Frage an Christian Lindner von Maria J. bezüglich Medien
Sehr geehrter Herr Lindner,
wer heutzutage ins Internet geht, wird allseitig mit Informationen und Meinungen konfrontiert. Es muss also recht schnell eine eigene Meinung gebildet werden oder zumindest ausreichend informiert worden sein, um den Raum für Debatten, welcher im Internet gegeben ist, zu nutzen.
Denken Sie, dass durch die Digitalisierung die populistische Manipulation zunimmt oder doch der Einzelne die Möglichkeit hat, durch bessere Informationsmöglichkeiten mündiger zu werden?
Und inwiefern würden sie sagen, dass das Netz den Politiker und seine Arbeit verändert und beeinflusst?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen,
Mit freundlichen Grüßen.
Sehr geehrte Frau Jäger,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Das ist ein spannendes Themenfeld. Ich denke, der Trend geht in beide Richtungen. Durch Social Media erfolgt eine bis vor wenigen Jahren kaum denkbare Demokratisierung von Kommunikation. Musste man sich früher einen von vornherein beschränkten Zugang zu bestimmten Medien - Zeitungs- und Buchverlage, Rundfunkanstalten usw. - verschaffen, um eine hohe Zahl von Menschen zu erreichen, hat heute jeder die Möglichkeit, durch einem einzigen Post oder Tweet - und mit etwas Glück - mit tausenden, wenn nicht sogar Millionen Menschen zu interagieren. Das ist ein großer Freiheitsgewinn und Möglichkeit zur gesellschaftlichen Partizipation. Es bedeutet aber auch eine enorme Verantwortung für den Einzelnen und bietet leider auch ein großes Einfallstor für Falschmeldungen, undifferenzierte und verzerrte Darstellungen, Hetze und Populismus. Dass öffentlichkeitswirksame Aussagen nicht mehr durch das Nadelöhr von Zeitungsverlagen oder Nachrichtensendungen gehen müssen, setzt eine große Dynamik frei, die gesellschaftliche Prozesse beschleunigen kann - genauso aber auch die Verlässlichkeit von Informationsquellen zweifelhafter macht, als in der prädigitalen Ära der Bundesrepublik.
Am Ende liegt es an jedem selbst, sich nüchtern zu informieren, Aussagen kritisch zu hinterfragen und sich nicht von jedem Online-Trend mitreißen oder von jedem Shitstorm einschüchtern zu lassen. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die Digitalisierung für unsere Gesellschaft enorme Chancen bietet - auch im Politischen. Sie setzt aber mehr denn je einen aufgeklärten, mündigen und reflektierenden Bürger voraus. Die Stärkung individueller Eigenverantwortung muss im digitalen Zeitalter Staatsräson sein, wenn unsere Gesellschaft progressiv, dynamisch, aber harmonisch weiter über sich hinauswachsen will.
Freundliche Grüße
Christian Lindner