Frage an Christoph Bader von Christine F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bader,
gegenwärtig können die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg faktisch nur über Wahlen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, da die derzeitigen gesetzliche Vorschriften für Volksbegehren auf Landesebene und Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene so restriktiv sind, dass bisher alle Volksbegehren und die meisten Bürgerbegehren nicht zugelassen wurden oder gescheitert sind. Dies widerspricht dem Grundgesetz und der Landesverfassung (Artikel 25 Landesverfassung Baden-Württemberg: „(1) Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen... ausgeübt.“)
Darum ist aus meiner Sicht eine Änderung der Gemeindeordnung in dem Wortlaut nötig, wie sie das Bündnis für Mehr Demokratie in Baden-Württemberg fordert ( http://www.buergerentscheid-bw.de/gesetzentwurf.html ). Dieser Gesetzentwurf ist im Juli 2005 im Landtag an den Stimmen von CDU und FDP gescheitert. Meine Fragen:
1.) Wie stehen Sie zu Elementen der direkten Demokratie?
2.) Würden Sie dem genannten Gesetzentwurf bei einer neuerlichen Abstimmung im Landtag zustimmen?
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Fabricius
Sehr geehrte Frau Fabricius,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Die sinkenden Wahlbeteiligungen der letzten Jahre zeigen uns, dass die Bürgerinnen und Bürger mit der ihnen zugedachten Form der Mitbestimmung zunehmend unzufrieden sind. Die Zahl der politischen Entscheidungen und deren Komplexität nehmen ständig zu, da wird es für den Einzelnen immer schwieriger, sich ein umfassendes Bild von der Politik zu machen. Bei Wahlen finden sich die eigenen Positionen möglicherweise bei verschiedenen Parteien wieder, und wie die gewählten Abgeordneten sich bei ganz konkreten Themen im Ernstfall positionieren, lässt sich vorab nur schwer sagen.
In einer solchen Situation können Volks- und Bürgerbegehren helfen, die Meinung der Bürgerinnen und Bürger wieder besser in politische Entscheidungen mit einzubeziehen. Bei solchen Abstimmungen geht es in der Regel um ganz konkretre Probleme, die in der Bevölkerung breit diskutiert werden. Durch ein Volks- oder Bürgerbegehren wird die Entscheidung wieder zurück gegeben an die Wählerinnen und Wähler, das begrüße ich.
Elemente der direkten Demokratie können sich meiner Meinung nach nur positiv auf unsere Gesellschaft auswirken. Allerdings müssen die Bürgerinnen und Bürger auch eine realistische Chance haben, dass ein Volks- oder Bürgerentscheid zu einem bestimmten Thema auch zugelassen wird. Hier sind die Regelungen in Baden-Württemberg nicht ausreichen. Ich unterstütze den Gesetzentwurf des Bündnisses für Mehr Demokratie, da dieser Bürgerentscheide erleichtert und bürgerfreundlicher gestaltet.
Auch für die Berufspolitiker können niedrige Hürden für Bürgerentscheide hilfreich sein. Es gibt doch keine bessere Bestätigung der eigenen Politik, als dass trotz niedriger Hürden nur wenige Bürgerentscheide stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Bader