Frage an Claudia Müller von Sven S. bezüglich Verkehr
Der gestern verlesene Gesetzesentwurf zum neuen SeeLotsGesetz begleitet zwar die lange erwarteten neuen Ausbildungsmöglichkeiten zum Lotsenberuf auf den richtigen Weg, er machte es aber gleichzeitig für befahrene Kapitäne und Schiffsoffiziere schwerer, Lotse zu werden! Völlig unnötig!
- Es geht doch darum in Zukunft eher mehr und nicht weniger Bewerber:innen zum Lotsenberuf zu haben!
- Von den Punkten, bei denen es "herkömmlichen Kapitän:innen" in Zukunft schwerer gemacht wird, hätten zumindest einige Punkte vom Verkehrsausschuss geändert werden können!
- Warum wurde die Ausbildungszeit für "herkömmliche Kapitän:innen" gesetzmäßig von acht auf 12 Monate erhöht?
- Was hat das mit der neuen Ausbildung zu tun?
- Warum müssen diese "herkömmlichen Kapitän:innen" in Zukunft erheblich höhere Kosten tragen, um Lotse werden zu können?
- Warum konnte man die Finanzierung der neuen direkten Lotsenausbildung nicht nur denjenigen aufbürden, die diesen Weg auch gehen oder die für diesen Weg verantwortlich sind?
- Warum wird die Perspektive für junge Menschen, die eine Weile ihres Lebens gern zur See fahren wollen, aber eben nicht bis zur Rente, so verschlechtert?
- Jungen nautischen Offizieren wird die Aussicht auf den schönsten Beruf, den man sich im Anschluss an eine Seefahrerkarriere vorstellen kann, nämlich Lotse zu werden, fast ganz weggenommen!
Gerade weil es immer weniger junge Menschen gibt, die praktisches Seefahrt-Know-How auf Schiffen erwerben, sollte ihnen die Aussicht erhalten bleiben, mit spätestens 40 auch einen guten Job "an Land" finden zu können.
Im Alter von 35 oder 40 Jahren einige Monate – nämlich während der Lotsenausbildung – kein Geld zu verdienen, ist viel schwieriger als mit 26 oder 30, wie es mit der neuen Lotsenausbildung möglich sein wird.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Argumenten nicht zu nahe zu treten, sondern dass sie eventuell den einen oder anderen Punkt zumindest bedenkenswert finden.
Sehr geehrter Herr Stemmler,
haben Sie besten Dank für Ihr Schreiben. Sie äußern sich darin zu verschiedenen Fragestellungen zur kürzlich beschlossenen Seelotsgesetz-Novelle. Diese ist inzwischen im Bundestag verabschiedet worden und tritt bald, nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, in Kraft. Ich verstehe Ihre Kritik.
Meiner Auffassung nach war die im Gesetz enthaltene Anpassung der Ausbildungswege für Seelotsen dringend notwendig geworden. Sowohl eine steigende Anzahl an in Rente gehenden aktiven Seelotsen sowie sinkende Bewerberzahlen haben bereits 2012 dazu geführt, dass das damalige Verkehrsministerium eine Arbeitsgruppe mit Reformvorschlägen beauftragt hat. Schneller Handlungsbedarf bestand eigentlich bereits damals, allerdings vergingen nach Vorstellung der Arbeitsgruppen-Ergebnisse in 2016 nochmals fünf Jahre bis zu Vorlage und Beschluss der Änderungen über das Seelotsgesetz. Nun, neun Jahre nach den ersten Überlegungen war das Gesetz insofern überfällig.
Gewiss sind nicht alle Seelotsenreviere gleichermaßen von den Herausforderungen des Nachwuchsmangels betroffen - hier ist jedoch meiner Auffassung nach solidarisches Handeln aller Lotsbrüderschaften erforderlich. Ich habe im Verkehrsausschuss kürzlich im Rahmen der Beratungen Fragen zu in Rente gehenden Seelotsen sowie erwarteten neuen Absolventen, jeweils für den Zeitraum bis 2028 gestellt. Die Antwort des Verkehrsministeriums finden Sie im Anhang.
Neben der Seelotsenausbildung müssen wir jedoch meines Erachtens insgesamt die Ausbildung maritimer Berufe (und damit auch die Förderkulisse) zukunftsfähig neu aufstellen. Auf den Rückgang der Handelsflotte in deutschem Eigentum und dadurch auch der Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge muss auch die maritime Ausbildung reagieren. Maritime Berufe müssen weiterhin attraktiv sein und in Deutschland ausgebildete Seeleute auch zukünftig noch Beschäftigung finden. Auch die Verwaltungen benötigen gut und umfangreich ausgebildete Kapitäne, Schiffsoffiziere und Techniker. Deutsche Seeleute müssen vor allem mit hoher Qualität der Ausbildung überzeugen. Bund, Länder und die Seeverkehrswirtschaft sind insofern gemeinsam gefordert. Meine Fraktion hat im Vorfeld der 12. Maritimen Konferenz einen Antrag eingebracht:
https://www.gruene-bundestag.de/parlament/sitzungswoche/maritime-wirtschaft
https://www.gruene-bundestag.de/themen/wirtschaft/verantwortungsvolle-maritime-wirtschaft
Bei Rückfragen steht Ihnen mein Büro gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Müller