Frage an Christian Maaß von Nils W. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Maaß,
ich habe heute Morgen Ihren Beitrag in den Radionachrichten gehört, in dem Sie die Verlängerung des Gasnetz-Vertrages durch Herrn von Beust heftig kritisiert haben. In anbetracht der Tatsache, daß die Rot-Grüne Regierung 1999 den Verkauf der HEW an Vattenfall endgültig eingeleitet und somit einen deutlichen Beitrag zur Versorgungsmisere und der Preisentwicklung im Energiesektor in unserer Stadt beigetragen hat, ist es da nicht etwas übertrieben, daß sich die GAL so weit aus dem Fenster hängt? Immerhin würde ein Teil des Geldes, daß die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt nun an Vattenfall zahlen, in den Staatshaushalt fließen. Der damalige rot-grüne Ausverkauf städtischen Vermögens auf Kosten der Bevölkerung, der lediglich die miserable Kostenpolitik rot-grüner Regierungstätigkeit verschleiern sollte, ist nicht gerade ein Punkt, der der GAL eine herausragende Kompetenz auf diesem Feld zuschreibt. Aus welchem Grund ist die GAL der Meinung nach den unbezweifelbaren Fehlern von damals, heute die einzig wahre Lösung gefunden zu haben?
Über eine Stellungnahme würde ich mich sehr freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Wolk,
Gestatten Sie mir, dass ich zur Beantwortung Ihrer Frage etwas ausführlicher darstelle, wie die GAL die Forderung nach der Neugründung von Stadtwerken begründet:
Vattenfall und Eon erhöhen die Strom- und Gaspreise stetig - ebenso stetig sprudeln die Milliardengewinne der Konzerne. Mittlerweile geben fast alle Parteien zu, dass die Privatisierung von HEW und Hein Gas ein Fehler war. Doch wie kann dieser Fehler wieder behoben werden? Die GAL macht einen Vorschlag: Hamburg holt sich Gas- und Stromnetz zurück und betreibt in Zukunft die Energieversorgung in städtischer Regie. Mehr Wettbewerb, mehr Klimaschutz - und die Gewinne bleiben in der Stadt. Zehn Gründe dafür:
1. Der Zeitpunkt ist günstig: 2008 endet der Vertrag über die Nutzung der öffentlichen Wege für das Gasnetz, 2015 der Vertrag für die Strom- und Fernwärmenetze. Damit gibt es ein realistisches Szenario zur Rück-Übernahme der Energienetze und zum Aufbau eines städtischen Versorgers.
2. Kompetenz und Kostenvorteile: Per Volksbegehren haben die Bürgerinnen und Bürger 2006 verhindert, dass der Senat auch die Wasserversorgung privatisiert. Mit "Hamburg Wasser" besteht ein städtisches Unternehmen, das große Versorgungsnetze und Kundenstämme erfolgreich managen kann. Darauf können wir aufbauen und "Hamburg Wasser" zu einem Unternehmen entwickeln, das alle Netze betreibt und Versorgungsdienstleistungen aus einer Hand anbietet. Von den Kostenvorteilen profitieren die Kunden durch bessere Preise.
3. Mehr Wettbewerb: In kaum einem anderen Land nutzen die Energiekonzerne ihre Monopole so schamlos aus wie bei uns. Mit einem neuen, städtischen Energieunternehmen durchbricht Hamburg das Versorgungskartell und sorgt für Wettbewerb.
4. Trennung von Erzeugung und Netzen: Die Stromkonzerne können Wettbewerber ausbremsen, weil sie gleichzeitig einen Großteil der Kraftwerke und die Leitungsnetze kontrollieren. Ein städtisches Unternehmen würde zunächst nur den Betrieb der Netze übernehmen, die Kraftwerke bleiben bei den Erzeugern. So kann es ohne Interessenkonflikte für einen fairen Netzzugang für alle Erzeuger sorgen - und damit für mehr Wettbewerb und stabilere Preise.
5. Klimaschutz: Vom Bremser zum Vorreiter In Deutschland sind kommunal geprägte Stadtwerke Vorreiter beim Fördern von Energieeinsparung und beim Ausbau Erneuerbarer Energien. Den Energiekonzernen sind kurzfristige Gewinne wichtiger, deshalb setzen sie auf den Klimakiller Kohle.
6. Lokale Wirtschaft stärken: Was Vattenfall und Eon in Hamburg verdienen, fließt zum Großteil in die Taschen der Aktionäre oder in Investitionen außerhalb Hamburgs. Wir wollen, dass Einnahmen aus dem Betrieb der Netze in Hamburg investiert werden und Überschüsse der Stadtkasse zugute kommen.
7. Dezentrale Energieversorgung: Großkraftwerke beheizen mit gigantischen Abwärme-Mengen die Flüsse und die Außenluft, während in den städtischen Heizungen Gas verfeuert wird, um Wärme zu erzeugen. Um diesen Klima-Unsinn zu beenden, sollen künftig dezentrale Kleinstkraftwerke Strom erzeugen und ihre Abwärme in Wärmenetze einspeisen. Während Vattenfall & Co. ihre Kohle- und Atomkraftwerke vor der Konkurrenz durch Kleinstkraftwerke schützen wollen, könnte ein städtischer Versorger aktiv den Aufbau einer dezentralen Energieversorgung betreiben.
8. Anschub für Nah- und Fernwärme: Mit Abwärme aus der Industrie könnten wir in Hamburg noch mehr Wohnungen heizen als bisher. Vattenfall und Eon haben daran zu wenig Interesse. Ein neutraler Netzbetreiber könnte mehr Wärmelieferanten ans Netz bringen und die Wärmenetze zügig ausbauen.
9. Aus Fehlern lernen: Wenn wir die Netze unter die Verfügung der Stadt zurückholen, müssen die Fehler der gesellschaftsrechtlichen Bindungen der damaligen HEW als Aktiengesellschaft vermieden werden. Die Wasserversorgung hat über Jahrzehnte gezeigt, wie ein städtisches Unternehmen unter demokratischer Kontrolle Umwelt- und Verbraucherinteressen mit den finanziellen Interessen der Stadt in Einklang bringen kann.
10. Demokratische Kontrolle: Die Energieversorgungsunternehmen führen sich gern als Staat im Staate auf. Mit zweifelhaften Methoden wird der von Regierung und Parlament geforderte Klimaschutz hintertrieben und der verbindlich vereinbarte Atomkonsens in Frage gestellt. Wir setzen auf Stadtwerke, die Hamburgs Interessen im Blick haben und einer öffentlichen Kontrolle unterliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Maaß