Frage an Dagmar Wöhrl von Jürgen R. bezüglich Finanzen
Der offene Brief der Ökonomen.
Guten Abend Frau Wöhrl, ich würde mich freuen von Ihnen, als Befürworter des ESM´s eine Gegenüberstellung zum aktuellen "Brandbrief" führenden Ökonomen unseres Landes zu hören.
Der kurze knackige Wortlaut des Protestaufrufs erscheint als logische Schlussfolgerung erschreckend logisch!
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Ruschkowski
Sehr geehrter Herr Ruschkowski,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gerne wie folgt beantworten möchte:
Die Reaktionen auf den von Ihnen verlinkten offenen Brief waren bekanntlich sehr unterschiedlich. Insbesondere die Veröffentlichung ( http://www.handelsblatt.com/politik/international/gegenposition-im-wortlaut-keine-schreckgespenster/6846830.html ) einiger deutscher Ökonomen, darunter der Direktor des Instituts der deutschen Michael Hüther, stellte eine Gegenposition zu diesem Aufruf dar. Darin wird aus den Gipfelbeschlüssen von Brüssel zitiert: „Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der ESM nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren. Dies würde an angemessene Auflagen geknüpft, darunter die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen.“ Außerdem geht aus dieser Gegenposition hervor, dass es durchaus „möglich ist, Banken mit zu geringem Eigenkapital die notwendige Rekapitalisierung zu gewähren, ohne ihre Aktionäre und Gläubiger zulasten der Allgemeinheit, der Steuerzahler, aus ihrer finanziellen Verantwortung zu entlassen.“
Dennoch verstehe ich Ihre Besorgnis und die Bedenken gegenüber dem EFSF und dem ESM, die von vielen Bürgern an mich herangetragen wurden. Die im Zusammenhang mit EFSF und ESM stehenden Fragen sind keine leichten Entscheidungen; es geht einerseits darum, dass Deutschland seiner Verantwortung in Europa gerecht werden kann. Die Stabilität unserer gemeinsamen Währung ist ein hohes Gut. Das gilt gerade für uns als größte und – im weltweiten Wettbewerb – erfolgreichste europäische Volkwirtschaft. Dennoch kann und darf die Solidarität mit den anderen Euro-Ländern nicht zu weit gehen.
Leistungen aus dem ESM werden deshalb grundsätzlich nur unter strikten Auflagen gewährt. Finanzhilfen werden nur vergeben, wenn ein Euro-Mitgliedsstaat schwerwiegende Finanzierungsprobleme hat und eine Unterstützung für die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiest insgesamt unumgänglich ist. Außerdem könnten Direkthilfen an Banken im Euro-Währungsrum zukünftig nur in Erwägung gezogen werden, wenn eine europäische Bankenaufsicht über die notwendigen Durchgriffsrechte gegenüber maroden Banken verfügt. Bevor es allerdings dazu kommt, wird der Bundestag erneut befragt werden müssen. Denn mit dem ESM-Vertrag wurde das Vetorecht des Gouverneursrats des ESM direkt an das Parlament übertragen.
Aus meiner Sicht wären stärkere Aufsichtsbefugnisse der EZB zu begrüßen. Es muss aber unbedingt berücksichtigt werden, dass die Unabhängigkeit der EZB nicht durch eine Vermischung von Geld- und Währungspolitik mit der Bankenaufsicht gefährdet wird. Insofern sehe ich den Brandbrief als Warnung und Mahnung, die wir bei allen weiteren Entscheidungen berücksichtigen müssen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen in zufriedenstellendem Maße auf Ihre Anfrage antworten und verbleibe
mit herzlichen Grüßen
Ihre Dagmar G. Wöhrl