Frage an Christian von Stetten von Benjamin B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Täglich sterben 24.000 Menschen an Unterernährung, jährlich sterben 11.000.000 Kinder an den Folgen von vermeidbaren Krankheiten, 860.000.000 Menschen können nicht lesen und schreiben und 1.000.000.000 Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. (Quelle: www.deine-stimme-gegen-armut.de)
Nach einer seit mehr als drei Jahrzehnten bestehenden Vereinbarung sollen die Industriestaaten 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens zur Unterstützung der Entwicklungsländer bereitstellen um diese Missstände zu beseitigen. Dieses Ziel wurde auf der Konferenz von Monterrey zur Entwicklungsfinanzierung 2002 von den Staats- und Regierungschefs bekräftigt.
Die Deutschen Ausgaben für Entwicklungshilfe lagen im Jahr 2003 bei 0,28% des Bruttonationaleinkommens. Deutschland wird eine Steigerung seiner Ausgaben für Entwicklungshilfe mit großer Wahrscheinlichkeit nur über einen „Rechentrick“, die Einberechnung eines Schuldenerlasses für den Irak, schaffen können.
Meine Frage an sie Herr Christian von Stetten:
Wie dringend sehen sie die Notwendigkeit auf die erschreckenden oben genannten Zahlen zu reagieren? Wie wollen sie dazu beitragen, dass das riesengroße Problem der weltweiten Armut ins Bewusstsein der Bevölkerung und der politischen Verantwortungsträger gerät? Wollen und werden sie innerparteilich und überparteilich aktiv werden um eine Erhöhung der deutschen Entwicklungshilfeausgaben zu erreichen?
Sehr geehrter Herr Bauer,
gut, dass Sie mit Ihrer Fragen auf die Problematik im Bereich der Entwicklungspolitik hinweisen.
Die rot-grüne Bundesregierung sonnt sich im Erfolg angeblich höherer Leistungen für die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA). Sie gibt vor, sich mit der Unterschrift unter den EU-Zeitplan zur Erreichung des Ziels verpflichtet zu haben, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungshilfe bereitzustellen. Die SPD-Bundestagsfraktion schreibt voreilig: "Dadurch stehen im Jahre 2006 erstmals wieder 0,33 Prozent, 2010 bereits 0,51 Prozent, und 2015 schließlich 0,7 Prozent des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung." Um neue Mittel zu mobilisieren, werden Finanzierungsinstrumente wie die Tobin- oder Kerosin-Steuer versprochen.
Die tatsächliche Bilanz von Rot-Grün sieht allerdings verheerend aus. Es zeigt sich nämlich, dass Versprechungen als bereits erzielte Erfolge dargestellt werden. Die Regierung hat keinen Haushaltsentwurf für 2006 verabschiedet. In dem vom Kabinett nur zur Kenntnis genommenen - aber nicht beschlossenen - Haushaltsplan, sind Steigerungen des Entwicklungsetats lediglich in der Umsetzung der Tsunamihilfe begründet. Die Bundesregierung hat ihre Zustimmung zum EU-Stufenplan unter Finanzierungsvorbehalt gestellt, weil sie nicht weiß, wie sie ihre Versprechungen halten soll! Also wie gehabt, schöne Schlagzeile und dahinter gähnende Leere.
Alternative Modelle zur Entwicklungsfinanzierung, wie Tobin-, Kerosin-, oder Ticketsteuermodelle sind gegenwärtig auf europäischer und auf internationaler Ebene nicht durchsetzbar.
In den letzten sechs Jahren der von der Union geführten Entwicklungspolitik (1992 - ´98) lag der Anteil der ODA am BNE im Durchschnitt bei 0,31 Prozent, während Rot-Grün den Schnitt auf 0,27 Prozent gedrückt hat. Heute liegt der BMZ-Haushalt unter dem Niveau von 1998. Zudem kann das BMZ die ODA-Quote nur hoch halten, weil darin - wie Sie ja auch bereits selber festgestellt haben - überproportional Entschuldungsmaßnahmen eingehen.
Wir werden versuchen nach dem 18. September 2005 unter einer unionsgeführten Regierung die Voraussetzungen für die Entwicklungshilfefinanzierung wieder zu verbessern. Auch wir verpflichten uns, dass 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen, sagen aber ehrlich, dass wir es von der Konsolidierung des durch Rot-Grün ruinierten Haushalts abhängig machen müssen. Wir müssen zunächst darauf achten, dass die verfügbaren Mittel intelligenter eingesetzt werden. Durch eine bessere Koordinierung werden wir außerdem vermeiden, dass Mittel verpuffen. Für die Einhaltung des 0,33-Prozent-Ziels bis 2006 haben wir einen konkreten Finanzierungsvorschlag gemacht. Wir wollen die Hebelwirkung von Haushaltsmitteln durch intelligenteren Einsatz von Zuschüssen (Zinssubventionen, Verbundfinanzierung) erhöhen, Rückflüsse aus Entwicklungskrediten der Entwicklungspolitik zur Verfügung stellen und die Untersuchung innovativer Finanzierungsinstrumente fortsetzen.
Bei den vergangenen G 8 Gipfeln stand vor allem die Bereitstellung von mehr Geld für unterschiedliche Themen der Entwicklungspolitik im Vordergrund der Beratungen und Beschlüsse. Die G 8 dürfen aber nicht bei der Bereitstellung von mehr Geld stehen bleiben. Geld allein, so die Erkenntnis fortschrittlicher Entwicklungsexperten und Entwicklungspolitiker, wird die Probleme nicht lösen, sondern möglicherweise sogar verschärfen.
Moderne Entwicklungspolitik erfordert die Erhöhung der Wirksamkeit und damit eine Reform der nationalen und internationalen Entwicklungspolitik. Entscheidend für Entwicklung ist gute Regierungsführung und Eigenverantwortung. Dies gilt auch für eine effektive Aids-Bekämpfung. Daher ist ein Bonus für gute Regierungsführung und eine Konzentration auf die, teilweise von Rot-Grün vernachlässigten Schlüsselsektoren, wie Aufbau von Staat und Verwaltung, Bildung und Ausbildung, ländliche Entwicklung, Schutz der natürlichen Ressourcen und Infrastrukturentwicklung ebenso notwendig, wie der Aufbau einer funktionierenden Privatwirtschaft und die Eröffnung des Zugangs zu Kapital auch für arme Bevölkerungsschichten. Dafür wird sich die CDU/CSU mit aller Kraft einsetzen.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Deutschland als Mitglied der Europäischen Union trägt, ebenso wie die weiteren Mitgliedsstaaten, auch Verantwortung für Armutsbekämpfung, sozialen Ausgleich und Friedenssicherung in der Welt. Die Folgen der sich verschärfenden Entwicklungsprobleme in Asien, Afrika und Lateinamerika gefährden auch Frieden und Wohlstand bei uns in Deutschland und Europa. Eines der wichtigsten Instrumente für die Stabilisierung von Krisenregionen ist die Entwicklungszusammenarbeit und die Schaffung fairer Marktzugangsbedingungen für die Entwicklungsländer, besonders der am wenigsten entwickelten Regionen. Die Migrationsströme in Richtung Europa werden erst dann kleiner werden, wenn die Menschen eine Zukunftsperspektive im eigenen Land bekommen. Diese Perspektive muss auch das Ziel einer nachhaltig angelegten Entwicklungspolitik sein.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Frhr. von Stetten, MdB