Frage an Christoph Barthe von Moritz K.
Wie erklären sie den Opfern von Atomkatastrophen ihre Vorliebe für Atomkraft? Was ist ihr Vorschlag für Evakuierungskonzepte in Städten wie Hamburg, wenn die Reaktoren in unmittelbarer Nähe wieder hoch gefahren werden würden?
Danke für die Frage und sorry für die späte Antwort.
Ich habe keine Vorliebe für Atomkraft, sondern versuche nur Risiken und Chancen vernünftig gegen einander abzuwägen. Wie wollen Sie sonst den Opfern des Klimawandels erklären, dass Sie nicht alles getan haben, um ihn zu mindern?
Meine Kritik am rotgrünen Atomausstieg von 2002 richtet sich gegen die Begründung: das atomare Risiko wurde verabsolutiert, Erfolge und Möglichkeiten der technischen Entwickung zur Risikominderung wurden ignoriert, die Lösung der Endlagerfrage wurde blockiert, um sie als Hebel für die Durchsetzung des Atomausstiegs missbrauchen zu können (ich schicke Ihnen gerne den Koalitionsvertrag von Rotgrün Niedersachsen, 1990, wo man sich dazu verabredet hatte), und es wurde behauptet, die Klimaziele ließen sich auch ohne Kernenergie einhalten. Das Ergebnis dieser Politik kann man heute besichtigen: steigende Stromkosten, wenig Klimaschutz. Und den auch nur weil die drastischen Preissteigerungen für Öl, Kohle und Gas seit Ende der 1990er Jahre einen starken Impuls zum sparsamen Umgang zur Folge hatten. Aber der Implus ist jetzt vorüber, die Schönwetterperiode der Klimapolitik ist vorbei. Weiter geht es nicht mehr ohne Konflikte.
Wenn es Rotgrün und Schwarzgelb wirklich um Klimaschutz ginge, wie alle nicht müde werden zu betonen, dann sollte man als Erstes die Realität zu Kenntnis nehmen: Deutschland ist nicht Vorreiter sondern Nachzügler beim Klimaschutz. In einer Rangfolge der Staaten Westeuropas nach der prozentualen Minderung des Pro-Kopf-Treibhausgas-Ausstoßes von 2000 bis 2012 belegt Deutschland mit - 8% den viertletzten Platz. (Quelle: EEA Greenhouse gas viewer). Als Zweites würde es dem Klimaschutz helfen, wenn man anerkennen würde, dass der Atomausstieg 2002 mit unlauteren Mitteln durchgesetzt wurde (siehe oben) und man sich deshalb nicht auf die Zustimmung der Bevölkerung berufen kann. Aber das werden die etablierten Parteien nicht über ihre Lippen bringen. Vielleicht schafft es die AfD. Wir arbeiten dran.
Freundliche Grüße
Christoph Barthe