Frage an Christina Kampmann von Britta J. bezüglich Jugend
Liebe Christina Kampmann,
ein Lehrer aus dem Kreis Neuwied, der mehrfach Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte, wurde im Dezember 2013 vom OLG Koblenz freigesprochen, weil es eine Gesetzeslücke gab. Er hatte in der KLasse "nur" als Vertretungslehrer gearbeitet und deshalb wurden vom Gericht Zweifel daran angeführt, ob ein "Obhutsverhältnis" besteht.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hatte angekündigt sich dafür einzuseten, dass diese Gesetzeslücke geschlossen wird und künftig jeder Lehrer bestraft wird, der Sex mit einer Schülerin hat, unabhängig davon, ob er regelmäßig (als Klassen- oder Fachlehrer) oder nur vertretungsweise in der Klasse eingesetzt war.
Da ich selber Lehrerin bin, halte ich es für dringend notwendig und geboten, Schülerinnen und Schüler vor Übergriffen und sexuellem Missbrauch durch Lehrer und Leherinnen zu schützen. Das Obhutsverhältnis gilt m.E, generell, denn der Lehrer hat eine Garantenstellung und darf keine sexuellen Beziehungen zu Schutzbefohlenen eingehen.
Schüler müssen als junge Menschen und als Abhängige in einem Erziehungsverhältnis in Schulen vor Übergriffen geschützt werden. Nicht nur der Klassenlehrer oder der Fachlehrer, sondern auch jeder Lehrer der Schule darf keine sexuellen Übergriffe begehen und keine sexuellen Beziehungen zu Schülern eingehen.
Was tut die Große Koalition und was können Sie als Abgeordnete tun, um diesen Schutz von Schülern vor Übergriffen durch Lehrer sicherzustellen und die Gesetzeslücke zu schließen? Ist eine Änderung des StGB geplant (§174)?
Viele Grüße aus Steinhagen
Britta Jünemann
Sehr geehrte Frau Jünemann,
ich komme erst jetzt dazu, zu Ihrer Anfrage von Ende Februar Stellung zu nehmen, da es sich um einen Sachverhalt handelt, der juristisch nicht einfach zu fassen ist.
Die juristische Einordnung des sexuellen Missbrauchs innerhalb eines Obhutsverhältnisses in Bezug auf Vertretungslehrer hat bereits die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern im Herbst 2012 beschäftigt. Hintergrund war auch die durch die Rechtsprechung zum von Ihnen angeführten Fall aus Rheinland-Pfalz. Die von den Justizministern vorgeschlagene Änderung des § 174 StGB wird im Augenblick weiter fachlich in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags beraten. Dabei muss u.a. beachtet werden, dass das Sexualstrafrecht die sexuelle Selbstbestimmung schützen will. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen nach Vollendung des 14. Lebensjahres grundsätzlich die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung besitzen. Er geht weiter davon aus, dass es in gewissen Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnissen Jugendlichen besonders schwerfällt, dem Ansinnen der Autoritätsperson entgegenzutreten. Wenn durch die vorgesehene Gesetzesänderung bei Vornahme sexueller Handlungen innerhalb von Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnissen Missbrauch unterstellt wird, dann müssen an die Qualität des Verhältnisses bestimmte Anforderungen gestellt werden können. Ob die vorgeschlagene Änderung dem auch im Hinblick auf Situationen genügen wird, wie Sie sie angesprochen haben, hoffe ich sehr.
Als erfahrene Pädagogin wissen Sie bestimmt, dass die strafrechtliche Bearbeitung des sexuellen Missbrauchs allein nicht reicht. Gerade in Erziehungseinrichtungen kommt es auch darauf an, ein offenes tolerantes Klima zu schaffen, in dem so viel Vertrauen herrscht, dass auch bei sich anbahnenden Übergriffen Ansprechpartner und –partnerinnen zur Verfügung stehen, die vorbeugend intervenieren können.
Mit freundlichen Grüßen
Christina Kampmann, MdB