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Claudia Jung (bürgerlicher Name Ute Singer)
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Frage von Denise S. •

Frage an Claudia Jung (bürgerlicher Name Ute Singer) von Denise S. bezüglich Frauen

Guten Tag Frau Jung,

wie sehen Sie die Sache "Gleichberechtigung der Frau"?

Es kann doch eigentlich nicht richtig sein, wenn Frauen, die ein oder mehrere Kinder bekommen haben, Probleme bekommen, wenn sie wieder in den Beruf einsteigen wollen.
Entweder werden wir gleich abgelehnt, weil wir nicht flexibel genug sind, ist mir selber passiert, oder wir werden als Rabenmütter bezeichnet.

Kann man da nix machen?

Ich kann mir vorstellen, daß Sie als Künstlerin und Politikerin da auch auf geteilte Meinungen stoßen.

Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören.

Viele Grüße
Ihre Denise Seitz

Portrait von Claudia Jung (bürgerlicher Name Ute Singer)
Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrte Frau Seitz,

mit Ihrer Frage haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich bin mir sicher, dass Mütter in keinem anderen Land ein so zwiespältiges Image haben wie in Deutschland. Als Mutter es anderen Recht zu machen, ist schwer. Bleibt man zu Hause, ist man gleich das Heimchen am Herd oder die gluckende Übermutter. Als Berufstätige hat man schnell den Ruf einer Rabenmutter. Da geht es mir nicht anders als anderen Frauen. Das liegt wohl daran, dass der deutsche Mutterbegriff sehr moralisch und auch ideologisch geprägt ist.

Lange gab es bei uns auch kein Rollenmodell für Frauen, die Karriere machen und Kinder haben. Glücklicherweise hat sich das geändert. Noch nie gab es eine so gut ausgebildete und selbstbewusste Frauengeneration wie heute, die für sich beides fordert: ein erfülltes Familienleben und gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben.

Familie und Karriere erfolgreich unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben, fällt auch mir nicht immer leicht. Wären da nicht der Rückhalt und die Unterstützung meiner Familie, würde mir dies auch nicht gelingen.

Ein partnerschaftliches Lebensmodell und eine echte Gleichberechtigung von Frau und Mann setzt eine funktionierende Vereinbarkeit von Familie und Beruf voraus. Leider haben wir es in Deutschland versäumt, rechtzeitig die Weichen zu stellen und Bedingungen für eine echte Wahlfreiheit zu schaffen. Anstatt unsere Arbeitswelt - wie viele unserer europäischen Nachbarn - so zu gestalten, dass Kinder und Karriere miteinander in Einklang gebracht werden können und nicht in Widerspruch stehen, haben wir hierzulande viel Zeit mit ideologischen Debatten um die perfekte Kindererziehung vergeudet.

Es gibt keine Rabenmütter und auch keine Rabeneltern. Eine solche Diffamierung lehne ich persönlich und auch nachdrücklich ab. Kritiker vergessen nämlich eines: Eltern, die mit ihrer Lebensperspektive zufrieden sind, sind zumeist auch gute Eltern. Und gute Eltern zeichnen sich dadurch aus, dass sie dann, wenn sie da sind, sogenannte „Qualitätszeit“ mit ihren Kindern verbringen, also gemeinsam spielen, spazieren gehen, miteinander reden, Sport machen, etwas unternehmen… Übrigens gibt es meines Wissens das Wort „Rabenmutter“ in kaum einer anderen Sprache, zumindest ist es nicht so prominent und negativ besetzt wie bei uns.

Weder Staat noch Gesellschaft haben Eltern vorzuschreiben oder vorzugeben, ob und wann ein Kind in eine Betreuungseinrichtung gehen soll. Das sollen und können Eltern selbst entscheiden. Aufgabe des Staates ist es vielmehr, sowohl die Eltern zu unterstützen, die ihre Kinder zu Hause erziehen möchten, als auch den quantitativen und qualitativen Ausbau unseres Kinderbetreuungssystems voranzutreiben - ein Aspekt, der angesichts der Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise wichtiger denn je ist. Nur wenige Familien können sich heute noch ein einziges Einkommen leisten. Auch die Zahl der Alleinerziehenden, die in der Regel alle arbeiten müssen, steigt kontinuierlich.

Ein durchgängiges Angebot ganztägiger Betreuung und Bildung ist ein Muss, damit Eltern sich frei entscheiden können, ob sie berufstätig und damit wirtschaftlich unabhängig sind. Dafür brauchen wir differenzierte, bedarfsgerechte Ganztagsangebote für Kinder aller Altersgruppen.

Aber auch Unternehmen sind gefordert. In punkto Familienfreundlichkeit stehen wir hier noch relativ am Anfang. Als familienpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Freien Wähler begrüße ich alle Maßnahmen (seitens der Wirtschaft und der Politik), mit denen Mütter und Väter ihre familiären und beruflichen Pflichten gemeinsam erfüllen können. Wünschenswert wären etwa flexible Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitkonten, Jobsharing, Betriebs-Kitas ebenso wie Arbeitsmarktförderungsprogramme, mit denen die Beschäftigungschancen von Frauen steigen.

Aktive Frauen- und Familienförderung ist für Politik und Wirtschaft zu einer unverzichtbaren Investition geworden. Gemeinsam mit flexiblen Kinderbetreuungseinrichtungen ist eine familienbewusste und frauenfreundliche Arbeitswelt die Voraussetzung dafür, dass die Entscheidung für ein Kind nicht zu einer „Entweder-Oder“-Entscheidung wird.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen einen Einblick in meine Ansichten vermitteln konnte und wünsche Ihnen alles Gute.

Mit besten Grüßen

Ihre Claudia Jung, MdL