Frage an Constanze Krehl von Anna S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Krehl,
In der nächsten Woche stimmt das Europaparlament über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ab und stellt damit wichtige Weichen für die Landwirtschaft. Passend dazu erschien heute in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel zu einer Analyse der biologischen Vielfalt durch die Nationalen Akademien der Wissenschaften: Die ökologische Krise in der Agrarlandschaft in Deutschland habe mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das die Funktionsfähigkeit des Ökosystems gefährde. Nur ein Umsteuern zu einer naturverträglichen Wirtschaftsweise könne gravierende Folgen auch für die Menschen noch abwenden. Die Analyse stellt fest, dass der Verlust der biologischen Vielfalt in Mitteleuropa vor allem in der Agrarlandschaft stattfindet und schlussfolgert, dass ein entschlossenes Entgegensteuern der EU entscheidend ist.
Wie treten Sie persönlich und Ihre Partei im Allgemeinen dafür ein, der beschriebenen ökologischen Krise entgegenzusteuern? Welche Bedingungen sollten Ihrer Meinung nach an die doch so stark in den Markt eingreifenden Subventionen geknüpft werden? Welche Regeln sollten grundsätzlich verpflichtend sein?
Beziehungsweise halten Sie es für vertretbar, angesichts der aktuellen Lage überhaupt noch Subventionen an Betriebe zu zahlen, wenn diese Pestizide einsetzen, Monokulturen bewirtschaften, Massentierhaltung betreiben, für die sie Futter importieren und Gülle exportieren müssen, wenn sie nicht das Grundwasser verseuchen wollen?
Wie stehen Sie insbesondere zur aktuellen Regelung, die die Höhe der Subventionen im Wesentlichen an die bewirtschaftete Fläche koppelt und damit letztlich große Agrarunternehmen bevorzugt?
Und wäre es in Ihren Augen ein Ansatz, die Höchstfördermenge auf einem relativ niedrigen Niveau, das beispielsweise der Höchstförderung eines Hofes mit fünfzig Milchkühen und dazugehörigen Feldern, schlicht deckelt?
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S.
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Engagement.
Wir in der Europa-SPD teilen Ihre Haltung, dass die EU-Agrarpolitik den Schutz von Menschen, Tieren und dem Klima berücksichtigen muss und Landwirtschaft nicht ohne Umwelt- und Klimaschutz gedacht werden kann. Die Verhandlungen um die EU-Agrarreform sind auch deshalb so relevant, weil mit ihr Reformen für die Verteilung von Geldern aus dem reichsten Budget-Top der Europäischen Union entschieden werden.
Das Problem, welches auch Sie beschrieben haben: Derzeit bekommen die größten Agrarbetriebe das meiste EU-Geld, nicht diejenigen, die am nachhaltigsten oder sozialsten wirtschaften. Das muss sich dringend ändern.
Aus diesem Grund hat sich die Europa-SPD in den Verhandlungen um die europäische Agrarpolitik bis zur letzten Minute für eine tierfreundliche, soziale und nachhaltige Landwirtschaft eingebracht, während andere Fraktionen an der Startlinie aufgegeben haben.
Einer unserer Schwerpunkte wurde zum Erfolg: Ausbeuter-Betriebe, die Lohndumping betreiben, sollen keine EU-Förderung mehr erhalten. Für diese “soziale Architektur” der Agrarpolitik haben wir uns stark gemacht. Nicht zuletzt der Skandal um Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie hat diese Notwendigkeit unterstrichen. Allerdings wurden andere unserer roten Linien überschritten. Eine Mehrheit aus Konservativen und Liberalen hat entscheidende Punkte blockiert: ·
- Es gibt keine enge Bindung der zukünftigen Agrarpolitik an das Pariser Klimaabkommen.
- Die sogenannte Farm-to-Fork-Strategie gegen Pestizid- und Antiobiotika-Einsatz und für bessere Produktions- und Lieferketten landwirtschaftlicher Erzeugnisse wurde nicht aufgenommen.
- In den Vorschlägen fehlt die Biodiversitätsstrategie für Artenvielfalt.
- Blockiert wurden Förder-Höchstgrenzen, die EU-Förderung von Agrarkonzernen auf kleine und mittlere nachhaltige Betriebe verlagern
können.
Das bedeutet, dass das Hauptinstrument zur Umsetzung einer nachhaltigen europäischen Landwirtschaft und des europäischen Lebensmittelsektors losgelöst von diesen beiden Strategien angewendet werden soll. Das ist aus unsere Sicht ein schwerer Fehler. Wir unterstützen keine Agrarpolitik, die unserer Ziel ignoriert, Europa zum Wohl von Mensch, Tier und Umwelt klimaneutral zu machen.
Wir werden weiter Druck für eine Agrarreform machen, welche die Ambitionen der Europäischen Union in Sachen Green Deal erfüllt. Denn noch ist nicht entschieden, wie Landwirtinnen und Landwirte für Klima- und Artenschutz belohnt, und gesunde Böden, Tiere und gute Arbeit auf dem Land besser unterstützt werden können. Darüber werden das Europäische Parlament, der Rat und die EU-Kommission jetzt weiter verhandeln.
Nochmals vielen Dank für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Constanze Krehl