbetreiber darauf, selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorzunehmen bzw. unter das Haftungsprivileg für Host-Provider zu fallen. So wird eine Lizenzierung der Inhalte entweder gänzlich verweigert oder die Plattformbetreiber bezahlen lediglich Vergütungen "auf freiwilliger Basis".
Aufgrund dessen kommt es zum sogenannten "Value Gap", d.h. trotz steigender Nutzungszahlen kommt dieser Erfolg nicht bei denjenigen an, die die Musik komponieren, die Texte schreiben oder als Label die Künstler bei der Herstellung und Vermarktung unterstützen. So werden Gewinne schlicht nicht fair entlang der Wertschöpfungskette mit allen Beteiligten geteilt. Gleichzeitig herrschen keine gleichen Wettbewerbsbedingungen. So konkurrieren Streamingdienste wie Spotify und Deezer, die Musik voll lizenzieren, mit Diensten wie YouTube, dem inzwischen größten Musikdienst der Welt, die nicht oder nur in geringem Maße lizensieren.
Artikel 13 der Urheberrechtsreform in Verbindung mit Erwägungsgrund 38 adressiert diesen "Value Gap". In den Verhandlungen unterstützt die EVP-Fraktion diesen Artikel, um so faire Wettbewerbsbedingungen und Transparenz auch online wiederherzustellen, sodass auch kleinere und mittlere Musikunternehmen und Künstler von den erwirtschafteten Umsätzen profitieren und angemessen daran beteiligt werden.
In diesem Zusammenhang wird auch eine Verpflichtung der Anbieter zur Entwicklung sogenannter "Upload-Filter" diskutiert. Damit soll so den Rechteinhabern eine bessere Kontrolle über die Verbreitung und Vermarktung ihrer Inhalte verschafft werden. Aus der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission (Punkt C auf Seite 4) geht hervor, dass dadurch eben nicht marktführende Internetfirmen bevorteilt werden, wie oft befürchtet wird. Stattdessen stehen die Kunst- und Kulturschaffenden und kleinere Vertriebsfirmen als Rechtsinhaber im Vordergrund. Ob das Europäische Parlament das Modell des Filters präferiert, ist zur Zeit noch fraglich. Es ist etwa noch unklar, wie genau eine technische Umsetzung aussehen könnte. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, den Schutz des Urheberrechts zu stärken. Firmen wie Google und Facebook etwa arbeiten mit Tools, in denen Künstler und Autoren der Veröffentlichung ihrer Werke zustimmen können. Dafür erhalten sie dann eine entsprechende Vergütung.
Der vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlament verabschiedete Text stellt außerdem nochmals in seiner Begriffsdefinition im Amendment 61 eindeutig klar, dass sich die Maßnahme ausschließlich auf Plattformen beschränkt, die von Verstößen gegen das Urheberrecht am meisten profitieren. Dienste wie Spotify, itunes, Netflix, Ebay, Wikipedia, Dating-Plattformen, Plattformen zur Softwareentwicklung, Blogs, private Homepages, Dropbox etc. unterfallen alle nicht dem Artikel 13. Wir werden in den nun folgenden Verhandlungen mit den Vertretern des Ministerrats auf dieser Regelung beharren.
Die Vereinbarungen, die dann von den Online-Diensten mit den Rechteinhabern getroffen werden, kommen letztendlich auch den Nutzern zugute, da diese beim Hochladen ihrer Inhalte künftig stärker darauf vertrauen können, dass die einschlägigen Rechte gewahrt werden. Unterm Strich dürfte die Verbesserung der Lage für die Rechteinhaber somit dazu führen, dass die Nutzer mehr Inhalte online zugänglich machen und damit die Verbraucher mehr Wahlmöglichkeiten haben. Zudem steigt die Rechtssicherheit für alle Beteiligten
Genauso befürchten einige, dass durch Artikel 11 des Gesetzesentwurfs die Verbreitung von Nachrichten über das Internet eingeschränkt werden könnte. Stattdessen zielt die Maßnahme aber darauf ab, das essentielle öffentliche Interesse an gutem Journalismus, sowohl national, regional als auch lokal, zu stärken.
Derzeit greifen digitale Plattformen wie Google und Facebook bis zu 80 Prozent der Werbeeinnahmen von Verlagen ab, wenn deren Artikel über eine Social Media Plattform angeklickt wurde. Eine solche Situation können wir nicht einfach stehenlassen - sie führt zu einer wirtschaftlichen Schieflage zu Lasten der Verlage und Zeitungen. Dies ist einer der Hauptgründe für das derzeitige Zeitungssterben, bei dem viel an Meinungsvielfalt verlorenzugehen droht.
Dabei hat der Rechtsausschuss des Parlamentes explizite Änderungen dahingehend vorgenommen, dass die Privatnutzung von Presseerzeugnissen sowie das sogenannte "Hyperlinking" von dem Gesetzesentwurf vollkommen unberührt bleiben (beide Regelungen finden Sie im Amendment 74 in den Punkten 1a und 2a ) Damit wird die Maßnahme also keinesfalls die Möglichkeiten beschränken, sich über verschiedene Nachrichtenquellen zu informieren, sondern stattdessen die Verhandlungsposition der Presseunternehmen gegenüber Online-Plattformen stärken.
Wir als EVP-Fraktion versuchen, die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher zu schützen, damit die Tragfähigkeit und Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten bleibt. Dies haben wir auch nochmals in einer Grundsatzlinie und einem Positionspapier zum Thema festgeschrieben. Weitere ausführliche Informationen finden Sie auch im Frage-und-Antwort Katalog der Europäischen Kommission zum Thema. Sämtliche Dokumente sowie einen Zeitplan zum weiteren Verfahren im Europäischen Parlament und im Ministerrat finden Sie auch im Verzeichnis für EU-Gesetzesinitiativen .
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte und stehe Ihnen gerne für Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Caspary