Frage an Christoph Waitz von Ubbo M. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Waitz,
ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht längst eine überholte Einrichtung aus den Zeiten des überbordenden Sozialstaats und des Staatsdefizits? Die sind doch eh´ nicht mehr zu kontrollieren, machen dasselbe wie die Privaten, kaufen denen sogar die Entertainer ab und verlangen auch noch Geld, und das immer mehr. Kann man die nicht abschaffen?
Mit freundlichen Grüßen
Ubbo Matjes
Sehr geehrter Herr Matjes,
vielen Dank für ihre Frage. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht erst seit der fortlaufenden GEZ-Gebührenerhöhungen in der Diskussion. Bei aller Kritik, die insbesondere auch von den liberalen Medienpolitikern an dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geäußert wird, ist es nicht unser Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen. Wir weisen dem öffentlich-rechtlichen Hörfunk und Fernsehen ganz wesentliche Funktionen für ein hochwertiges Informations-, Kultur- und Bildungsangebot in Deutschland zu.
Das Problem besteht aus unserer Sicht darin, dass in den letzten Jahren der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Strategie der Besitzstandswahrung entwickelt hat und sich in weiten Bereichen zu einem Inhalteanbieter entwickelt hat, der, wie sie auch sagen, sich nicht von den Formaten und den Inhalten absetzt, die von privaten Anbietern präsentiert werden. Diese Inhalte additiv zu präsentieren und durch Gebührenzahler finanzieren zu lassen ist entbehrlich.
Die EU-Kommission gibt Deutschland vor: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss im Zusammenhang mit dem 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag seinen Funktionsauftrag neu bestimmen. Wir müssen diese Gelegenheit dazu nutzen, die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar zu definieren. Die Diskussion um das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss insbesondere die veränderten Nutzungsgewohnheiten mit einbeziehen und das erweiterte Programmangebot von audio-visuellen Inhalten in einer digitalisierten Welt berücksichtigen. Aus meiner Sicht muss dies für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk notwendig zu einer Fokussierung auf Kultur-, Informations- und Bildungsinhalten führen.
Die Vergabe der Gebührengelder sollte zumindest teilweise davon abhängig gemacht werden, ob der Programmauftrag in qualitativ hochwertiger Form erfüllt wurde. Die Bewertung sollte durch ein unabhängiges Expertengremium erfolgen.
Auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt das Prinzip des verantwortungsvollen Umgangs mit den Gebühren der Bürger. Die Verwaltungstrukturen in den Rundfunkanstalten sind deswegen weiter zu verschlanken, zu vereinfachen und echte Anreize für Kosteneinsparungen einzurichten.
Ich setze mich für die Überarbeitung des Systems der Gebührenfestsetzung ein. Insbesondere müssen unabhängige Strukturen geschaffen werden, die in der Lage sind nicht nur Kostenangaben und Kostenansätze der Rundfunkanstalten auf Plausibilität zu überprüfen, sondern echte Tiefenprüfungen vorzunehmen. Dies könnte auch in Zukunft durch die KEF erfolgen ( Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten ) soweit sie mit zusätzlichen Personal, Kompetenzen und finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Sollte die unabhängige Prüfung zu den Ergebnis kommen, dass Rundfunkgebührengelder eingespart werden können, ist dieses Einsparpotential durch entsprechende Massnahmen zu heben und die eingesparten Beträge in Form von Gebührensenkungen an den Bürger zurückzugegeben. Es gibt schließlich keine Vorschrift, die besagt, dass ARD und ZDF zwangsläufig immer mehr Geld bekommen müssen.
Ein großes Potential zur Kostenersparnis sehen wir zum Beispiel in einer Reduktion der Anzahl der Hörfunksender. Nicht jede Rundfunkanstalt braucht einen getrennten 24 Stunden Informationskanal. Nicht jede Rundfunkanstalt benötigt eine eigenes Kulturradio. Hier existieren z. B. schon Deutschlandradio und Deutschlandradio Kultur, deren Angebote ausgebaut und durch einheitliche Sendefrequenzen in ihrer Verbreitung in Deutschland erheblich gefördert werden könnten.
Prüfenswert erscheinen mir weitere Zusammenlegungen von Rundfunkanstalten nach dem Beispiel des RBB oder MDR. Weshalb bis zum heutigen Tag Rundfunkanstalten wie der z. B. der Saarländische Rundfunk oder Radio Bremen existieren und den Gebührenzahler zusätzlich belasten ist mir nicht nachvollziehbar.
Problematisch ist aktuell auch das Vorhaben der Rundfunkanstalten im Bereich der neuen Medien zusätzliche Angebote zu platzieren. Der Bescheid der EU - Kommission im Beihilfestreit sieht vor, dass die Rundfunkanstalten Aufgabenerweiterungen selbständig in einem dreistufigen Verfahren prüfen müssen. Im Rahmen dieses Verfahrens sollen Wettbewerber die Möglichkeit haben gehört zu werden. Wir haben große Bedenken, ob dieses Verfahren die Gewähr für eine ausreichende Kontrolle bietet. Besser wäre es in diesem Verfahren externe Sachverständige oder Gremien zur Prüfung einzubinden.
Ich hoffe, dass sie mit meiner Antwort weiter arbeiten können. Über ergänzende Fragen würde ich mich sehr freuen. Die Reform des öffentlich- rechtlichen Rundfunks ist eines der zentralen medienrechtlichen Themen. Die EU - Kommission hat den Ländern einen engen zeitlichen Rahmen gesetzt. Wichtige Grundfragen müssen bis zum Ende des Jahres 2007 geklärt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Waitz,MdB