Frage an Christian Lindner von Kevin K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Lindner,
wenn Sie auch nicht in Regierungsverantwortung sind, aber da sie eine große Wirtschaftskompetenz haben, bitte ich Sie mir folgende Fragen zu beantworten:
1. Wer in Deutschland ist aktuell dafür zuständig Bilanzbetrug von deutschen Unternehmen aufzudecken?
2. Ist es im Interesse der FDP, dass sich Bilanzskandale wie bei Wirecard in Zukunft nicht wiederholen?
3. Stimmt die FDP der Aussage von EY und der Aussage durch die DPR, die beide angeben nicht dafür zuständig zu sein Betrug aufzudecken, zu?
4. Wie will man in der Zukunft Bilanzbetrug verhindern, wenn niemand dazu
beauftragt ist auf Bilanzbetrug zu prüfen?
5. Wer wird in Zukunft dafür zuständig Bilanzbetrug aufzudecken? Warum ist dies nicht Aufgabe der Wirtschaftsprüfer, wie es auch die primäre Aufgabe des Berufsstandes war, als dieser entstand?
6. Warum gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, dass zumindest bei Unternehmen mit einer Bilanzsumme von über 1 Mrd. Euro auf Betrug geprüft werden muss? Warum muss nicht geprüft werden, ob die Kunden-Unternehmen überhaupt real existieren? Warum ist es nicht verpflichtet, dass der Wirtschaftsprüfer zu allen Konten die Saldenbestätigungen zu den echten Konten, nicht nur zu den Treuhandkonten, erhalten muss? Warum ist es nicht Pflicht, dass der WP nicht zu allen wesentlichen Konten die vollständige Umsatzhistorie des Kontos für das Geschäftsjahr erhalten muss?
7. Warum gibt es eine starre Haftungsbegrenzung für Wirtschaftsprüfer in Höhe von 4 Mio. Euro, anstelle einer Haftungsbegrenzung, welche sich an der Bilanzsumme der letzten testierten Bilanz orientiert, z.B. 1% der Bilanzsumme des letzten testierten Jahresabschlusses?
8. Warum werden Abschlussprüfer nicht verpflichtet Testate zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen, unter welchen diese erteilt wurden, sich als falsch herausstellen?
Sehr geehrter Herr Keidel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne im Kontext beantworte.
Als Freie Demokraten setzen wir uns für eine lückenlose Aufklärung des Wirecard-Skandals ein. Daher haben wir als erste Bundestagsfraktion nach Bekanntwerden des Bilanzskandals der Wirecard AG eine ordentliche Befassung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages durchgesetzt, der am 29. Juli 2020 zu einer Sondersitzung zusammentrat. Am 31. August und 1. September folgen die nächsten Sondersitzungen des Finanzausschusses noch während der Sommerpause. Da weder der Bundesfinanzminister noch der Bundeswirtschaftsminister in der Sondersitzung am 29. Juli nennenswerte Informationen zur Aufklärung des Falls beigetragen haben, ist aus unserer Sicht nun auch ein Untersuchungsausschuss unumgänglich. Wir wollen volle Transparenz für getäuschte Anleger und Investoren und müssen alles unternehmen, um das schwer beschädigte Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland wiederherzustellen.
Zur Frage der Zuständigkeit: In letzter Konsequenz ist es an der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Marktmissbrauch für gefälschte Bilanzen zu erkennen und zu verhindern. Die BaFin untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Hier verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Finanzaufsicht zwar früh über drohende Unregelmäßigkeiten informiert war, aber nur sehr zögerlich gehandelt hat. Daneben wurde bereits die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung intensiv zu dem Vorgang befragt. Ihre Aufgabe ist es, bilanzielle Unregelmäßigkeiten zu entdecken. Durchgreifende Eingriffsbefugnisse stehen allerdings nur der BaFin zu.
Ebenso beschäftigen wir uns mit der Frage, aus welchen Gründen die Wirtschaftsprüfer jahrelang die Konzernabschlüsse der Wirecard AG testiert haben. Dabei spielen die von Ihnen aufgeworfenen Fragen eine ganz wesentliche Rolle. So ist insbesondere die Haftungsbegrenzung nach § 323 HGB umstritten.
Im Zuge der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals werden wir uns auch mit einer Reform der Finanzaufsicht sowie der Berichterstattung von (DAX-) Konzernen befassen. Der Wirecard-Skandal hat gezeigt, dass die BaFin mit diesen Aufgaben offensichtlich überfordert ist. Wir wollen daher die Kompetenzen der BaFin fokussieren. Es kann nicht sein, dass kleine Versicherungsvermittler von der Finanzaufsicht mit Bürokratie überzogen werden, während ein Dax-Konzern unter den Augen der BaFin ganze Milliarden verschwinden lassen kann. Dabei spielt zudem die Stärkung der forensischen Befugnisse von Aufsicht und Prüfer sowie eine Modernisierung und Digitalisierung der entsprechenden Aufsichtsbehörden eine wichtige Rolle. Nur dann lassen sich künftige Betrugsfälle besser aufdecken.
Zur grundsätzlichen Einordnung des Wirecard-Skandals haben unsere Parlamentarischen Geschäftsführer Dr. Florian Toncar und Bettina Stark-Watzinger übrigens einen Gastbeitrag für "Focus Online" verfasst (https://www.fdpbt.de/stark-watzingertoncar-gastbeitrag-bafin-muss-grundlegend-umgebaut-werden) und stehen Ihnen für eine detailliertere Bewertung sicherlich gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Christian Lindner