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Christian Lindner
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Frage von Peter J. •

Frage an Christian Lindner von Peter J. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Hr Lindner
In Vorbereitung für die kommenden Bundestagswahlen möchte ich mich über die persönlichen Ansichten und die ihrer Partei zu verschiedenen Themen informieren.
Meine Frage:
Welchen Vorteil haben Leerverkäufe an der Börse für die Volkswirtschaft?
Zusatzfrage:
Wenn es keine Vorteile sondern nur Nachteile gibt, warum sind sie erlaubt?

Mit freundlichen Grüßen
P. J.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr J.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.

Unter einem Leerverkauf ist der Verkauf von Wertpapieren zu verstehen, die der Verkäufer im Zeitpunkt des Kaufvertrags noch nicht im Eigentum oder in Kommission hat. Damit wird etwa das Ziel verfolgt, die betreffenden Wertpapiere später günstiger einkaufen zu können, als sie verkauft worden sind.

Diese Form des Wertpapierhandels ist weder per se "gut" oder "böse". Daher erscheint ein generelles Verbot von Leerverkäufen nicht als sinnvoll. So können "Short Seller" (Leerverkäufer) etwa dazu beitragen, dem Preisfindungsprozess zur besserer Wirkung zu verhelfen und damit eine stabilisierende Funktion an den Finanzmärkten einnehmen. So haben nicht etwa die Abschlussprüfer, der eigene Aufsichtsrat oder die deutsche Finanzaufsicht den Bilanzskandal bei der Wirecard AG aufgedeckt, sondern neben Journalisten auch einzelne Short Seller. Letztere analysieren unter anderem intensiv, ob sich ein Unternehmen möglicherweise werthaltiger darstellt, als es eigentlich ist.

Werden im Zusammenhang mit Leerverkäufen Insiderinformationen - ganz gleich, ob zutreffende oder nicht zutreffende - gezielt zur Beeinflussung z.B. des Aktienkurses eingesetzt, müssen die Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden genau prüfen, ob gegen die Leerverkäufer einzuschreiten ist. Dass die deutsche Finanzaufsichtsbehörde - die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) - ausgerechnet für die Aktie der Wirecard AG ein sog. Leerverkaufsverbot erlassen hat, war ein Fehler. Die Deutsche Bundesbank sah die Voraussetzungen für ein solches Verbot als nicht erfüllt an. Und wie wir seit Kurzem durch die Vernehmungen im Untersuchungsausschuss zu Wirecard wissen, ging das von der BaFin erteilte Leerverkaufsverbot zurück auf eine Anzeige des inzwischen polizeilich gesuchten, ehemaligen Vorstandsmitglieds der Wirecard AG, Herrn Jan Marsalek, zurück. Die deutsche Finanzaufsicht hat daher ein denkbar schlechtes Exempel des Leerverkaufsverbots bei Aktie der Wirecard AG gesetzt.

Außerdem sind nach der internationalen Finanzkrise unter Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten zunächst auf nationaler und sodann auf europäischer Ebene durch die so genannte EU-Leerverkaufsverordnung Beschränkungen für die Möglichkeit ungedeckter Leerverkäufe eingeführt worden. Demnach unterfallen dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien alle "europäischen" Aktien, die an geregelten Märkten und multilateralen Handelssystemen zugelassen beziehungsweise gelistet sind. Ein Leerverkauf ist nur erlaubt, wenn zum Zeitpunkt des Leerverkaufs eine Deckung vorliegt. Darüber hinaus bestimmt die Durchführungsverordnung unter welchen Bedingungen die Offenlegung von Leerverkaufspositionen gegenüber der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde vorzunehmen ist.

Mit freundlichen Grüßen nach Bad König
Christian Lindner

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