Was tun Sie für die gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland im Bezug auf Endometriose?
Sehr geehrte Frau H., bei mir wurde vor 1 Jahr nach 19 Jahren ohne Diagnose die Erkrankung Endometriose festgestellt. Bei dieser chronischen Erkrankung wächst gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter. Die Folgen der Erkrankung reichen von starken
Unterleibsschmerzen bis hin zur Sterilität. Trotz allem ist die Ursache der Erkrankung ungeklärt und die Behandlung konzentriert sich ausschließlich auf die Behandlung der Symptome.
Obwohl zwei Millionen Frauen bundesweit von der Erkrankung betroffen sind, wird auf der Bundesebene zu wenig getan, um die Betroffenen zu unterstützen und die Forschung in diesem Bereich zu fördern. So dauert es beispielsweise im Schnitt zwischen sechs und zehn Jahren, bis die Erkrankung korrekt diagnostiziert wird.
Den Forderungskatalog der Endometriose Vereinigung Deutschland e.V. finden Sie hier: https://www.endometriose-vereinigung.de/files/endometriose/ueber%20uns/Endo%20Politisch/Forderungskatalog%20zur%20BTW%202021.pdf
Sehr geehrte Frau A.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und das damit verbundene Engagement. Endometriose bedeutet für viele Frauen in unserem Land, dass sie maßgeblich in ihrem Alltag eingeschränkt werden. Trotz sehr hoher Betroffenenzahlen und etwa 30.000 Neuerkrankungen jährlich wird die Endometriose in der Öffentlichkeit und auch von Fachleuten immer noch zu wenig beachtet. Daher begrüße ich die Entstehung von Kompetenzzentren, wie bspw. das Universitäts-Endometriosezentrum Franken, die den Frauen als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Aber das reicht natürlich nicht aus.
Wie jede*r von uns die eigene Gesundheit, Krankheit und Lebensplanung erlebt, hängt maßgeblich mit dem Geschlecht – das heißt mit Geschlechterrollen, damit zusammenhängenden Rollenerwartungen und geschlechtsspezifischen Eigenschaften – zusammen. Diese Aspekte werden im deutschen Gesundheitssystem bisher zu wenig berücksichtigt. Fehlt im Gesundheitssystem und in der Gesundheitspolitik der Blick auf das biologische und soziale Geschlecht, kommt unter dem Strich eine Gesundheitsversorgung heraus, die vielen von uns nicht gerecht wird. Solange hauptsächlich Männer im Gesundheitssystem Entscheidungen treffen und ein männlicher Körper in der Gesundheitsforschung, -lehre und -versorgung als Norm gilt, kommen Frauen – aber nicht nur sie – in jeder Hinsicht zu kurz.
Die Erfahrungen, Interessen, Bedürfnisse, Stimmen, Expertise und Entscheidungskompetenzen vieler Menschen werden systematisch ausgeblendet dadurch, dass sie nicht mitbestimmen und auf sie in der Gesundheitsgesetzgebung, -versorgung, -forschung und -förderung gar nicht oder nur unzureichend Bezug genommen wird. Dies
betrifft besonders Mädchen und Frauen. Aus geschlechtsvergleichender und aus geschlechtsspezifischer Perspektive bietet ihnen das deutsche Gesundheitssystem und die ihm zugrunde liegende Gesetzgebung noch keine Basis dafür, den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes „am eigenen Körper“ zu erleben.
Auf Bundesebene haben meine Kollegen*innen erst im März diesen Jahres einen entsprechenden Antrag (DS 19/27882) gestellt, um die Frauengesundheit in Deutschland zu stärken. Nur so können wir endlich die Grundlage schaffen, um die Erforschung und Behandlung geschlechtsspezifischer Krankheiten wie der Endometriose entsprechend zu fördern und damit betroffene Frauen, wie Sie, gebührend zu unterstützen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Herzliche Grüße
Christina Haubrich