Frage an Cornelius Bechtler von Peter B. bezüglich Soziale Sicherung
Wie positionieren sie sich in der Frage der Privatisierung von öffentlichen Eigentum, insbesondere bei den Wohnungsbaugesellschaften, der BVG und der kommunalen Krankenhäuser und würden sie dies auch öffentlich im Abgeordnetenhaus vertreten und entsprechend abstimmen?
Sehr geehrter Herr Balsam,
leider schaffe ich es erst jetzt auf Ihre Frage zu antworten, da ich mich bis zum letzten Wochenende auf einer vierwöchigen Auslandsreise befunden habe.
Ihre Frage zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen ist aus meiner Sicht nicht mit einem Ja oder nein zu beantworten. In den unterschiedlichen Fällen vertrete ich sehr differenzierte Positionen. Vielleicht einige Beispiele:
Der Senat (unter einer schwarz-roten Koalition) hatte die BERLINER WASSERBETRIEBE teilprivatisiert (mehrheitlich verbleiben die Wasserbetriebe in öffentlichem Eigentum). Dies geschah in erster Linie unter finanziellen Gesichtspunkten, da die Stadt dringend Geld benötigte. Leider wurde den Investoren eine sichere Rendite zugesichert. Man glaubte wohl, dass eine Bevölkerungszunahme eine entsprechende Gewinnerwartung für das Unternehmen sicherstellen würde. Wie Sie vielleicht wissen, kam es jedoch anders: Die Berliner sparen beim Wasser ? was ich aus Umweltgesichtspunkten sehr gut finde ? , die Stadt wächst nicht mehr und deshalb zahlen die BerlinerInnen für das Wasser immer mehr. Schließlich muss ja die entsprechende Rendite für die Investoren gesichert werden. Das ist wirklich ein schlechtes Beispiel für eine Privatisierung.
Prinzipiell bin ich dafür, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Hand verbleiben soll. Hier gewichte ich die Sicherung der hohen Qualität des Lebensmittels Trinkwassers höher als die mögliche Effizienz, die private Anbieter möglicherweise durch mehr Konkurrenz erzielen könnten. Hier geht es auch darum, dass alle durch hochwertiges Trinkwasser versorgt werden können.
Ganz anders sieht es meiner Meinung mit der BVG aus. Hier rate ich dazu, sich in anderen Ländern umzuschauen. Städte in Finnland, Schweden oder Frankreich haben schon in den 90er Jahren damit begonnen, den Betrieb von öffentlichen Verkehrsmitteln auszuschreiben. Das bedeutet, dass sich private Unternehmen darum beworben haben, mit Bussen und Bahnen in eigener Verantwortung den öffentlichen Verkehr zu organisieren. Der Staat hat vorgegeben, in welcher Dichte die Verkehrsnetze bestehen und in welcher Taktdichte die Bevölkerung mit öffentlichem Verkehr versorgt werden müssen. Gerade in Skandinavien wurden in die Verkehrsverträge auch konkrete Vereinbarungen getroffen, was die Bezahlung und Beschäftigung der Verkehrsbetriebe betrifft. Dies halte ich auch für ganz wichtig, um einer Aushöhlung der Beschäftigten-Rechte vorzubeugen. Es sollte uns zu denken geben, dass sich die Skandinavier mit ihrem ausgebauten Sozialstaat für eine Privatisierung ihrer öffentlichen Verkehrsbetriebe entschieden haben. Die Ergebnisse sind absolut überzeugend: Bessere Leistungen im öffentlichen Verkehr, neue, innovative Verkehrsangebote und ? man mag es kaum glauben ? Preissenkungen im öffentlichen Verkehr. Ich halte das Modell, das in Helsinki, Göteborg, Stockholm, auch in Dijon oder anderen französischen Städten umgesetzt wurde, für die beste Lösung in Berlin. Die Infrastruktur muss dabei aber in öffentlicher Hand und Verantwortung verbleiben. Auch müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass Unternehmen nur mit guter Qualität auch Geld verdienen können. In Großbritanien gibt es wirklich abschreckende Beispiele für Privatisierungen im öffentlichen Verkehr.
Prinzipiell kommt es sehr auf die Rahmenbedingungen an, bei der Privatisierungen durchgeführt werden. Gerade im ENERGIESEKTOR findet kein wirklicher Wettbewerb statt. Das ist aber der tiefere Sinn, warum man überhaupt eine Privatisierung in Erwägung zieht.
Bei den KRANKENHäUSERN ? hier geht es ja wohl um Vivantes ? bin ich deutlich vorsichtiger. Hier geht es darum, eine gute Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen sicherzustellen. Ich will, dass alle BürgerInnnen dieses Landes eine gute Gesundheitsversorung erhalten, die sich auf dem neusten Stand der Wissenschaften befindet. Ohne hierfür Experte zu sein, halte ich einen guten Mix aus öffentlichen und privaten Krankenhäusern und Einrichtungen für sinnvoll. Einer Privatisierung von Vivantes stehe ich eher skeptisch gegenüber.
Eine eindeutige Position vertrete ich bei den BERLINER WOHNBAUGESELLSCHAFTEN. Es gilt, so viele Wohnungen wie nur möglich in öffentlicher Hand zu retten. Das wird schwierig genug, da die Senate der letzten Jahre die Wohnbaugesellschaften entweder als Steinbruch für den unterfinanzierten Landes-Haushalt missbraucht (so genannte In-sich-Geschäfte, die Gewinne wurden als Rendite abgeschöpft) oder zumindest Fehlinvestitionen mitzuverantworten haben. Viel zu spät wurde die Leerstandsproblematik erkannt bzw. die falschen Konsequenzen gezogen.
Die öffentliche Hand muss in der Mieterstadt Berlin weiterhin bezahlbaren Wohnraum anbieten können. Berlin verscherbelt möglicherweise das Vermögen, das in beinahe hundert Jahren angelegt worden ist. Gar nicht auszudenken, wie die Stimmung sich in dieser Stadt verändert, wenn Heuschrecken-Firmen wie Cerberus sämtliche
öffentliche Wohnungen übernehmen.
Ich hoffe, hiermit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben. Gerne können Sie mit mir den Kontakt aufnehmen. Entweder über Mail (mail@cornelius-bechtler.de[1]) oder in Pankow auf der Straße. Immer jeden Samstag, zwischen 10 und 14 Uhr, bis zum Wahltag bin ich vor dem Rathaus-Center am grünen Stand ansprechbar.
Vielen Dank & viele Grüße, auch für Ihre Geduld.
Cornelius Bechtler