Frage an Christian Lindner von Felix J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lindner,
wie stehen Sie und Ihre Partei zum grünen Pass zu der heutigen Zeit wo noch nicht jeder ein Impfangebot bekommen hat und der daraus folgenden Diskriminierung der jüngeren Bevölkerung die aus Solidarität gegenüber den älteren Bürgern nicht nur ein Jahr aufs Leben verzichtet haben, sondern auch den weniger mobileren älteren Bürgern den Impfvorang zuerkannt haben, obwohl auch jüngere Menschen an Corona sterben könnten.
Wird hier nicht auch eindeutig trotz großes Versprechen eine versteckte Impfpflicht eingeführt, wenn man nicht mehr am gesellschaftlichen Leben ohne diesen Pass teilhaben kann.
Und wie stehen Sie und Ihre Partei zu dem Astrazeneca und der teilweisen Aussetzung der Selbstbestimmung, wenn man sobald man sagt, "diesen EINEN Impfstoff möchte ich nicht", sein Impfangebot komplett verliert, da man ja dann angeblich keine Impfung möchte.
Es ist doch als ob man vom Jobcenter einfach ein Job zugewiesen bekommt, ohne ein Mitspracherecht zu haben, und wenn man nein sagt kein anderen Job mehr bekommt.
Wird hier nicht eine eindeutige 2 Klassengesellschaft (alte Menschen (die mit Nebenwirkungen weniger lang leben müssen = 1te Klasse und jüngere Menschen die Jahrelang mit den Folgen leben müssen.
Und kann man den oft nicht gewollten Astrazeneca Impfstoff nicht in ein 3te Weltland senden, oder ist hier eine 2Klassengesellschaft bei verschenkten Impfstoff weniger vertretbar?
Mit freundlichen Grüßen
Felix Junge
Sehr geehrter Herr Junge,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Zunächst: Die Frage nach den Rechten von Geimpften ist eine schwere Abfrägungssache. Für mich überwiegt: Wir sprechen nicht von Privilegien oder Sonderrechten, sondern von in der Verfassung verankerten Grundrechten. Diese sind in der aktuellen Lage teilweise aus Gründen des Infektionsschutzes eingeschränkt. Wenn von Geimpften (und im Übrigen auch Genesenen) wissenschaftlich bestätigt keine Infektionsgefahr mehr ausgeht, wären die derzeitigen drastischen Einschränkungen nicht mehr zu rechtfertigen. Mit der Rückgabe dieser Rechte zu warten, bis allen Bürgerinnen und Bürgern ein Impfangebot gemacht würde, würde bedeuten, Millionen von Menschen Grundrechte ohne Begründung vorzuenthalten. Das kann nicht verhältnismäßig sein. Ich kann die Sorge vor einer Zweiklassengesellschaft aber nachvollziehen. Deswegen wäre es am besten, wenn man eine solche denkbare Übergangszeit möglichst kurz hält - indem alle Bürgerinnen und Bürgern schnell ein Impfangebot erhalten.
Damit bin ich bei Ihrer zweiten Frage: Während Anfang des Jahres der Impfprozess wegen der unzureichenden Menge an Impfstoff stockte, erleben wir jetzt, dass nicht alle Impfdosen verimpft werden können. Insbesondere Impftermine für den AstraZeneca-Impfstoff werden nicht wahrgenommen. Hier wurde durch verfehlte Kommunikation Vertrauen verspielt, obwohl die Datenlage eindeutig ist: Es gibt keine gesundheitlichen Bedenken gegen den Impfstoff und für den größten Teil den Bevölkerung bietet er großen Schutz, insbesondere vor schwereren Verläufen. Die Wirksamkeit ist beispielsweise höher als bei den herkömmlichen Grippeschutzimpfungen. Ein Impfstoff zweiter Klasse ist es sicher nicht. Daher sollten wir mit einer offenen Kommunikation Ängste und Bedenken ausräumen und Vertrauen wiederherstellen. Der Schutz durch alle zugelassenenen Impfstoffe ist wichtig und geeignet, damit wir hoffentlich schnell zur Normalität zurückkehren können.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner