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Dagmar Wöhrl
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Frage von Josef M. •

Frage an Dagmar Wöhrl von Josef M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wöhrl,

würden Sie ihrem Nachbarn erlauben wollen sich jederzeit, ungefragt und zudem in unbegrenzter Höhe, an ihren Guthaben (letztlich ihrem gesamten Vermögen) zu bedienen?
Wohl kaum.
Nichts anderes geschieht aber mit Einführung des „ESM“, allerdings auf staatlicher Ebene. Dieser wird genau dazu „ermächtigt“. Und das ohne jede Kontrolle, irgendeine Art von Haftung der handelnden Personen, Fehlen von Einspruchsmöglichkeiten oder gar Kündigungsklauseln. Die Festsetzung der Vergütung für die handelnden Personen in Eigenregie ist da fast noch eine Randnotiz.
Das ist in den Augen vieler Menschen zutiefst undemokratisch und ist eine Aufgabe nahezu aller wichtigen Rechte des deutschen Parlaments (eine angebliche Alternativlosigkeit ist gelinde gesagt Schönfärberei, man will sich nur nicht mit den Alternativen – die es immer gibt – auseinandersetzen).
Wen wundert da noch die sprichwörtliche Politikerverdrossenheit.
Daher meine zwei Fragen:
Unterstützen Sie die Einführung dieses undemokratischen Konstrukts „ESM“ ?
Halten Sie das noch für vereinbar mit dem „Gewissen“ eines/einer Abgeordneten ?
Vielen Dank bereits jetzt für eine aussagefähige Antwort – Floskeln sind überall zu hören.

Mit freundlichen Grüßen
Josef Müller

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:

Die Rettungsschirme Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) sind Teil eines Dreiklangs zur Stabilisierung der Eurozone. Dieser besteht aus Haushaltskonsolidierung, Strukturreformen und – als ultima ratio – finanzieller Unterstützung für Eurostaaten in finanziellen Schwierigkeiten. Denn es können Situationen auftreten, in denen akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden müssen. Dies bedeutet keineswegs die dauerhafte Übernahme der Schulden einzelner Eurostaaten durch den Rest der Eurozone. Vielmehr handelt es sich um eine Überbrückungsfinanzierung mit dem Ziel, den betroffenen Eurostaaten Zeit zu geben, die notwendigen Strukturreformen durchzuführen, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und dadurch ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Der Deutsche Bundestag wird seine Haushaltsverantwortung im Zusammenhang mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in vollem Umfang wahrnehmen. Er muss nicht nur den ESM-Vertrag durch ein Zustimmungsgesetz ratifizieren und den deutschen Beitrag zum Stammkapital des ESM genehmigen. Der Deutsche Bundestag oder seine Gremien wie insbesondere der Haushaltsausschuss werden auch danach bei allen Entscheidungen einbezogen, wenn dies die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages erfordert. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, einem in Not geratenen Euro-Mitgliedstaat eine Finanzhilfe zu gewähren.
Bereits heute werden sämtliche Mittel aus den Rettungsschirmen zeitlich befristet und nur gegen strenge Auflagen vergeben. Künftig werden Hilfen aus dem ESM nur den Ländern gewährt, die den Fiskalvertrag ratifiziert und eine nationale Schuldenbremse nach dem Vorbild Deutschlands eingeführt haben. Diese Konditionalität trägt dem Grundprinzip Rechnung, dass Solidarität und Eigenverantwortung in der Eurozone Hand in Hand gehen. Sie verhindert, dass der Anreiz zur Durchführung der notwendigen Strukturreformen bei potentiellen Programmländern abgeschwächt wird. Um diesen Zusammenhang auch im parlamentarischen Verfahren zu betonen, drängte die christlich-liberale Koalition gegenüber den Vertretern der rot-grünen Opposition mit Nachdruck auf eine gemeinsame Ratifizierung von ESM und Fiskalvertrag. Es würde für erhebliche Unruhe auf den Finanzmärkten sorgen, wenn gerade Deutschland als treibende Kraft hinter dem Fiskalvertrag zu den Schlusslichtern bei seiner Ratifizierung gehören würde.

Die rot-grüne Bundesregierung hat durch die Aufweichung der Stabilitätskriterien im Jahr 2005 die Schuldenpolitik einzelner Eurostaaten entscheidend mit begünstigt. Die christlich-liberale Koalition steht nun in der Verantwortung, einen annehmbaren und tragfähigen Umgang mit der Schuldenkrise zu finden, der den Interessen Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger am besten gerecht wird. Trotz aller noch vor uns liegenden Hürden bin ich davon überzeugt, dass der von der Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel eingeschlagene Weg sich dauerhaft als der richtige erweisen wird.

In dieser Woche werden die Weichen gestellt, dass Deutschland seiner Verantwortung in Europa gerecht werden kann. Die Union hat immer darauf gedrängt, dass ESM und Fiskalpakt zusammen verabschiedet werden können. Ich verstehe Ihre Besorgnis und die Bedenken vieler Bürger. Souveränität und Solidität für die Staaten Europas sind aber untrennbar verknüpft. Das ist wichtig für Deutschland und Europa. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen in zufriedenstellendem Maße auf Ihre Fragen antworten.

Es grüßt Sie herzlich
Ihre Dagmar G. Wöhrl