Wie stehen Sie zum Prinzip des Parteienprivilegs bzw. zur Anwendung dieses Prinzips zur Prüfung eines AfD-Verbots?
Sehr geehrte Frau Küng,
in Deutschland gibt es das Parteienprivileg, was politischen Parteien erlaubt, ihre Tätigkeit auszuüben ohne Prüfung, ob diese mit dem Grundgesetz konform ist. Als Gegengewicht kann bei Missbrauch des Parteienprivilegs der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat einen Antrag auf Prüfung der Verfassungskonformität einer Partei durch das BVerfG stellen. Die Lösung soll mehr parteipolitische Freiheit ermöglichen. Es wird in Kauf genommen, dass eine Partei verfassungswidrig agieren kann bis diese durch ein Parteiverbot beendet wird.
Die Alternative wäre, vor jeder Wahl alle Parteien auf Verfassungskonformität zu prüfen.
Der AfD-Landesverband Bayern wurde durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, ebenso wie einige andere Landesverbände.
1. Wie sehen Sie in diesem Kontext einen Antrag zur Prüfung eines AfD-Verbotes durch den Bundestag?
2. Wie stehen Sie zum Prinzip des Parteienprivilegs?
Grüße aus München-Süd,
Tino M.
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Betreff: Ihre Anfrage zum Parteienprivileg und einem möglichen Verbotsverfahren
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an diesem wichtigen Thema.
Zum Parteienprivileg:
In einer Demokratie ist politische Vielfalt ein hohes Gut. Das Parteienprivileg stellt sicher, dass politische Parteien grundsätzlich frei agieren können, ohne vorab einer staatlichen Prüfung unterzogen zu werden. Eine verpflichtende Überprüfung vor jeder Wahl wäre ein erheblicher Eingriff in den politischen Wettbewerb. In einer offenen Gesellschaft müssen Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit haben, über Parteien und Programme zu entscheiden – nicht allein staatliche Institutionen.
Grenzen der politischen Freiheit:
Gleichzeitig ist klar: Das Grundgesetz schützt keine Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Deshalb gibt es den Verfassungsschutz, der entsprechende Entwicklungen beobachtet und bewertet. Sollte sich dabei zeigen, dass eine Partei verfassungsfeindlich agiert, besteht die Möglichkeit, ein Verbotsverfahren zu prüfen.
Aktuelle Entwicklungen:
Für eine seriöse Bewertung sind gesicherte Erkenntnisse notwendig. Ein umfassendes neues Gutachten des Verfassungsschutzes wurde erstellt, dessen Veröffentlichung nach der Wahl erfolgen soll. Erst auf Basis einer gründlichen Analyse der Fakten sollte über mögliche weitere Schritte entschieden werden.
Gerade in einer Demokratie ist es wichtig, kluge und besonnene Entscheidungen zu treffen. Politische Prozesse dürfen nicht dazu führen, dass extremen Strömungen noch mehr Aufmerksamkeit und Mobilisierungspotenzial gegeben wird. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, mit überzeugenden Argumenten und einer klaren politischen Linie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen.
Mein Ansatz:
Eine stabile Demokratie verteidigt sich nicht nur durch rechtliche Instrumente, sondern auch durch eine verantwortungsvolle politische Gestaltung. Entscheidend ist, dass wir als Gesellschaft gemeinsam für eine Politik stehen, die Zusammenhalt stärkt und klare Lösungen bietet.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Küng