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Christian Lindner
FDP
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Frage von H D N. •

Frage an Christian Lindner von H D N. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Wie stehen Sie zur Einführung einer Neufassung des Imperative Mandat? Dies verpflichtet Mandatsträger / Abgeordneten bindend an die inhaltlichen Vorgaben der ihn gewählten BürgerInnen, deren direkten Willen.
Folgt der Mandatsträger nicht dem entsendenden Wählerwillen, kann der Mandatsträger abgesetzt werden. Diese Gebundenheit steht über “der eigenen Überzeugung“ und der seiner/ihrer Partei/Fraktion.
Dies bedeutet konkret eine entsprechende Änderung von Art. 38 (1) GG., welcher besagt,  dass Abgeordnete nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Der Begriff Gewissensverpflichtung wurde in der Vergangenheit und bis Dato viel zu oft korrumpiert durch Lobbyisten, unerlaubte Geldzuwendungen usw. .
Auf Bundesebene ist z.Zt. noch das Imperative-Mandat nach Art. 38(1) GG unzulässig.

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Antwort von
FDP

Hallo H. D. N.

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.

Allen voran: Für die FDP ist es ganz entscheidend, dass sich der Wille der Wählerinnen und Wähler auch nach der Wahl in konkrete Politik wiederfinden lässt. Das war der Grund, wie Sie wissen, warum wir 2017 nicht in eine Jamaika-Koalition eingetreten sind. Auch mir persönlich war es wichtiger, unseren Wählerinnen und Wählern treu zu bleiben, als Vizekanzler und Bundesminister zu werden.

Als Freier Demokrat ist für mich klar, dass die Demokratie von Kompromissen lebt. Diese wären bei gebundenen Volksvertretern von vorneherein allerdings nicht möglich. Vielmehr befähigt das freie Mandat die Abgeordneten erst dazu, viele unterschiedliche Meinungen und Interessen in einen Ausgleich zu bringen und dadurch eine Gemeinwohlorientierung herbeizuführen. Jede und jeder Abgeordnete ist doch Vertreter des ganzen Volkes - das "eine" Mandat kann es deshalb nicht geben. In einer Demokratie, in der die Mehrheit entscheidet, müssen schließlich auch die Interessen von Minderheiten berücksichtigt werden.

Bedenken Sie außerdem: In der aktuellen Legislaturperiode hat der Deutsche Bundestag bereits über 350 Gesetzesbeschlüsse verabschiedet. Angesichts dieser Vielzahl an Gesetzentwürfen und fachlichen Einzelfragen, mit denen sich die Abgeordneten beschäftigen, sollten sie doch auch ihre eigene Expertise, politischen Vorerfahrungen und Erkenntnisse aus Gesprächen mit Fachleuten und Verbänden in den Entscheidungsprozess einbringen dürfen. Ein bloßes imperatives Mandat würde hier sonst zu zahlreichen praktischen Problemen führen: Es würde ungleich schwieriger werden, auf neue politische Ereignisse zu reagieren und gegebenenfalls Entscheidungen anzupassen, wenn sich Gegebenheiten - wie etwa in der aktuellen Corona-Krise - dynamisch verändern.

Im Kerne teile ich also die Position des Bundesverfassungsgerichts: In einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 stellte das Gericht fest, dass das freie Mandat die Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht ausschließe, sondern ganz bewusst einschließe - durch diesen Zwang zur Rechtfertigung werde eine besondere Art der Verantwortlichkeit geschaffen. Um hier noch mehr Transparenz bei politischen Entscheidungsfindungen zu gewährleisten, setzen wir als Freie Demokraten uns für die Einführung eines Lobbyregisters ein. Dabei möchten wir alle Formen der Interessenvertretung gleichermaßen erfassen - also neben Unternehmensvertretern und Verbänden auch NGOs, Stiftungen und Gewerkschaften in das Register aufnehmen. Damit wird für Außenstehende klar, welche wirtschaftlichen Interessen hinter vertretenen Positionen stecken. Um nachvollziehen zu können, welche Positionen in die Gesetzentwürfe eingeflossen sind, sollte die Praxis der Bundesregierung, seit 2018 die im Rahmen der Verbändebeteiligung eingeholten Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen im Internet zu veröffentlichen, ausdrücklich in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien verstetigt werden.

Mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Christian Lindner

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