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Clemens Binninger
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Frage von Rainer +Hermina K. •

Frage an Clemens Binninger von Rainer +Hermina K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Binninger,

wir waren bisher immer CDU-Wähler.Auch Stuttgart 21 hätte uns trotz Vorbehalt von dieser Entscheidung nicht abgebracht.Auch Sie haben seinerzeit für die Verlängerung der AKW-Zeiten gestimmt.Die CDU argumentierte dafür mit der Brückentechnologie,was bisher wegen der Informationsdefizite unsererseits nachvollziehbar war. Jetzt,nach den Reaktorkatastrophen in Japan, können plötzlich AKW`´s ohne Notwendigkeit der Brückentechnologie abgeschaltet werden .Jetzt erfahren wir,daß Deutschland soviel Atomstrom produziert,daß dieser sogar exportiert wird.Nach Abschalten der AKW würden statt der bisher produzierten >7 TWatt ,2 TWatt ausreichend für Deutschland produziert.
Wir behaupten und sind wie viele Mitbürger davon überzeugt,daß die Atomindustrie das Gewissen und die Entscheidung der Mehrheit der Politiker/Abgeordneten entsprechend gebügelt hat im Interesse des Profits der Atomindustrie.
Wo bleibt das Gewissen und die Verantwortung der CDU-Abgeordneten,insbesondere die des Herrn AG Binninger?Jetzt plötzlich die Kehrtwende zum vorzeitigen Abschalten;die Brückentechnologie ist ohne Verluste für die Versorgung nun nicht mehr notwendig ?Sind wir von Ihnen und der CDU/FDP im Interesse der Atomindustrie belogen worden ?

Mit freundlichen Grüßen !

Drs.H.+R.Kahlfuß

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Dr. Kahlfuß,
sehr geehrter Herr Dr. Kahlfuß,

haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag. Sie können mir glauben, dass mich das Thema Kernenergie und der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten beiden Wochen sehr beschäftigt hat. Mir ist es wichtig, das Thema offen anzugehen, weshalb ich Ihnen auch ausführlich antworten möchte.

Japan hat das schlimmste Erdbeben und den stärksten Tsunami seiner Geschichte erlebt. Diese Naturgewalten haben zum katastrophalen Reaktorunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi geführt. Ich hoffe, dass die Menschen in den betroffenen Regionen in absehbarer Zeit wieder zu ihrem normalen Alltag zurückkehren können.

Was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für absolut unwahrscheinlich gehalten wurde, ist eingetreten - nämlich ein Erdbeben mit der Stärke 9, ein nachfolgender Tsunami und in der Folge ein Ausfall der Stromversorgung, der Kühlung und der Notkühlungssysteme im Kernkraftwerk. Wenn in einem technisch hoch entwickelten Land wie Japan ein solcher Unfall möglich ist, stellt uns das vor eine neue Situation, auch wenn Deutschland nicht von derartigen Erdbeben und Tsunamis bedroht ist.

Die Politik hat das getan, was in jeder Situation von ihr erwartet wird, nämlich auf die neue Lage reagiert. Die Bundesregierung hat die sieben ältesten Kernkraftwerke in Deutschland für drei Monate vom Netz genommen und wird die Sicherheitsstandards überprüfen und weiter erhöhen. Auch wird in den nächsten Monaten ein Fahrplan für einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie und einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien erarbeitet.

Wer uns jetzt vorhält, dass wir - angesichts der Ereignisse in Japan - unsere Position korrigieren, während andere sich in ihrer bisherigen Position bestärkt sehen können, hat sicher Recht. Es ändert aber nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit einer Neubewertung sowie der jetzt erforderlichen gesellschaftlichen Debatte. Wer sich - wie manche Spitzenpolitiker der Grünen - nur auf die Position des „Rechtbehaltens“ zurückzieht, dem geht es offensichtlich vor allem darum, aus dem Thema politisches Kapital zu schlagen. Angesichts der Opfer und der Leiden der japanischen Bevölkerung halte ich das für mehr als befremdlich.

In den Gesprächen, die ich in diesen Wochen führe und aus den Zuschriften, die ich erhalte, habe ich den Eindruck, dass die Menschen auch unter dem Eindruck der Ereignisse vor allem nicht mehr bereit sind, das Restrisiko eines Unfall zu akzeptieren - egal wie minimal dieses Risiko am Ende sein mag. Deshalb ist es der richtige Weg, hierzu eine breite gesellschaftliche Debatte zu führen. Und ich halte es für richtig, dass sich zwei Kommissionen mit Fragen der Sicherheit und mit ethischen Fragen befassen, weil diese wichtige Debatte damit nicht alleine den Parteien überlassen bleibt.

Allerdings müssen in einer solchen Debatte dann auch alle Fragen und Schwierigkeiten offen angesprochen werden:

1. Sind die Klimaschutzziele bei einem schnellen Ausstieg noch erreichbar? Deutschland wird beim Klimaschutz Abstriche machen müssen. In Zukunft werden wir verstärkt auf Kohle- und Gaskraftwerke mit entsprechenden CO2-Emissionen umsteigen, weil erneuerbare Energien noch nicht ausreichend zur Verfügung stehen und vor allem nicht ausreichend grundlastfähig sind.

2. Ist Strom zukünftig jederzeit preiswert verfügbar? Der verstärke Ausbau von erneuerbaren Energien, neue konventionelle Kraftwerke und neue Stromtrassen werden Geld kosten. Die Strompreise werden deshalb über kurz oder lang steigen.

3. Ist die Gesellschaft bereit, eine neue Infrastruktur zur Energieversorgung aufzubauen? Neue Hochspannungsleitungen, mehr Windräder, zusätzliche Wasserkraftwerke und weitere konventionelle Kraftwerke erfordern gewaltige Anstrengungen. Darüber müssen sich besonders diejenigen klar sein, die sich zwar für den Ausstieg aussprechen, aber allerorten gegen solche Projekte protestieren.

4. Muss das Thema Sicherheit nicht europäisch gelöst werden? Der Sicherheit in Deutschland ist bei einem schnelleren Ausstieg wenig geholfen, wenn unsere europäischen Nachbarn wie Frankreich, die Schweiz, Tschechien und Schweden unverändert an der Kernkraft festhalten oder sogar neue Reaktoren bauen wie etwa Polen. Gerade deshalb muss der Vorschlag des EU-Energiekommissars Oettinger, alle Kernkraftwerke in Europa einem einheitlichen Sicherheitstest zu unterziehen, von den EU-Mitgliedsländern aufgegriffen werden.

Nur wenn wir diese Fragen objektiv und ideologiefrei beantworten, wird uns ein gesellschaftlicher Konsens gelingen. Der rot-grüne „Atomausstieg“ im Jahr 2000 hatte diese Fragen weitestgehend ausgeblendet.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger