Frage an Cornelius Bechtler von Stefanie H. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Bechtler,
wenn Sie nach der Wahl den Berliner Haushalt als Abgeordneter beschließen müssen (unter Berücksichtgung der derzeitigen finanziellen Situation):
1. Bei welchen Positionen sehen Sie gegenüber dem derzeitigen Haushalt Einsparungsmöglichkeiten?
2. In welchen Bereichen/Themenfeldern sollten die Ausgaben eher verstärkt werden? Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen?
3. Welche Ideen haben Sie, um die Einnahmen der Stadt zu erhöhen?
LIEBE FRAU HERZOG,
lassen Sie mich zuerst ein paar Vorbemerkungen machen.
Bisher gehöre ich nicht dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Ich habe zwar kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt, aber noch nicht an den Haushaltsberatungen des Abgeordnetenhauses teilgenommen. Da ich politisch sehr aktiv bin, befasse ich mich immer wieder auch mit dem finanziellen Hintergrund zahlreicher Fragen. Trotzdem weiß ich aus eigener Erfahrung, dass intensive Beratungen zur Aufstellung eines Haushaltes einen ganz anderen Einblick in die Details vermitteln.
Unter diesen Voraussetzungen beantworte ich Ihre Fragen:
1. Bei welchen Positionen sehen Sie gegenüber dem derzeitigen Haushalt Einsparungsmöglichkeiten??
Grundsätzlich ist der Landeshaushalt sehr weit "zusammengespart". Sie werden meiner Auffassung nach kaum mehr Positionen finden, die uns einen wirklich nennenswerten Einspareffekt erbringen. In manchen Bereichen bin ich sogar der Überzeugung, dass wir uns eine Unterfinanzierung gar nicht mehr länger leisten können. Dies gilt für den gesamten Bereich der Infrastruktur, d.h. die Gebäude, die Straßen und auch die Grünanlagen. Irgendwann sind die Schäden so groß, dass eine Totalsanierung ansteht bzw. sogar bei einem Gebäude der Abriss. In einem Bereich dürfen wir jedenfalls nicht weiter sparen, sonst bringen wir uns um unsere Zukunft: Bei der Bildung.
Trotzdem besteht weiter die Notwendigkeit sparsamen Wirtschaftens. Und da sehe ich schon noch Potentiale. Aus den Bezirken kenne ich z.B. die so genannte Kosten- und Leistungsrechnung. Jede Dienstleistung der Verwaltung wird in einem Produkt ausgedrückt und die Kosten ermittelt. So können Sie z.B. vergleichen, was das Ausstellen eines Passes in Köpenick oder in Spandau kostet. Sie werden es kaum glauben, da gibt es teilweise beträchtliche Unterschiede. Nun beginnt aber erst die Arbeit. Warum kostet dies in Spandau nun mehr als in Köpenick (bitte, das ist ein fiktives Beispiel)? Denkbar wäre z.B., dass die Betriebskosten für das Gebäude in Spandau deutlich teurer sind als in Köpenick. Es kann aber auch an der besseren Organisation liegen, d.h. weniger Mitarbeiter leisten mehr. Dieses Instrument weist uns auf unwirtschaftliche Verwaltungsabläufe hin. Auf Senatsebene ist die Kosten- und Leistungsrechnung noch nicht eingeführt. Das wird höchste Zeit.
Die Verwaltung muss stärker wie ein Unternehmen geführt werden. D.h., die Mittel (Finanzen, MitarbeiterInnen) müssen effektiver eingesetzt werden. Letztendlich müssen wir aus weniger viel mehr machen.
Nun möchte ich Ihnen einige kleine Beispiele nennen, wo Geld sinnvoll eingespart werden könnte.
Beim Beheizen von öffentlichen Gebäuden werden noch immer Millionenbeträge verheizt. Maßnahmen zur Energieeinsparungen lohnen sich schon nach wenigen Jahren. Sie lassen sich auch durch so genannte Contracting-Verträge privat vorfinanzieren.
Verhaltensbedingte Energieeinsparungen: Sie glauben gar nicht, wie unüberlegt in öffentlichen Gebäuden mit Strom und Heizung umgegangen wird. Ich halte ohne Probleme Einsparungen von 10% alleine durch zielbewussteres Verhalten für denkbar (gilt als allgemeine Zielgröße für verhaltensbedingte Einsparungen).
Denkbar wäre auch, zunehmend Open Source-Produkte in der Datenverarbeitung der Verwaltung einzusetzen. Mittlerweile kann Open Office die Microsoft-Produkte ohne Probleme ersetzen. So kann man sich die Lizenzgebühren sparen.
Beim Wegebau in öffentlichen Grünanlagen werden Materialien eingesetzt, die den Belastungen nicht lange standhalten und hohe Unterhaltungskosten verursachen. Immer noch werden wassergebundene Decken angelegt, die teilweise von Fahrzeugen befahren werden.
Weiterhin bin ich der Überzeugung: Berlin braucht keine neuen Straßen! Wir brauchen das Geld, um den Bestand an Straßen, Gebäuden oder Infrastruktur zu erhalten. Damit die nächste Generation weder auf einem hohen Sockel von Staatsverschuldung hockt, noch sich mit der teuren und maroden Infrastruktur herumschlagen muss.
Zusammenfassend: Berlin braucht keine Großprojekte, keine neuen Straßen. Wir brauchen aber ein konsequenteres Wirtschaften in allen Bereichen und eine systematische Aufgabenkritik. Welche Aufgaben sind sinnvoll, welche entbehrlich, auf welche Aufgaben können wir nicht verzichten? An dieser Stelle stehen wir bei der Modernisierung der Verwaltung erst am Anfang. Große Einsparsummen sind jedoch nicht zu erwarten. Auch beim Personal ist eine stärkere Absenkung wie vorgesehen nur schwer zu rechtfertigen.
2. In welchen Bereichen/Themenfeldern sollten die Ausgaben eher verstärkt werden? Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen??
Es wird Sie kaum überraschen: In der Bildung sehe ich einen wichtigen Schwerpunkt. Schlechte Bildung können wir uns einfach nicht mehr leisten. Wir können es uns auch nicht mehr leisten, dass Kinder die Schule verlassen ohne Schulabschluss und ohne Chance auf eine Berufsausbildung. Ich finde es gut, dass dies über Parteigrenzen anerkannt ist. Ich hoffe, wir machen etwas daraus.
Einen wesentlichen Schwerpunkt sehe ich in der Zukunftsfähigkeit der Stadt. Wir müssen in eine zukunftsfähige Infrastruktur investieren. Der ÖPNV muss weiter ausgebaut werden. Wir brauchen die Tram mit einem dichten Netz in ganz Berlin, damit noch weniger BerlinerInnen das Auto benutzen. Wir brauchen eine ausgebaute Fahrradinfrastruktur, damit das Fahrradfahren sicherer wird. Und ich setze mich für eine systematische Verbesserung für den Fußverkehr ein, damit er sicherer und attraktiver wird.
Weiterhin müssen wir die Stärken stärken. Die Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen sind das Pfund, das Berlin für eine künftige Entwicklung zur Verfügung hat. Industriebetriebe oder ausdifferenzierte Produktionsstandorte fehlen in dieser Stadt. Deshalb müssen die wissensbasierten Bereiche fördern.
Berlin ist ein kultureller Magnet. Für viele Menschen in der Stadt hat die vorhandene Kreativität eine große Anziehungskraft. Es geht hierbei nicht nur um die Hochkultur wie Opern und Theater. Zahlreiche Künstler sind auf bezahlbare Ateliers oder Räume angewiesen. Kleine Hilfen können hier schon viel bewirken.
3. Welche Ideen haben Sie, um die Einnahmen der Stadt zu erhöhen?
Berlin hat ein Einnahmeproblem. Die Kaufkraft ist halb so hoch wie in Hamburg. Berlin ist arm. Es wird viele Jahre dauern, bis Berlin seine Steuereinnahmen so stabilisiert hat, dass es mit vergleichbaren Städten mithalten kann.
Die großen Ansiedlungen im Bereich der boomenden Solarenergie fanden leider nicht in Berlin statt. Dies liegt auch an einer Wirtschaftsverwaltung, die die Chancen in diesem Bereich verkannt hat. Sonst wäre es vielleicht gelungen, das neue Werk der Solon AG in Berlin anzusiedeln.
Berlin muss stärker auf seine Entwicklungspotentiale setzen. Gute Ansätze gibt es bereits im Bereich der Biotechnologie. Es wird aber möglicherweise Jahrzehnte dauern, bis Berlin sich die entsprechende wirtschaftliche Basis erarbeitet hat. Wir brauchen also auch eine Menge Geduld.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelius Bechtler