Frage an Claudia Roth von Jürgen N. bezüglich Tourismus
Sehr geehrtes Büroteam Roth
warum kann die kleine Bundesrepublik Deutschland nicht die gleichen Einwanderungsbedingungen erheben, wie der australische Subkontinent ? Warum erhält ein Ausländer beim Überschreiten der deutschen Grenze anspruch auf Sozialhilfe, Kindergeld usw. in einem Umfang, der ihn in seiner Heimat nie gewährt werden würde ?
Werden hier nicht die deutschen Sozialkassen unnötig belastet ?
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Netsch
Sehr geehrter Herr Netsch,
dass Ihnen die Akrobatik gelingt, in Ihren Fragen Einwanderungspolitik, Tourismus und Sozialleistungen thematisch derart miteinander zu vermischen, ist eine erstaunliche Leistung. Wir wenden uns dennoch zunächst mal den Fakten zu:
Im Gegensatz zur deutschen verdient die australische Einwanderungspolitik immerhin ihren Namen. Sie ist bei weitem weltoffener und transparenter, als es die demagogisch motivierten Zerrbilder eines krachend abgewählten John Howards vermuten ließen. In Deutschland hingegen mangelt es weiterhin an einer modernen und aktiven Einwanderungspolitik. Dabei zeigt schon allein die Debatte um fehlende Fachkräfte in der deutschen Wirtschaft Jahr für Jahr, dass es ein Gebot rationaler Politikgestaltung geworden ist, Einwanderung modern und weltoffen zu gestalten und sie zu steuern.
Bezüglich der Sozialleistungen ist festzuhalten: Die soziale Marktwirtschaft in Deutschland unterscheidet sich strukturell und organisatorisch von der australischen. Die Sozialabgaben und dementsprechend die Sozialleistungen wie die Rentenpolitik sind anders organisiert und werden anders finanziert. Dadurch gibt es auch große Unterschiede bei der Definition des Existenzminimums und wie Menschen in Notlagen geholfen werden kann.
Beim Überschreiten der deutschen Grenze kommt kein Ausländer automatisch in den Genuss von Sozialleistungen – weder als einfache/r Reisende/r (so viel zum Thema „Tourismus“), noch als nachziehende/r Ehepartner/in, noch als ausländische Studierende/r. Der Erhalt von Sozialleistungen ist erst nach dem Erwerb von Bezugsansprüchen oder nach dem Erwerb eines sicheren Aufenthaltsstatus möglich.
Bei Asylbewerbern und Flüchtlingen basiert die Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland wie in allen anderen Staaten auf humanitären Verpflichtungen. Es handelt sich dabei um keine Sozialleistungen aus den Sozialkassen. Vor allem kritikwürdig ist, dass Asylbewerber in Deutschland nur einen geminderten Regelsatz an Hilfe, eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung erhalten und einer irrationalen Residenzpflicht unterliegen, die diese Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit stark einschränkt. Aufgrund der hiesigen Lebenshaltungskosten und Lebensstandards sind die Leistungen hier natürlich nominell höher als zum Beispiel bei Flüchtlingen an der irakisch-syrischen Grenze, die die internationalen Hilfsorganisationen vor Ort gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth