Frage an Christoph Ahlhaus von Silke W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hamburg, der 13.04.2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
ein paar Gedanken zu morgiger Sitzung.
Ich bin sehr froh, dass wir derzeit eine christlich orientierte Regierung hier in Hamburg haben. An wen hätte ich auch diese Ausführungen besser richten können.
In der Christenheit hat ja das Volk eine vollkommen übergeordnete Rolle der Regierung gegenüber. Diese ist zum Allgemeinwohl eingesetzt und alleine deswegen wird sie erhalten.
Jeder einzelne Mensch hat in erster Linie sich und seinem Gewissen gegenüber Rechenschaft zu tragen und entgegen einiger Vorurteile tut jeder das, was er nach dem ihm geformten Weltbild für am Besten hält. Eine Tatsache, die sie bei sich und Ihresgleichen mit Geduld und Beharrlichkeit täglich neu suchen und neu wünschen, und so geht es eben auch allen anderen.
Nun ist es ja so, dass man der Politik nachsagt sie diene nur mehr sich selbst. Der „Filz“, wie es einst, wenn ich nicht irre von ihrer Partei, tituliert wurde.
Eigentlich nichts Schlechtes, auch hier eine Mischung aus Selbsterhalt und Zusammenschluss.
Eine Union muss sich nach ihrem Bekenntnis verweben und ständig neue Strukturen ausbilden, damit Austausch und Einigung stattfinden kann.
Grundsätze, die in jeder christlichen Gemeinde ebenso hochgehalten werden.
Auch hieran ist nichts Schlimmes an sich zu sehen, sie werden mittlerweile auch ein anderes Bild davon haben und die Geborgenheit eines festen Zusammenhaltes mit klarer Aufgabenteilung schätzen gelernt haben.
Wie in einem großen Körper bilden sich dort Möglichkeiten des Austauschs, wo sich Notwendigkeiten herauskristallisieren, und das hängt ganz wesentlich von der Lage des Einzelnen im Verbund ab.
Mit diesem Wissen leben sie und wir, ihre Bürger, mehr oder weniger ruhig schlafend. Einiges hindert die Aufgaben an der Allgemeinheit, anderes fördert diese. Wie häufig haben sie sich eigentlich schon einen einfacheren und schnelleren Weg gewünscht, die Interessen ihrer Wähler umsetzen zu können, nötigenfalls auch Parteiübergreifen.
Schließlich haben sie von ihren Wählern in erster Linie als glaubwürdige und engagierte Person ein Mandat, die gesetzliche Erlaubnis, bekommen, diese im Parlament zu vertreten. Oder glauben sie wirklich, dass ihr Parteinachbar im Plenarsaal ihnen annähernd soviel zutraut, wie ihre Wähler?
Na, ist das ein Argument, dass ihnen auch manches Mal in den Sinn kommt?
Gehen sie mit gutem Beispiel voran, so mancher wird ihnen danken, sich wieder mal ein gutes Beispiel nehmen zu können.
Vergleichend darf ich mit all dem, was hier der Politik entlehnt ist auf einen noch höheren Schulterschluss hinweisen.
Nicht umsonst ist unser Volkssystem vielerorts in eine Dreieinigkeit gegliedert. Jede Einheit ist Zusammenschluss verschiedener Entitäten. Im christlichen Sinne Gott, Jesus und Heiliger Geist, auf mein derzeitiges Anliegen bezogen Volk, Parlaments-Ordnung, Politiker.
Sie als Politiker sind wie jeder andere mit dem Heiligen Geist, ihrem Gewissen und Herzen bestückt. Die Ordnung, die zwischen den Himmeln waltet und alle Schuld auf sich nehmen muss ist hierbei das Parlament, der Laib, der sich schuldlos rechtfertigen muss. Zum Glück ist man hier wieder in eine Partei gebettet, die sich für die kaum selbst getroffenen Entscheidungen im Sinne einer parteilichen Einigung, vor den einzelnen Politiker stellt und diesen teils schützend, teils beschränkend, hindurch trägt.
Wobei ja im Grunde das Schlimmste ist, dass es ja das Volk selber, also jeder Einzelne ist, der diesen Schutz und diese Beschränkungen geschaffen hat.
Und um diesem Volk wieder eine Möglichkeit zur direkten und unparteilichen Mitbestimmung zu geben, engagieren sich ihre Bürger, sie aus diesem Korsett etwas zu befreien und als Einzelstimme im Volk, eine eigene Position in Volksfragen zu verschaffen, für die sie sich ja ebenso, über ihre eigentliche Tätigkeit hinaus einsetzen können.
Dass diese immer noch der Gesetzgebung und dem Volksparlament unterstehen hat sich doch im Beispiel der Krankenhausprivatisierung gezeigt.
Diskutieren sie die Gründe diese Stimme von den bestehenden Volksabstimmungen zu entkoppeln.
- Welche Sicherheit gewinnt die Politik daraus?
- Können sie dem Bürger die Notwendigkeit für von mehreren Wahltagen plausibel erklären?
- Dient dieser Ansatz der Kostenminimierung?
In der Politik mag es Sinn machen parteiliche und überparteiliche Gesichtspunkte voneinander zu trennen.
Für den Bürger hat dies keinen Wert. Es spekuliert nicht, er dient dazu, die Bedürfnisse des Einzelnen zu repräsentieren.
Wenn sie diesen Sachverhalt mit parteilicher Perspektive vermengen, vergehen sie sich an der Selbstbestimmung und Meinungsvielfalt des Volkes.
Wie in einem großen Chor, oder in der Mathematik, kann man nicht in die Unendlichkeit hinauskürzen von dem was real da ist. Die Fakultäten bleiben erhalten, die zur Lenkung in eine bestimmte Richtung vernachlässigt werden. Keiner möchte in seinem Recht zum Mitspielen dauerhaft beschnitten werden.
Hier möchte ich einen Bundesinnenminister, Otto Schily, zitieren:
„Wer Musikschulen schließt, schadet der inneren Sicherheit“.
Dennoch ist es ein gutes Medium, dem Einzelnen wieder die Möglichkeit der unabhängigen Mitbestimmung zu geben. Und dass dies ein neues Medium ist und auch die Bürger dies erst einüben und nicht nur als Ventil ihrer Unzufriedenheit benützen lernen müssen, liegt doch auf der Hand. Wie sind denn sie in den ersten Tagen ihrer ersten Mandatsperiode vorgegangen. Da haben sie doch auch erstmal ihre Vorstellungen und Möglichkeiten angleichen müssen an das Gegebene.
Sie sind sich doch ohne Zweifel von Zeit zu Zeit bewusst, dass auch sie eines nahen oder fernen Tages selbst wieder einfache Bürger sind, die ihre politische Überzeugung nur mehr durch Wahl an Wahltagen mit einer Stimme vollziehen können. In die Politik geht man ja gerade um mehr zu erreichen als nur wie eine Maschine eine 1 oder 0 hinter etwas Unausweichliches setzen zu dürfen.
Wir sind alle hier sind zum Lernen, Umdenken und Verbessern. Das ist unsere gottgegebene Aufgabe in der Welt.
Ich hoffe, mit diesen Gedanken ihre eigentliche Haltung nochmals mit Zuversicht und Vertrauen in ihre persönliche Aufgabe gestärkt zu haben.
Vielen Dank für ihr Verständnis,
Gottes Segen und herzlichen Gruß,
Silke Weber
Sehr geehrte Frau Weber,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 13.04.2005. Sie thematisieren dort die Veränderung der Volksgesetzgebung in Hamburg. Hierzu kann ich Ihnen folgendes mitteilen:
Durch Beschluss der Bürgerschaft vom 12. November 2004 hat die Bürgerschaft den Senat ersucht, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die folgenden Vorgaben berücksichtigt:
1. Bei der Durchführung von Volksbegehren wird die Eintragungsfrist um eine Woche verlängert.
2. Zur Eintragung bei Volksbegehren werden zum Schutz der Vertraulichkeit ausschließlich Einzelbogen anstelle von Eintragungslisten verwendet.
3. Eintragungen zur Unterstützung von Volksbegehren finden ausschließlich in den amtlichen Stellen statt.
4. Volksinitiatoren sind verpflichtet, die mit der Umsetzung voraussichtlich verbundenen Mehrausgaben nach Art und Höhe zu benennen und hierfür einen konkreten Deckungsvorschlag zu unterbreiten.
5. Allgemeine Wahlen und Volksentscheide werden zeitlich voneinander abgekoppelt.
6. Der Zugang zur Briefabstimmung soll erleichtert und ihre Durchführung vereinfacht werden. Volksentscheide sollen künftig nicht mehr in den bisherigen Abstimmungslokalen mit ehrenamtlichen Abstimmungsvorständen durchgeführt, sondern in bezirklichen Dienststellen durchgeführt werden.
Ziel dieses Beschlusses ist es, ein einfacheres und kostengünstigeres Volksabstimmungsverfahren in Hamburg einzuführen, das die Beteiligungsrechte der Bürger nicht einschränkt. Bislang gibt es bei der Durchführung von Volksentscheiden einen zwingenden Verweis auf das Wahlrecht zur Hamburgischen Bürgerschaft. Für einen Volksentscheid, der nicht zeitgleich mit einer allgemeinen Wahl durchgeführt werden kann, müssen bei der Durchführung eines Volksentscheides dieselben Vorkehrungen getroffen werden wie bei einer Bürgerschaftswahl. Demnach müssten ca. 1290 Wahllokale bereitgestellt, die Entschädigungen für ca. 11.000 Wahlhelfer gezahlt und Aushilfskräfte für die Bearbeitung der Briefabstimmungsanträge bereit gestellt werden.
Dem obigen Vorgaben-Katalog liegen folgende Überlegungen zu Grunde:
Zu 1. Bei der Durchführung von Volksbegehren wird die Eintragungsfrist um eine Woche verlängert. Bislang haben die Bürger die Möglichkeit, ein Volksbegehren innerhalb von 2 Wochen zu unterstützen. Dabei bleiben Unterschriftensammlungen zulässig. Das Quorum in Höhe von 10.000 Unterschriften bleibt unverändert. Wenn die Unterschriften künftig ausschließlich in öffentlichen Stellen geleistet werden können, empfiehlt sich die vorgeschlagene Verlängerung auf 3 Wochen als Kompensation.
Zu 2. Zur Eintragung bei Volksbegehren werden zum Schutz der Vertraulichkeit ausschließlich Einzelbogen anstelle von Eintragungslisten verwendet. Eintragungslisten werden durch einzelne Eintragungsformulare ersetzt werden. Eintragungslisten verhindern naturgemäß einen umfassenden Datenschutz, da Abstimmungsberechtigte bei der Eintragung erfahren, wer noch das Volksbegehren unterstützt hat. Zugleich bieten solche Eintragungsformulare die Möglichkeit, eine maschinelle Auswertung einzuführen.
Zu 3. Eintragungen zur Unterstützung von Volksbegehren finden ausschließlich in den amtlichen Stellen statt. Seit 2001 haben die Initiatoren bei der Durchführung des Volksbegehrens die Möglichkeit, neben den zuständigen Dienststellen selbst Unterschriften zu sammeln. Diese Erweiterung hat dazu geführt, dass 95 % aller Unterschriften nicht in amtlichen Stellen abgegeben worden sind. Artikel 50 der Hamburger Verfassung schreibt jedoch vor, dass das Volksbegehren vom Senat durchzuführen ist, um ein neutrales Verfahren zu gewährleisten. 9 von 16 Bundesländer schreiben ebenfalls vor, dass die Unterschriften ausschließlich in den amtlichen Stellen zu leisten sind. Auch das bisher erfolgreichste Hamburger Volksbegehren "Für ein neues Wahlrecht" (1998) mit 200.000 Eintragungen fand ausschließlich in den Ämtern statt! Wenn Bürger eine Initiative unterstützen wollen, tun sie dies unabhängig von der Frage, wo sie ihre Unterschrift leisten müssen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit der Briefeintragung, was bisher kaum Erwähnung fand: Rein theoretisch könnten die Initiatoren vor Ort diese Anträge verteilen und keiner müsste zu den Ämtern. Gegen die Sammlung durch Initiatoren spricht zudem, dass in der Vergangenheit häufig sozialer Druck auf die Stimmberechtigten ausgeübt wurde, zumal Stimmensammler pro Unterschrift bzw. Unterschriftsliste bezahlt wurden. Zum Teil wird behauptet, dass eine amtliche Mitteilung über Beginn des Begehrens per Brief an alle Haushalte mit den damit verbundenen Portokosten erfolgen müsste und die Sparvorgaben insoweit unrealistisch seien. Hierbei wird übersehen, dass die Benachrichtigung über Amtlichen Anzeiger, Zeitungen, Litfasssäulen etc. kostengünstig erfolgen kann.
Zu 4. Volksinitiatoren sind verpflichtet, die mit der Umsetzung voraussichtlich verbundenen Mehrausgaben nach Art und Höhe zu benennen und hierfür einen konkreten Deckungsvorschlag zu unterbreiten. Das geltende Recht sieht lediglich vor, dass Volksinitiativen einen Deckungsvorschlag enthalten sollen. In der Praxis haben sich die Initiativen nicht an diese Vorgabe gehalten, so dass es diesbezüglich einer Konkretisierung bedarf, um die Notwendigkeit eines Deckungsvorschlages zu verdeutlichen. Gerade in Anbetracht der derzeitigen Haushaltslage sollten die Initiatoren zusätzlich allen Abstimmungsberechtigten mitteilen, welche Kosten für den öffentlichen Haushalt mit der Umsetzung der Initiative verbunden sind. Bürger, die an einem Volksentscheid teilnehmen, müssen dann auch ihrer Gesamtverantwortung als "Quasi"-Gesetzgeber gerecht werden und auch die finanziellen Folgen ihres Handels berücksichtigen.
Zu 5. Allgemeine Wahlen und Volksentscheide werden zeitlich voneinander abgekoppelt. Volksentscheide sollen grundsätzliche von allgemeinen Wahlen abgekoppelt werden. Bislang sieht das Volksabstimmungsgesetz einen "zeitlichen Trichter" vor, so dass Volkentscheide, die eigentlich drei Monate vor bzw. bis zu einem Monat nach einer allgemeinen Wahl stattfinden würden, ebenfalls am Wahltag durchgeführt werden. Aufgrund der Vielzahl von Volksinitiativen soll eine Gleichbehandlung sämtlicher Initiativen erfolgen. Die Einführung eines solchen Koppelungsverbotes würde beide demokratischen Elemente – die Neubildung des Parlaments und den Volksentscheid - stärker zur Geltung bringen. Theoretisch hätte es am Tag der Europawahl in diesem Jahr zu drei weiteren Entscheiden kommen können (Kita, Wahlrecht und LBK), wodurch jede Initiative an Bedeutung und die allgemeinen Wahlen an Bedeutung verloren hätten. Art. 50 Hamburger Verfassung will lediglich verhindern, dass ein Entscheid kurz vor einer allgemeinen Wahl stattfindet. Durch dass neue Wahlrecht werden die ehrenamtlichen Helfer bis zu mehreren Tagen damit beschäftigt sein, die Stimmhefte auszuzählen, so dass eine weitere Belastung durch die Bearbeitung von Volksentscheiden nicht mehr zumutbar ist.
Zu 6. Der Zugang zur Briefabstimmung soll erleichtert und ihre Durchführung vereinfacht werden. Volksentscheide sollen künftig nicht mehr in den bisherigen Abstimmungslokalen mit ehrenamtlichen Abstimmungsvorständen durchgeführt, sondern in bezirklichen Dienststellen durchgeführt werden. Um die Briefwahl effizienter zu gestalten, könnte auf die Auszählung in Abstimmungslokalen mit ehrenamtlichen Abstimmungshelfern und Vorständen verzichtet werden. Die Abstimmungsunterlagen könnten dazu zusammen mit der ohnehin erforderlichen amtlichen Information über den Gegenstand des Volksentscheides allen Abstimmungsberechtigten zugesandt werden. Diese erhielten die Möglichkeit der Inanspruchnahme der portofreien Briefabstimmung. Damit würde das Antragsverfahren zur Briefabstimmung entfallen. Dieses vorgeschlagene Verfahren hat sich bei der Durchführung des Bürgerentscheides auf Bezirksebene bereits bewährt.
Im Ergebnis lässt sich feststellen:
* Die Volksgesetzgebung wird weder faktisch abgeschafft noch erschwert.
* Es bleibt bei der Dreistufigkeit (Initiative /Begehren /Entscheid).
* Im Ländervergleich hat Hamburg weiterhin die niedrigsten Quoren.
* Das neue Verfahren spart pro Volksentscheid ca. 0,58 Mio. Euro.
* Die Stimmberechtigten erhalten zusätzliche Informationen über die Kosten, die mit ihrer Entscheidung verbunden sind.
* Datenschutzrechtlichen Belangen wird verstärkt Rechnung getragen.
* Vereinfachtes Verfahren bei der Briefabstimmung.
Ich hoffe, Ihnen mit der ausführlichen Darlegung der Gründe für eine Änderung der Volksgesetzgebung weitergeholfen zu haben. Aus meiner Sicht werden wir auch nach der Gesetzesänderung eine lebhafte und erfolgreiche Volksgesetzgebung in Hamburg haben.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Ahlhaus MdHB
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