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Christine Buchholz
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Frage von Jonas G. •

Frage an Christine Buchholz von Jonas G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Buchholz,

aufgrund des Organspendeskandals interessiert mich, wie Sie und Ihre Partei die Systematik verbessern wollen oder was diesbezüglich bereits beschlossen wurde.
Ich möchte die Meinungen der einzelnen Parteien in einem Schulreferat zusammenstellen und würde mich daher über eine kurzfristige Antwort freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Jonas Gabi

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gabi,

bei der Organspende zeigen sich unter anderem die zynischen Folgen der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland. Privatversicherte werden bei der Vergabe von Spenderorganen bevorteilt. Gesetzlich Versicherte werden nicht nur später behandelt oder von Leistungen und Arzneimitteln am Ende des Quartals ausgeschlossen, sie warten auch länger auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Die Zwei-Klassen-Medizin ist ein Skandal und muss beendet werden. Wer Sicherheit und Transparenz bei der Organtransplantation will, muss bereit sein, umfängliche Reformen einzuleiten. Durch das ganze Gesundheitssystem zieht sich das Muster: Geld findet seinen Weg. Solange es lukrativer ist, Privatversicherte zu behandeln, werden sie von Ärzten und Krankenhäusern bevorteilt werden. DIE LINKE fordert die Abschaffung der privaten Krankenversicherung und will stattdessen eine solidarische Krankenversicherung für alle.

DIE LINKE im Bundestag hat gefordert, dass die Sitzung des Gesundheitsausschusses zum Organspende-Skandal am 14.09.2012 öffentlich stattfinden soll. Es muss offen darüber gesprochen werden, wie das System besser - gerade auch öffentlich - kontrolliert werden kann. Hätte es solche Kontrollen bereits gegeben, dann hätte man schon viel früher bemerkt, dass die Zahlen aus Regensburg und Göttingen seltsam sind und bei besseren, effektiveren Kontrollen müssten die Ärzte befürchten, dass korruptes Handeln auffliegt. Dann wäre die Hürde weit höher, sich dies zu trauen.
Derzeit haben wir es aber mit einem geschlossenen System zu tun. Zwei privatrechtliche Stiftungen und die Bundesärztekammer als nicht eingetragener Verein und ohne eigene Rechtsfähigkeit kontrollieren sich dabei gegenseitig. Sogar die Prüfberichte der Kontrollgremien sind nicht öffentlich. In einem solchen System ist Missbrauch sehr gut vorstellbar, wenn nicht sogar vorprogrammiert. Dieses System muss auf den Prüfstand und durch ein sicheres ersetzt werden.

Statt die Verbindlichkeit zu erhöhen und Kontrolle zu schaffen, hat die Bundesregierung die Rechte der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) im Gesetz gestärkt und ihre Kompetenzen erweitert. Die DSO ist als Stiftung des Privatrechts nur bedingt geeignet, als Koordinierungsstelle für Organtransplantationen zu fungieren. Auch interne Vorkommnisse innerhalb der DSO, über die die Presse berichtete, tragen nicht zum Vertrauen bei. DIE LINKE fordert, die Koordinierungsstelle stattdessen als öffentliche Behörde zu organisieren, die dann verbindliche Verfahrensanweisungen erlassen kann (z. B. durch Dienstanweisungen).

Die organisatorisch zentralen Fragen der Organzuteilung, wie die Kriterien der Wartelisten und die praktische Verteilung der Organe, bei denen es aufgrund der Mangelsituation um Fragen über Leben und Tod geht, hat die Bundesregierung nicht befriedigend gelöst. So liegt die Richtlinienkompetenz für die Organzuteilung bei der Bundesärztekammer - also einem nicht eingetragenen Verein, der nicht gesellschaftlich legitimiert und kontrolliert ist. Die Verteilung von Organen ist an eine im Ausland sitzende Stiftung (Eurotransplant International Foundation) abgetreten, die nicht dem deutschen Recht unterliegt. Die Bundesregierung stellt mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes keine Transparenz her. Weder die Richtlinien über die Zuteilung noch die Vergabekriterien werden transparenter gestaltet. DIE LINKE fordert verbindliche und transparente, dem wissenschaftlichen Stand entsprechende Richtlinien über die Zuteilungskriterien von Organen, Geweben und Gewebezubereitungen.

Auch hinsichtlich der Hirntoddiagnostik schafft die Bundesregierung keine weitergehende Klarheit und Transparenz. Neuerliche Zweifel, dass der für die Organspende ausschlaggebende Hirntod wirklich der "richtige" Tod sei, werden nicht berücksichtigt. Anders als in anderen Ländern sind in der Bundesrepublik Deutschland keine ausreichenden und dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden ethischen Kriterien für die Organentnahme bei Hirntod definiert.

Die EU-Richtlinie 2010/53 fordert geeignete Regelungen zur Optimierung von Ischämiezeiten und zur Einschränkung von Organschäden. Die Bundesregierung hat lediglich geregelt, dass der Transport von Organen unter der Beachtung einer Verfahrensanweisung der Koordinierungsstelle erfolgen soll. Statt einer Verfahrensanweisung sind Verordnungen der richtige Weg, um Verbindlichkeit für Dritte herzustellen. Die Bundesregierung hat es versäumt, die Anforderung an den Transport von Organen im Gesetzentwurf dem Stand der medizinischen Forschung anzupassen. So werden neue medizinische Erkenntnisse, nach denen es zur Erhöhung des Transplantationserfolges zielführend ist, Organe nicht in Behältern aufzubewahren, sondern sie während des Transports mit Blut zu perforieren, nicht berücksichtigt.

Die Bundesregierung tritt den Befürchtungen vieler Menschen nicht entgegen, sie könnten als potenzielle Organspenderin oder Organspender im Notfall nicht alle medizinisch notwendigen Leistungen erhalten, bzw. dass trotz anderslautender Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt werden, bis ein günstiger Zeitpunkt zur Organentnahme eingetreten ist. Eine eindeutige rechtliche Klärung zum Verhältnis von Organspendeerklärung und Patientenverfügung nimmt sie leider nicht vor.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Buchholz, MdB