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Christian Lindner
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Frage von Nico H. •

Frage an Christian Lindner von Nico H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Herr Lindner,

Joe Biden ist nun seit ein paar Wochen der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er hat vieles Rückgängig gemacht, was sein Vorgänger Donald Trump in Angriff nahm.

Wie beurteilen Sie die bisherige Politik des neuen US Präsidenten und wie stellen Sie sich vor, soll die Zusammenarbeit mit der neuen Legislaturperiode im Herbst 2021 funktionieren? Erwarten Sie Entspannungen und wie sehen Sie die möglicherweise weiterführende America-First-Politik auf Wirtschaftlicher Basis seitens Joe Biden, wie jene etliche Experten erwarten?

Und wie sehe es dann mit China aus? Wenn die EU bzw Deutschland verstärkt Eigenverantwortung tragen soll (begrüße ich als FDPler), wie stellen Sie sich die Diplomatie in Hinblick auf Menschenrechtslage vor?

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Antwort von
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Hallo Herr Hoffmann,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre wichtigen außenpolitischen Fragen.

Zu den USA: Im Weißen Haus hat nun ein neuer Hausherr das Sagen. Joe Biden und seine Administration sind fest entschlossen, Amerika an den multilateralen Verhandlungstisch zurück zu bringen, und sie haben direkt damit begonnen, wie Sie richtig beschreiben. Am ersten Tag im Amt unterzeichnete Biden die Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen und den Wiedereintritt in die WHO. Für seine erste große außenpolitische Rede wählte der amtierende amerikanische Präsident die Bühne der Münchener Sicherheitskonferenz. "America is back" - die Aussage hat er bewusst an Europa und das transatlantische Bündnis, die NATO, gerichtet.

Dass Biden seine Verbündeten in Europa sieht, das ist zunächst einmal eine große Chance für die transatlantischen Beziehungen, für die Verteidigung unserer gemeinsamen Werte. Das bedeutet aber nicht, dass die weitere Zusammenarbeit mit Amerika konfliktfrei verläuft. Natürlich handelt auch die neue US-Administration interessensgeleitet. Bidens größte Aufgabe ist die Zusammenführung der amerikanischen Gesellschaft und die wirtschaftliche Stabilisierung seines Landes. Wirtschaftliche Interessen vertritt er dabei natürlich auch außenpolitisch. Aber der amerikanische Präsident streckt die Hand Richtung Westen aus, das lässt auf vertrauensvollere Zusammenarbeit als zuvor hoffen. Und das ist auch eine Aufforderung an uns. Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass auch wir jetzt mehr in die Beziehungen mit den USA, ideell und monetär, investieren müssen. Wir sprechen uns beispielsweise dafür aus, dass Deutschland drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik investiert. Damit überschreiten wir sogar das 2-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben, denen wir uns Jahr für Jahr nur im Schneckentempo nähern. Zusammenfassend: Es liegt auch an uns, wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergeht. Wir sind am Zug.

Die China-Beziehungen sind eine große außenpolitische Herausforderung. Während wir mit Amerika unsere Werte teilen, vertritt China oft einen differierenden Wertekompass. Auf der einen Seite ist es wichtig, enge Beziehungen zu China zu pflegen, denn China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Es ist daher begrüßenswert, auf regelbasierte Investitionsbeziehungen zu setzen, die Verlässlichkeit bieten und faire Wettbewerbsbedingungen garantieren. Doch die Prämisse lautet: Zusammenarbeit ja, Unterordnung nein. Es muss glasklar kommuniziert werden, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit nur miteinander funktionieren. Wenn der Einsatz für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie einen Preis in Peking kostet, dann muss Deutschland ihn zahlen. Unsere liberalen Werte und ihre universelle Bedeutung stehen nicht zum Verkauf, auch nicht in pandemisch-bedingten Krisenzeiten der Wirtschaft in Deutschland und Europa. Der Preis für eine Zusammenarbeit mit China darf nicht der schleichende Verlust von Demokratie und Freiheit in aller Welt sein. Das Dauer-Appeasement Deutschlands gegenüber einem Regime, das die Sehnsucht junger Menschen in Hongkong nach mehr Freiheit niederknüppeln lässt, das die Minderheit der Uiguren in sogenannte Umerziehungslager steckt und das Taiwan militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich bedroht, gefährdet letztendlich auch unsere eigene Freiheit und das Wertekonstrukt Europas. Diplomatie in Hinblick auf die Menschenrechtslage muss also heißen: Den Finger in die Wunde legen und nicht wegschauen. Nur so können wir wertebasierte Außenpolitik langfristig sichern.

Beste Grüße
Christian Lindner

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