Frage an Christiane Blömeke von Klaus-Peter S. bezüglich Innere Sicherheit
Hallo Frau Blömeke,
der SPD- Senat will ein geschlossenes Heim für minderjährige Intensivtäter bauen lassen. Bisherige Konzepte für einen Teil der strafunmündigen Kinder gelten als gescheitert !
Sie persönlich habe ich bisher öffentlich immer als vehemente Gegnerin der geschlossenen Unterbringung wahrgenommen ! Gibt es diesbezüglich auch bei Ihnen ein Umdenken? Wird die GAL als potentieller Koalitionspartner der SPD dieses Projekt mit durchziehen ? Sehen Sie eine ausreichende Schnittmenge, oder kann Olaf Scholz dieses Vorhaben " vergessen " ?
Gruß
K.-P. S.
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. An meiner Haltung zur Geschlossenen Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe hat sich nichts geändert: ich lehne dieses Konzept nach wie vor ab.
Auf die Frage, was richtig oder falsch ist im Umgang mit straffälligen und verhaltensauffälligen Jugendlichen, gibt es keine einfachen Antworten. Und ich möchte auch nichts beschönigen – viele dieser Kinder und Jugendlichen begehen schwere Straftaten und die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf Schutz und Sicherheit. Als jugendpolitische Sprecherin der Grünen beschäftige ich mich jetzt seit 10 Jahren mit diesem Thema. Und ich bin dabei zu der Überzeugung gelangt, dass diese geschlossenen Heime nicht das halten, was sie versprechen. Sie garantieren weder die Sicherheit für die Bevölkerung, noch gelingt es in diesen Heimen, das Verhalten der Jugendlichen dauerhaft zu verändern und eine andere Lebensperspektive jenseits krimineller Milieus zu entwickeln. Studien belegen, dass die Jugendlichen aus geschlossenen Heimen genauso häufig weglaufen wie aus offenen Wohngruppen. 18 der insgesamt 25 Jugendlichen, die zwischen 2003 und 2008 in der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße in Hamburg betreut wurden, sind während der Betreuung entwichen. Einige von ihnen sogar mehrfach. Darüber sprechen die Befürworter der Geschlossenen Heime aber meistens nicht. Die wenigsten Jugendlichen konnten unter diesen Bedingungen positive Alternativen zu ihrem bisherigen Leben erlernen. Im Gegenteil: die Jugendlichen reagieren gerade auf die Geschlossene Unterbringung mit Auflehnung und Widerstand, vor allem aber mit Scheinanpassung. Viele Jugendliche lernen, sich für Punkte und Privilegien zu verstellen und „das Spiel der Erwachsenen mitzuspielen“ – der Nutzen und der Sinn von Normen und Regeln für ihr eigenes weiteres Leben bleiben oft unklar. Diese Form der Anpassung wird dann als Erfolg gewertet, auf längere Sicht fallen die Jugendlichen in alte – negative – Verhaltensmuster zurück. Der Gesellschaft ist damit nicht geholfen. Auch führende Kriminologen wie zum Beispiel Prof. Pfeiffer aus Niedersachen sagen, dass diese geschlossenen Heime ein hohes Risiko bergen und wenig erfolgreich sind. Das Risiko liegt in der Konzentration der „Schwierigsten“ in einer Einrichtung. Die Jugendlichen beeinflussen sich gegenseitig negativ, stacheln sich gegenseitig zu weiteren Taten an und erleben kaum positive Rollenvorbilder. Kriminelle Karrieren werden durch solche Einrichtungen eher verstärkt als verhindert. Wir kennen diese Effekte z.T. aus dem Erwachsenenstrafvollzug.
Ganz wichtig ist uns Grünen eine schnelle und konsequente Intervention, wenn Kinder und Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten. Aber es gibt unseres Erachtens bessere Modelle als geschlossene Heime. Notwendig ist immer eine maßgeschneiderte Intervention - denn jede/r Jugendliche ist anders, es hilft nichts, alle in ein Betreuungskonzept mit dem gleichen Tagesablauf zu stecken. Genauso wichtig ist ein hohes Maß an Verbindlichkeit bei der Umsetzung der Betreuung. Mit „Kuschelpädagogik“ – wie uns manchmal vorgeworfen wird - hat das alles nichts zu tun. Das ist eine sehr harte Arbeit, für die erfahrene und gut ausgebildete Sozialarbeiter und manchmal auch Psychologen/Psychiater gebraucht werden. Diese Fachkräfte gibt es und sie sind auch bereit, diese Aufgaben zu übernehmen. Die Betreuung kann in Wohngruppen mit mehreren Betreuern stattfinden, aber auch in Form von intensiven Einzeltrainings, wo die Jugendlichen herausgefordert und mit ihrem Fehlverhalten gezielt konfrontiert werden. Die Pädagogen sind dabei rund um die Uhr an der Seite der Kinder und Jugendlichen, so dass eine enge Führung der Jugendlichen immer gewährleistet ist. Diese Ansätze sind personalintensiv und auch nicht günstig – aber Fachleute, zum Beispiel vom Diakonischen Werk Hamburg oder vom Rauhen Haus versichern uns, dass so mehr Veränderung bei den Kindern und Jugendlichen erreicht wird als in den Heimen. Das Scheitern der Feuerbergstraße und der Haasenburg-Heime in Brandenburg bestärkt mich in meiner Auffassung, dass es Zeit ist, andere Wege im Umgang mit diesen Minderjährigen zu beschreiten. Das es anders geht, zeigen auch die letzten Monate: seitdem die Brandenburger Heime nicht mehr belegt werden, wurde kein Jugendliche aus Hamburg mehr in einer solchen Einrichtung untergebracht. In Hamburg kümmert sich zudem ein Verbund freier Jugendhilfeträger um passgenaue Hilfen und Maßnahmen für diese Zielgruppe. Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv. Ich hoffe, dass ich Ihnen darlegen konnte, warum ich mich gegen eine geschlossene Unterbringung ausspreche. Ich würde gerne weiterhin an alternativen Konzepten für diese Kinder und Jugendlichen arbeiten. Da es sich durchschnittlich um nicht mehr als 5 - 10 Jugendliche im Jahr handelt, die in jungen Jahren schon als Intensivtäter eingestuft werden, muss es einer Stadt wie Hamburg gelingen für diese Jugendlichen individuelle und passgenaue Hilfen zu finden. Ich möchte noch einmal anmerken, dass es sich bei den Maßnahmen - auch bei dem geschlossenen Heim - um eine Hilfe zur Erziehung und nicht um eine Strafe handelt. Strafen und Einschließen ist Aufgabe der Justiz- nicht der Jugendhilfe. Diese Position werden wir auch in möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD vertreten. Am Ende wird es das Verhandlungsergebnis zeigen, wer sich mit welcher Position zu welchem Thema durchgesetzt hat.
Herzliche Grüße
Christiane Blömeke