Frage an Cornelia Möhring von Gertrud M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Möhring,
mehr als die Hälfte und damit die Mehrheit der Deutschen ist laut einer aktuellen Umfrage nicht für die als gesetzliche Verpflichtung zur Organ-/Körperspende benannte Widerspruchslösung https://www.zeit.de/news/2019-05/25/umfrage-organspende-fast-50-prozent-fuer-widerspruchsloesung-190525-99-370307 .
Dies ist umso bedeutsamer, da seit Jahren unablässig für die Organ-/Körperspende in allen Medien geworben wird und sich viele Politiker persönlich in allergrößter Weise zu jeder Zeit dafür einsetzen. Es wird das Narrativ verbreitet, dass Menschen sterben weil sie kein neues Organ bekommen! Menschen sterben weil sie sterblich sind oder an einer tödlichen Krankheit leiden! Sie bekommen kein neues Organ bei einer Transplantation, sondern ein verbrauchtes und geschädigtes Organ eines anderen sterbenden Menschen, welches der eigene Körper nicht haben will und mit allen Mitteln versucht abzustossen. Ich frage mich, warum es nicht um eine Verbesserung der Funktion des vorhandenen Organs in der Diskussion geht, sondern nur um die Steigerung von Organ-/Körperverwertungenszahlen in den Kliniken? Ist dies nicht ein wesentlicher Unterschied?
Bei einer repräsentativen Umfrage zum Thema Hirntod als Kriterium für den irreversiblen Ausfall des Gehirns, waren 40 Prozent der Befragten der Meinung, unter diesen Umständen dürften keine Organe entnommen werden. Selbst Besitzer eines Organspendeausweises wussten nicht besser Bescheid über das Hirntodkriterium. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/101153/Grosse-Wissensluecken-beim-Thema-Organspende
Sehen Sie unter diesen Umständen nicht die dringende Notwendigkeit einer ausführlichen (Zwangs-)Information der Bürger über die medizinischen Hintergründe und einen für jedermann verständlichen, ausführlichen und bildhaften Beschreibungsablauf der Organ-/Körperspende vom Ablegen des Hirntoten auf den OP-Tisch bis zum Verpacken der gewonnenen Organ- und Körperteile und deren weltweite Verteilung?
Grüße
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich sehe die Widerspruchslösung ähnlich skeptisch wie Sie, wenngleich ich es durchaus zentral finde, Möglichkeiten zu finden, wie die Anzahl an Organspenden erhöht werden kann. Klar muss aber immer sein: Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper über den Tod hinaus ist ein hohes Gut, dass geschützt werden muss. Organe dürfen nur auf der Basis einer informierten Entscheidung entnommen werden. Wenn alle automatisch als Spender*innen gelten, die nicht aktiv widersprechen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche bewusste Entscheidung vorliegt. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen und/oder die eher bildungsferneren Schichten ihr Widerspruchsrecht seltener wahrnehmen werden.
In der Abwägung der Interessen der potentiellen Spender*innen auf der einen und derjenigen, die existenziell auf Organspenden angewiesen sind auf der anderen, schließe ich mich denjenigen an, die für ein Modell der verbindlich widerkehrenden Abfrage plädieren: Jedes Mal, wenn der Personalausweis oder der Reisepass (neu) beantragt werden, wird gleichzeitig die Bereitschaft zur Organspende mit abgefragt und Informationsmaterial zur Verfügung gestellt. Das ermöglicht zum einen eine Bedenkzeit zwischen Antragstellung und Abholung, in der sich informiert und auch weitere Beratung eingeholt werden kann. Zum anderen wird durch die wiederkehrende Abfrage ermöglicht, eine Entscheidung immer wieder zu verändern.
Mit freundlichen Grüße,
Cornelia Möhring