Frage an Christian Oberthür von Johannes T. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Oberthür,
als Vorsitzender des Vereins zur Förderung aufsuchender kirchlicher Jugendarbeit in Papenburg e.V. erlebe ich, wie der Landkreis Emsland relativ restriktiv und bürokratisch Anträge auf Nachhilfeunterricht im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets behandelt. Zwei Beispiele: 1.Anträge werden nicht für den Termin der Antragstellung bewilligt, sondern erst ab Termin der Bewilligung (für Schüler, die Nachhilfe brauchen vergeht so unnötig viel Zeit - unser Verein, der unbürokratisch Schüler-Nachhilfe fördert, hat dadurch erhebliche finanzielle Nachteile). 2. Anträge von Hartz-IV-Empfängern werden nur bis zum Ende des Hartz-IV-Bewilligungszeitraums bewilligt. Dann ist ein Folgeantrag notwendig, bei dem erneut eine komplette Begründung der Schule verlangt wird. Das verursacht Unterbrechungen und ruft großen Unmut bei Eltern und Lehrern hervor.
Im Juni 2012 hat der Bund der Steuerzahler erklärt, dass der Landkreis Emsland einen großen Teil der Zuweisungen des Bundes für das Bildungs- und Teilhabepaket nicht den Betroffenen ausgezahlt hat, sondern im allgemeinen Haushalt verbraucht hat.
Wie kann aus Ihrer Sicht diese unsoziale Praxis abgestellt werden?
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Treblin
Sehr geehrter Herr Treblin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mich über die konkreten Missstände der Umsetzungspraxis des sogenannten Bildungs- und Teilhabepaketes in Papenburg informiert hat. Als Kandidat für den niedersächsischen Landtag könnte ich mir die Beantwortung dieser Frage mit dem Hinweis leicht machen, dass das Bildungspaket bundesrechtlicher Gesetzgebung unterliegt und die Umsetzung den Kommunen obliegt. Dafür ist allerdings das Thema viel zu wichtig. Als Partei DIE LINKE teilen wir Ihre Empörung über die Bürokratie, die den Leistungsberechtigten die Hilfe teilweise vorenthält und somit dem Gesetzesziel widerspricht. Außerdem lehnen wir generell die bürokratische Mühle des Antragsweges ab, der einen beträchtlichen Teil der Steuergelder schluckt, die den sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen zukommen sollte.
Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ja bekanntlich eine Folge des sogenannten Hartz-IV-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 09. Februar 2010. Darin hatten die Richter mit nichts Minderem als den Verweisen auf die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot (Artikel 1 und 20 Grundgesetz) insbesondere Kinderregelsätze angemahnt, die den wirklichen Bedürfnissen der Kinder entsprechen. Nach unserer Auffassung ist der Gesetzgeber diesem Auftrag mit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes überhaupt nicht gerecht geworden. Begründet wurde die konkrete Regelung damit, dass das zusätzliche Geld nicht bei den Kindern ankommen würde, wenn man es über die Kinderregelsatzerhöhung den Eltern zur Hand gibt. Für mich ist das eine unerträgliche Pauschalverurteilung. Meine Erfahrungen sind andere. Ich erlebe, dass Eltern selbst auf den Kauf von Kleidung und anderen Dingen verzichten, damit sie ihren Kindern etwas mehr anbieten können. Manche sparen sich die kleinen Wünsche ihrer Kinder sprichwörtlich vom Munde ab. Natürlich weiß ich, dass es auch Eltern gibt, die ihre Kinder vernachlässigen und das soziale Armut häufig auch kulturelle Armut mit sich führt. Selbstverständlich muss der Staat sich um diese benachteiligten Kinder besonders kümmern. Aber gerade die Eltern, die ihre Kinder bisher schon vernachlässigt haben, werden sich ganz bestimmt nicht durch die Antragsbürokratie arbeiten, um ein paar Nachhilfestunden für Ihre Kinder finanziert zu bekommen.
Und damit komme ich zur Landespolitik: die Landesregierung hatte Ende 2011 das NiKo-Programm auslaufen lassen, das Projekte unterstützt hat, die die Verbesserung der Chancen von sozial benachteiligten Kindern und/oder Kindern aus sogenannten Problemfamilien forcierten. Landesweit wurden über 70 Projektträger damit im Regen stehen gelassen. Die neue Landtagsfraktion DIE LINKE wird sich dafür einsetzen, dass so ein Programm in ähnlicher Form wieder aufgelegt wird. Wir wollen, dass Vereine, wie Ihres einer ist, mit fester Planbarkeit und ohne stetige bürokratische Hürden Gelder erhalten, mit denen niedrigschwellige Angebote - ob Nachhilfeunterricht, Musikstunden oder Sportangebote - für die Kinder finanziert werden können, die diese Unterstützung ganz dringend brauchen. Parallel dazu wird sich DIE LINKE - wie schon in der 16. Legislaturperiode - für eine Bundesratsinitiative einsetzen, die eine grundlegende Reform des SGB II zum Ziele hat. Hartz IV soll damit von einer sanktionsfreien Mindestsicherung abgelöst werden, die sich in ihrer Höhe an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientiert.
Diese Vorhaben können sie auch in unserem Landtagswahlprogramm nachlesen:
http://www.wir-waehlen-links.de/themen/wahlprogramm/
Mit den besten Wünschen für Ihren Verein und großem Respekt für Ihr menschliches Engagement
Christian Oberthür