Frage an Christiane Blömeke von Christian G. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Blömeke,
ich habe Ihre Äußerungen zur Kita-Gebührenerhöhung aufmerksam verfolgt. Aber irgendwie bekomme Ihre Worte nicht ganz mit den getroffenen Entscheidungen zusammen. Vielleicht können Sie mir hier noch mal helfen, diese Diskrepanz zu begreifen.
Ausgangslage:
Die Grünen stehen für mich bisher als eine Partei dar, die ein progressives-urbanes Familienbild vertritt. Im Koalitionsvertrag steht als Ziel eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie & Beruf. Sie persönlich betonen im Interview mit Hamburg 1, dass die Kitabetreuung „Priorität des Senates“ und „uns ganz wichtig“ ist. Da die jetzige Koalition durch den Vorgänger-Senat bereits eine Kita-Unterversorgung ‚geerbt‘ hat besteht schon seit Begin der Legislaturperiode Handlungsbedarf.
Folgen der Erhöhung der Kita-Gebühren:
Sie vollziehen eine bildungs-, familien- und sozial-politische Rolle Rückwärts. Die Zahlenspiele in Ihrer Kommunikation gehen an der Realität vorbei. Egal, ob ein paar Euro mehr für die alleinerziehende Geringverdienerin oder knapp 200 Euro mehr für das berufstätige Paar mit 2 Kindern: Ihre Politik bringt nicht nur wie notwendig und beabsichtigt mehr Plätze, sondern auch Kinder aus der Kita und Frauen aus ihrem Job heraus! Der Hinweis in einer Ihrer Antworten auf dieser Plattform, dass diese schwarz-grüne Politik erst die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit erst ermöglicht empfinde ich als anmaßend und tatsachenverdrehend.
Fragen:
- Wie kommt es zu dieser Abkehr von eigentlich grünen Positionen?
- Können Sie mir irgendwie noch ein sicheres Gefühl vermitteln, dass Sie und ihre Partei nicht noch das Betreuungsgeld unterstützen? Oder wegen der Haushaltslage den vermeintlich günstigen Atomstrom favorisieren?
- Und mal ehrlich: Wollen Sie nicht auch mit der Gebührenerhöhung die Nachfrage ‚drosseln‘, da die beschlossenen Mittel nicht ausreichen werden, um dem tatsächlichen Bedarf begegnen zu können?
Mit freundlichen Grüßen und etwas Rest-Hoffnung,
Christian Geißler
Sehr geehrter Herr Geißler,
Ihr Vorwurf, wir verfolgten mit der Gebührenerhöhung die Absicht, die Nachfrage zu drosseln, ist absurd. Im Gegenteil: wir werden den Ausbau der Kinderbetreuung fortsetzen. Noch einmal zur Verdeutlichung: Bis zum Jahr 2012 sollen rund 40 Prozent mehr Krippenplätze und 20 Prozent mehr Hortplätze entstehen. Gleichzeitig sichern wir trotz dramatischer Haushaltssituation die Betreuungsstandards in den Einrichtungen. Mit den Verbänden für Kindertagesbetreuung sind gerade höhere Entgelte für eine bessere Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern und mehr Sachmittel für die Kitas vereinbart worden. Dafür wird der Senat allein in diesem Jahr zusätzlich 10 Millionen Euro investieren. An der Kinderbetreuung wird nicht gespart! Was wir aufgrund der massiven Steuerausfälle machen, ist etwas anderes: Wir beteiligen die Eltern etwas stärker als bisher an diesem Ausbau. Aber auch dabei trägt die Stadt im Durchschnitt 80% der Kosten. Die Aufwendungen für die Kitas werden von derzeit 450 Millionen Euro auf rund 520 Millionen bis zum Jahr 2012 ansteigen. Wäre es Ihnen lieber gewesen, wir hätten in diese schwierigen Haushaltslage die Gruppen vergrößert oder die Sprachförderung komplett gestrichen oder möchten Sie, dass keine Gutscheine mehr für Eltern ausgestellt und die Rechtsansprüche auf die bundesweit üblichen Umfänge abgesenkt werden? Dann sagen Sie das auch so den Eltern, die in den kommenden Jahren auf diese Betreuungsplätze angewiesen sind.
Genauso absurd ist allerdings auch Ihre Frage, ob wir mit dem Geld der Gebührenerhöhung das Betreuungsgeld finanzieren wollen. Bei einer derartigen Frage muss ich mich etwas zur Sachlichkeit zwingen. Wie Sie vielleicht verfolgt haben, hat u.a auch die Grüne Bundestagspartei das Betreuungsgeld (das ja auch eine Bundesmaßnahme ist) massiv kritisiert. Dem kann ich mich nur anschließen. Ich halte in diesem Zusammenhang übrigens auch die pauschale Erhöhung des Kindergeldes für wenig zielführend. Sinnvoll wäre es aus meiner Sicht gewesen diese Millionen, die hier an die Eltern verschenkt werden in den Ausbau der Kindertagesbetreuung der Länder zu stecken um so die Qualität und Quantität weiter auszubauen und in der Folge dann auch zu einer Ausweitung von beitragsfreien Jahren zu kommen. Alleine werden die Länder das - ohne massive Verschuldung- nicht hinbekommen. Und wo wir gerade bei der Bundespolitik sind. Ich würde Ihnen gerne mal in kurzen Sätzen das grüne bundespolitische Modell einer zukunftsweisenden Kinderbetreuung vorstellen, das langfristig einen kostenfreien KITA Platz ab dem 1. Lebensjahr vorsieht und auf folgenden Eckpunkten basiert:
- Wir sehen den Bund in der Mitverantwortung beim Aufbau eines entsprechenden Betreuungsangebotes und schlagen dafür die Einführung einer Kinderbetreuungskarte vor. Diese erhalten Eltern als Gutschein vom Bund zur Inanspruchnahme von Tagesbetreuung.
- Hinter der Kinderbetreuungskarte steht ein Geldleistungsgesetz - der Gutschein soll durch die Umwandlung des Ehegattensplittings in eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Höchstbetrag von 10.000 Euro gegenfinanziert werden.
- Die daraus resultierenden Mehreinnahmen des Bundes von ca. 2,13 Mrd. Euro könnten vollständig in die Finanzierung der Kinderbetreuungskarte fließen.
- Hamburg entstünden durch die Abschmelzung des Ehegattensplittings steuerliche Mehreinnahmen von rund 100 Mio. Euro, die in die Finanzierung des Hamburger Kinderbetreuungsangebotes fließen könnten.
Dieses Finanzierungsmodell fand bislang im Bundestag keine Mehrheit.
In diesem Sinne hoffe ich Ihre Frage, die ich in weiten Teilen leider als
sehr unsachlich empfand, beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Blömeke