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Christian Lindner
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Frage von Christoph W. •

Können Sie konkrete Angaben zur Finanzierung ihres Wahlprogramms machen?

Sehr geehrter Herr Lindner,

am 09.08.21 hatte ich Sie hier gefragt, wie Sie die 88 Mrd. €, die ihr Wahlprogramm kostet, aufbringen wollen (ZEW Leipzig 2021). Am 16.08.21 haben Sie geantwortet, dass ihre Vorschläge nicht zur Umsetzung innerhalb eines Haushaltsjahres gedacht seien und z. B. die Abschaffung des Solis das BIP um 4,3 Mrd. € steigern würde (IW Köln 2021).

Allerdings fehlen dem Bundeshaushalt durch diese Abschaffung gut 15 Mrd. € (bundeshaushalt.info 2019). Selbst wenn 4,3 Mrd. zusätzlicher Konsum durchgängig mit 19% MwSt besteuert werden, bringt das gerade mal 817 Mio. € – also gut ein Fünftel der Steuerausfälle und nicht mal ein Hundertstel der Lücke, die Sie insgesamt schließen müssen. Und die bleibt in jedem Haushaltsjahr gleich groß.

Bitte sagen Sie noch einmal konkret, mit welchen Mehreinnahmen durch welche Maßnahmen Sie rechnen und wo Sie wie viel sparen wollen. Können Sie Steuererhöhungen kategorisch ausschließen und die Einhaltung der Schuldenbremse garantieren?

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Sehr geehrter Herr Wickert, 

nach der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags zum 1. Januar 2021 sind nur noch rund 10 Mrd. Euro an Einnahmeausfällen zu kompensieren. Da die weitere Erhebung des Solis nach meiner festen Überzeugung dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung verfassungswidrig ist, ist es selbstverständliche Aufgabe jeder künftigen Koalition, ohne diese Einnahmen auszukommen. Die Verfassungsbeschwerde der FDP-Abgeordneten ist weiterhin in Karlsruhe anhängig. Es besteht somit ein hohes Risiko, dass der Solidaritätszuschlag aufgrund eines Urteils ohnehin entfallen wird. Mit diesen Einnahmen hätte Olaf Scholz nie planen dürfen. 

Die positiven Wirkungen von wirtschaftlichem Wachstum für die öffentlichen Haushalte sind umfangreicher als Sie annehmen: Der Staat profitiert nicht allein durch die Umsatzsteuer, sondern auch durch höhere Einnahmen aus der Einkommen-, der Körperschaft-, der Gewerbesteuer und zahlreicher weiterer Steuern. Denn jeder Euro an Wertschöpfung fließt auch jemandem als zu versteuerndes Einkommen zu.

Besonders überzeugend stellt eine aktuelle Studie des Münchner ifo-Instituts vom 23. August (https://www.ifo.de/publikationen/2021/aufsatz-zeitschrift/wie-beeinflussen-steuerentlastungen-die-wirtschaftliche) die positiven fiskalischen Wirkungen von Steuersenkungen heraus: Demnach führt eine Senkung der Körperschaftsteuer-Einnahmen um 1 Euro zu zusätzlichen privaten Investitionen von 1,10 Euro, die Lohnsumme steigt um 1,53 Euro, der private Konsum um 1,34 Euro und das Bruttoinlandsprodukt sogar um 2,79 Euro. Dagegen würgen Steuererhöhungen die Wirtschaft ab: Eine Erhöhung der Einkommensteuer-Einnahmen um 1 Euro führt zu einem Rückgang des BIP um 3,59 Euro.

Das führt dazu, dass Steuersenkungen aufgrund ihrer Wachstumswirkungen langfristig für die öffentlichen Haushalte sogar aufkommensneutral sein können, so etwa laut Berechnungen des ifo-Instituts eine Kombination aus einer Senkung der Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte und beschleunigte Abschreibungsregeln.

Das ifo-Institut sieht Steuersenkungen als eine Investition in die Zukunft: „Langfristig wäre das Steueraufkommen nicht niedriger als ohne die Reform, für eine Übergangszeit gibt es allerdings Steuerausfälle. Diese wären als Investition des Staates anzusehen, um künftig höhere Löhne, mehr Beschäftigung und ein höheres Konsumniveau zu ermöglichen.“

Für die Zwischenzeit, bis sich die Wachstumswirkungen voll entfaltet haben, können die Steuerausfälle durch die existierenden hohen Rücklagen des Bundeshaushalts von über 70 Mrd. Euro, durch Privatisierungserlöse und nicht zuletzt durch eine gezielte Kürzung auf der Ausgabenseite kompensiert werden. So hat meine Fraktion in den Beratungen für den Bundeshaushalt 2021 insgesamt 527 Änderungsvorschläge gemacht und dabei u. a. den Abbau schädlicher oder unnützer Subventionen wie etwa das Baukindergeld oder die E-Auto-Prämie (ca. 6,8 Mrd. Euro) vorgeschlagen. Mit einem flexibleren und effizienteren Rentensystem könnten pro Jahr rund 7,5 Mrd. Euro im Bundeshaushalt gespart werden. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Lindner 

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