Frage an Christian Lindner von Horst M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Lindner,
wie Sie wissen, gibt es seit 2011 ein Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren. Wenn ein Gericht Verfahren länger als ein Jahr verschleppt, bekommen die Kläger eine minimale Nachteilsausgleichzahlung von 100 Euro pro Jahr und Person. Der eingetretene Schaden dürfte meist viel höher sein, aber immerhin, vorher gab es nichts.
Ich sehe aber eine Regelungslücke bei Eilverfahren. Diese sind noch viel existenzieller und trotzdem ist da ein Nachteilsausgleich immer noch nicht geregelt. Da das Bundesverfassungsgericht Leistungen monatlich im Voraus fordert und Grundrechtsverletzungen verhindert werden sollen, 1 BvR 569/05 Rz 26, müssen die Gerichte innerhalb von einem Monat unbedingt unter Folgeabwägungen helfen, nicht unbedingt zu 100%, aber helfen müssen die schon, § 1 SGB I. Erfolgt dies nicht, obgleich Eilverfahren existenziell sind, sollte pro Tag und betroffener Person 100 Euro fällig werden. Sehen Sie dies auch so und werden Sie sich für solch eine Regelung einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Horst Murken
Sehr geehrter Herr M.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Mit der 2011 geschaffenen Regelung für überlange Gerichtsverfahren soll jedem Bürger und jeder Bürgerin grundsätzlich Rechtsschutz in angemessener Zeit verschafft werden. Wichtig ist, dass dazu Betroffene zunächst das aus ihrer Sicht zu langsam arbeitende Gericht rügen. Auf diese Weise erhalten die Richterinnen und Richter eine Gelegenheit, Abhilfe zu schaffen und überlange Verfahren im Vorhinein zu vermeiden.
Erst in einem zweiten Schritt kann dann eine Entschädigungsklage erhoben werden. Diese soll die durch die Prozesslänge entstandenen immaterielle Schäden - insbesondere seelische und körperliche Belastungen - kompensieren.
Ziel des Gesetzes war also nicht primär, Entschädigungsansprüche "ab dem ersten Monat" zu schaffen. Vielmehr geht es darum, überlange Verfahren im Vorhinein zu vermeiden. Meiner Meinung ist die Situation in Eilverfahren eine andere: Die Verfahren sind üblicherweise zügig beendet und ziehen sich nicht über Jahre hin.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner