Frage an Christoph Degen von Dr. Ralf G. bezüglich Staat und Verwaltung
Bei hessischen Landtagswahlen haben wir es bekannterweise mit einem modifizierten Verhältniswahlrecht zu tun. Entscheidend für die Sitzverteilung sind zwar die Landesstimmen, doch aus gutem Grund haben die Wähler die Möglichkeit, auch Wahlkreisstimmen abzugeben. Der grundlegende Gedanke ist hierbei, dass die Wähler im jeweiligen Wahlkreis entscheiden dürfen, welchen Kandidaten sie als Vertreter ihrer aller Interessen nach Wiesbaden entsenden wollen und welche anderen Bewerber entsprechend zu Hause zu bleiben haben. Daher ist es eine Unsitte, dass Wahlkreisbewerber gleichzeitig auf der Landesliste ihrer jeweiligen Parteien kandieren. Wenn ich richtig informiert bin, kandidieren Sie auf der Landesliste auf Platz 30 (derzeitige Anzahl der SPD-Fraktionsmitglieder im Landtag: 33), Ihr CDU-Gegenkandidat Herr Klein wartet mit dem Listenplatz 44 auf (bei jetzt 56 CDU-Vertretern im Landtag) - sowohl Ihr Listenplatz als auch der von Herrn Degen kann als "sicher" gelten. Wenn die Wähler am 27. Januar mehrheitlich für Sie stimmen, fährt Herr Klein trotzdem nach Wiesbaden. Wenn Herr Klein die Mehrheit der Wahlkreisstimmen erringt, sind Sie trotzdem im Landtag vertreten. Somit werden die Wähler de facto zum Teil entmachtet und die Wahlkreisstimmen entwertet. Es bleibt ein Kampf der Eitelkeiten um den Titel "Wahlkreisvertreter". Warum tragen Sie zu dieser Entwicklung bei?
Sehr geehrter Herr Dr. Grünke,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie stellen das hessische Wahlrecht richtig dar.
Jedoch haben Sie, wie ich denke, einen Aspekt übersehen: Gewinnen Wahlkreisvertreter, die weiter hinten auf einer Liste stehen (und somit als aussichtslos gelten) ihren Wahlkreis direkt, weil die jeweiligen Kandidaten sich das Vertrauen ihrer Wähler erarbeitet haben, so wird die Funktion der Liste eingeschränkt. Listenplätze werden prozentual nur soweit vergeben wie keine Direktmandaten erzielt wurden.
2 Beispiele:
2003 wurden bis auf zwei alle hessischen Wahlkreise von der CDU gewonnen (53). Die CDU hat im Augenblick 56 Abgeordnete. Über die Liste zogen überhaupt nur 3 Kandidaten ein. Im Grunde war somit schon Platz 4 kein sicherer Platz mehr.
Oder nehmen Sie bei der Wahl 2008 meinen Platz Nr. 30, den Sie als sicher bezeichnen. Ich gehe davon aus, dass bei der kommenden Wahl die SPD wieder mehr Wahlkreise gewinnen wird. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Kandidaten dieser Wahlkreise auf der Liste zum Teil hinter mehr stehen. Dem entsprechend könnte es sein, dass die Liste der SPD gar nicht bis zum Platz 30 greift.
Ich möchte den Wahlkreis 40 nicht aus "Eitelkeit" direkt gewinnen, sondern weil ich denke, dass ich viele gute Ideen für die künftige hessische Politik habe und die Interessen des Wahlkreises vertreten möchte. Deshalb sollten diejenigen Wähler, die sicher gehen wollen, dass ich dem nächsten hessischen Landtag angehören werde, mich mit ihrer Erststimme wählen.
Fazit:
Ich denke es geht bei den Wahlkreisstimmen weniger darum wer dem Landtag nicht angehören soll, sondern vielmehr darum, wer auf jeden Fall ins Parlament einziehen soll. Denn Listen sind nicht immer so sicher wie sie auf den ersten Blick scheinen.
Im übrigen habe ich keine Bedenken über Doppeltkandidaturen auf der Liste wie auch im Wahlkreis.
Parteien würden sonst aufgrund des oben dargestellen Zusammenhangs jegliches Instrumentarium aus der Hand geben, um im Ansätzen sicherzustellen, dass bestimmte Qualifitkationen oder Schwerpunkte in ihrer Fraktion vertreten sein werden.
Auch wenn mein Platz 30 nicht 100%ig sicher ist, für einen Neuling wie mich ist das dennoch ein guter Platz. Das kommt daher, dass meine Partei einerseits eine gesunde Altersmischung als wichtig empfindet... und andererseits denke ich, habe ich mir einen recht guten bildungspoltischen Ruf in den letzten Jahren erarbeitet.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Degen