Frage an Dagmar Wöhrl von Volker A. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Wöhrl,
eine Frage zum Parlamentsbetrieb:
Wie erklären Sie es sich, dass das Bundesverfassungsgericht (einstimmig) die Begleitgesetze zu den Lissabon-Verträgen verwirft, während die beiden großen Fraktionen diesen Gesetzen (fast) einstimmig zustimmen. Gewiss gibt es zu Rechtsfragen oft unterschiedliche Meinungen, aber dass die Parlamentarier, unter denen viele Juristen sind - und ich hoffe nicht die schlechtesten - (fast) einmütig anderer Meinung sind, als die Richter des Bundesverfassungsgerichts verwundert doch. Die klagenden Abgeordneten haben die Gründe ihre Bedenken sicher nicht verheimlicht.
Zum anderen verwundert es, dass das Urteil des Verfassungsgerichts fast einmütig begrüßt wird. Wenn das so gut ist, was das Gericht fordert: warum hat man es nicht gleich so beschlossen? Wenn man anderer Meinung ist: warum sagt man es nicht? Man kann sich ja trotzdem der höheren Instanz fügen.
Letzte Frage: Wie stehen sie persönlich zu dem Urteil?
Vilen Dank für Ihre Mühe und Viele Grüße
Volker Albert
Sehr geehrter Herr Albert,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich freue mich, dass mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine lebhafte Debatte um Europa entfacht ist. Die Richter haben bestätigt, dass das deutsche Gesetz zum Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Lediglich die Mitwirkungsrechte von Bundesrat und Bundestag wurden als unzureichend beanstandet.
Diese mangelnde Beteiligung hat die CSU nicht erst beim Lissabon-Vertrag, sondern bereits 2005 beim EU-Verfassungsvertrag deutlich kritisiert. Es kann nicht angehen, dass deutsche Verwaltungsbeamte in Brüssel zu weitreichenden Gesetzen ihre Zustimmung geben, ohne dass unsere Legislative ernsthaft eingebunden wird. Wir brauchen hier mehr Demokratie. Dazu gehört eine klare Entscheidungskompetenz und damit auch Verantwortung von Abgeordneten, die vom Volk gewählt werden. Europa darf nicht über die Köpfe der Menschen hinweg in Amtstuben gebaut werden. Wir müssen Europa in die Parlamente tragen und damit zu den Bürgern. Nur durch starken Rückhalt bei den Bürgern ist die EU handlungsfähig.
Daher hat die CSU auch auf ein entsprechendes Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag gedrängt. Allerdings zeigt mir hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einmal mehr, dass uns die große Koalition zu Kompromissen zwingt, die sich anschließend als problematisch erweisen. Wir brauchen wieder eine bürgerliche Mehrheit, die klare Verhältnisse schafft. So hat die Union bereits 2005 ein Gesetz vorgeschlagen, dass Bundestag und Bundesrat eine gewichtigere Stimme in Europa verleiht. Wäre dieser Gesetzesentwurf so verabschiedet worden, hätte Karlsruhe jetzt nicht eingreifen müssen.
Mit freundlichem Gruß
Dagmar Wöhrl