Frage an Clemens Binninger von Stephan B. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Binninger
Aufgrund eines Gutachtens vom damaligen Wirtschaftsminister Glos zur Sicherheit der Stromversorgung von 2008 - zeigt deutlich, daß trotz eines Atomausstiegs bis 2020 es keinerlei Engpässe in der Stromversorgung geben wird. Zumal es heute schon möglich ist, mit regenerativen Energien flächendeckend die Stromversorgung in Deutschland zu gewährleisten.Als Beispiel möchte ich Ihnen den 5. Oktober 2008 nennen. An diesem Tag waren ein drittel der deutschen Kernkraftwerke nicht am Netz. Dank der Windkraft, war die Stromversorgung gesichert und es wurde trotzdem noch Strom ins Ausland exportiert.
Daher möchte ich bitte von Ihnen wissen, wie die CDU behauptet, daß wir die Kernenergie als Brückentechnologie weiterhin brauchen. Vergessen sollten man hierbei auch nicht die ungelöste Endlagerfrage und die laut Bundeskrimalamt bestehende Option eines Terroranschlages mit einem Flugzeug auf ein Atomkraftwerk.
Mit freundlichen Grüßen,
Stephan Beckenbach
Sehr geehrter Herr Beckenbach,
haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag.
Zuerst einmal: Ich stimme Ihnen zu, dass wir aus der Kernenergie aussteigen müssen und dass wir erneuerbare Energien stärker ausbauen müssen. Die Frage, wie wir dieses Ziel erreichen, bewerten Sie aber offensichtlich anders als ich.
Wie Sie wissen, schlägt die Union vor, Kernenergie als Brückentechnologie zu nutzen, bis erneuerbare Energien in größerem Umfang vorhanden sind. Wir wollen sichere deutsche Kernkraftwerke auch über das Jahr 2020 noch am Netz lassen. Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab. Der größte Teil des zusätzlich generierten Gewinns aus der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke soll nach einer verbindlichen Vereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen zur Forschung im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien sowie zur Senkung der Strompreise genutzt werden.
Warum wollen wir Kernenergie als Brückentechnologie nutzen?
Heute stammen in Deutschland weniger als 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen und etwas mehr als 20 Prozent aus Atomenergie. Ziel ist es, in den kommenden zehn Jahren bis zum Jahr 2020 den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion auf 30 Prozent zu steigern. Nur wenn dieses ambitionierte Ziel erreicht wird und gleichzeitig der Stromverbrauch deutlich sinkt, könnte Kernenergie rein rechnerisch durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
Hinzu kommt aber, dass etwa Wind- und Solarenergie nicht grundlastfähig sind. Bei der Grundlaststromerzeugung - also dem rund um die Uhr benötigten Sockelbetrag - liegt der Kernkraftanteil heute jedoch bei fast 50 Prozent. Hier müssten als Ersatz für Kernenergie zusätzlich konventionelle Kraftwerke (Kohle, Öl, Gas) mit entsprechendem CO2-Ausstoss gebaut werden.
Selbst wenn man nun unter sehr günstigen Voraussetzungen davon ausgeht, dass erneuerbare Energien die Atomenergie ablösen könnten, stellt sich die Frage, ob dies das einzige Ziel für unsere Energiepolitik sein kann. Seit der Entscheidung für den Atomausstieg im Jahr 2000 haben sich die Rahmenbedingungen für Energiepolitik deutlich verändert. Einige Beispiele: Die Rohstoffpreise für Öl, Gas oder Kohle sind stark angestiegen. Klimaschutz und Klimaschutzziele spielen (glücklicherweise auch auf internationaler Ebene) eine wesentlich größere Rolle. Gegen den Neubau von Kohlekraftwerken, aber auch von Windkraftanlagen formiert sich immer stärker der Widerstand vor Ort. Einspar- und Effizienzsteigerungsmöglichkeiten haben sich gut entwickelt, zeigen aber beim Gesamtstromverbrauch noch nicht die erwarteten Resultate.
Unterm Strich: Wenn es nicht absehbar ist, dass erneuerbare Energien die Kernenergie ablösen können, wenn Rohstoffpreise und damit auch Energiepreise stetig steigen und wenn Klimaschutzziele höher gesteckt werden, dann brauchen wir die Flexibilität, bestehende Kernkraftwerke länger am Netz zu lassen. Nur so werden wir mittelfristig einen Energiemix haben, der sauber, sicher und bezahlbar ist. Deshalb sieht die Union die Kernenergie als Brückentechnologie.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger