Frage an Christoph Mohs von Traugott K. bezüglich Verkehr
Als Bahnkunde blicke ich besorgt auf das Projekt Stuttgart 21, dass einen leistungsfähigen Kopfbahnhof durch einen Tunnelbahnhof ersetzt, der theoretisch von genauso vielen Zügen genutzt werden kann, wie der Kopfbahnhof heute hat, aber die Züge in ein Fahrplankorset zwingt, das weder gute Anschlüsse ermöglicht noch bei Verspätungen die Ersatzfahrplantrassen zeitnah bieten kann, ohne andere Zugläufe massiv zu beeinträchtigen.
In der Schweiz in Zürich hat man ebenfalls einen Tunnelbahnhof gebaut, aber nicht um den Kopfbahnhof zu ersetzen, sondern um das Zugaufkommen noch bewältigen zu können. Eine Verkehrswende verlangt deutlich mehr Züge, als es diese heute gibt. Ist es da wirklich noch zeitgemäß, den Kopfbahnhof abzuschaffen und nur auf den Tunnel zu setzen oder wäre es nicht auch in Stuttgart geboten, den Kopfbahnhof zu erhalten, so wie es das Konzept Umstieg 21 vorsieht? ( http://www.umstieg-21.de )
Zwar sieht dieses Konzept einen Verzicht auf den Tunnel vor, aber der Kopfbahnhof von Umstieg 21 wäre auch mit einem Tunnelbahnhof darunter umsetzbar.
Angesichts der höhengleichen Gleiskreuzungen im Tunnel wäre es sinnvoll, diesen mit weniger Zügen zu belasten. Der Tunnelbahnhof könnte zugunsten größerer Bahnsteige und besserer Fluchtwege auf 6 oder 4 Gleise reduziert werden. Ein klares Votum für den Kopfbahnhof würde sofort das Investionsverhalten der Bahn ändern und würde helfen, dass Stuttgart ein guter Knoten in einem bundesweiten Deutschland-Takt wird. Werden Sie im Bundestag diese Idee unterstützen, damit die Züge so durch Stuttgart fahren können, wie dies der Deutschlandtakt fordert und der Fahrplan nicht von Tunnelengpässen bestimmt wird?
Sehr geehrter Herr K.,
zunächst möchte ich mich für die sehr verspätete Antwort auf Ihre
Frage entschuldigen, es gibt derzeit einfach ziemlich viel zu tun.
Nun direkt zu Ihrer Frage: ich verfolge das Projekt S21 als interessierter Bürger schon seit Ende der 1980er Jahre, als es in den Anfängen seiner Planung und damit noch viel offener für Gedankenspiele über seine optimale Nutzung war. Da ich mich seit meiner Jugend für fortschrittliche Technologien interessiere, habe ich z.B. die damals aufkommende Idee einer von Stuttgart ausgehenden Transrapidtrasse entlang der Gäubahnstrecke Richtung Tübingen intensiv verfolgt. Leider ist diese Idee ebenso verworfen worden, wie eine ganze Reihe an anderen guten Vorschlägen; und die damals noch fest im Sattel sitzende schwarze Landesregierung hatte schon seinerzeit wenig Interesse an einem Bevölkerungsdialog. Wenn das anders gewesen wäre, hätte ich mich möglicherweise aktiv an der Ideenfindung beteiligt. Konkret stehe ich (und meine Partei) stets für den 'Blick von oben' auf ein derartiges Einzelprojekt: man muß zunächst definieren, wie man sich die Gesamtinfrastruktur in Deutschland und Europa über einen Zeitraum der nächsten ca. 50 Jahre vorstellt, bevor man ins räumliche und zeitliche Planungsdetail geht -- das scheint bei diesem Projekt eindeutig zu kurz gekommen zu sein! Außerdem standen offensichtlich auch andere Ziele im Fokus der Landesregierung(en) -- Stichwort: lukrative Vermarktung der frei werdenden Gleisflächen -- als dem öffentlichen Interesse zu dienen. Man hat sich zu sehr auf den etwa kapazitätsgleichen Umbau des Bahnhofs an sich fokussiert, als werde sich an den Transportrahmenbedingungen so gut wie nichts ändern, anstatt aktiv eine gestalterische Komponente für die Lösung der Transportprobleme im Güter- und Personentransport in nah und fern für die nächsten Jahrzehnte einzubauen!
Um also Ihre konkrete Frage direkt zu beantworten: die Überlegung eines kombinierten Kopf- und Durchgangsbahnhofs finde ich sehr überlegenswert, besonders, weil sie die Option einer deutlichen Ausweitung des Regional- und Fernverkehrs enthält, was wir angesichts der massiven Probleme im Straßenverkehr (insbesondere in Stuttgart, aber auch generell) und auch angesichts der regelmäßigen Verspätungen bei der Bahn dringend brauchen. Was ich zusätzlich anregen würde, wäre die Schaffung eines Logistik-Umschlagplatzes mitten in der Großstadt, mittels dem ein Gutteil des Gütertransports auf die Schiene verlegt werden könnte. Diesen Ansatz verfolgt die Schweiz mit ihrem Cargo Sous Terrain-Konzept (siehe: www.cargosousterrain.ch ) ebenso, wie es mit dem CargoCap-System schon seit Jahren an der Uni Bochum entwickelt wird (siehe: www.cargocap.de ).
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Mohs