Frage an Christian Lindner von Ulrike N. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Guten Tag Herr Lindner,
die Krise, die durch den Corona-Virus ausgelöst wurde, entwickelt sich zusehends zu einer wirtschaftlichen Bedrohung für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen – von Familien über kleine Selbstständige bis hin zu Konzernen. Es ist Zeit, zusammenzuhalten.
Anders als in der Finanzkrise ab 2008 muss Europa dieses Mal wahrhaft zusammenstehen, wenn es nicht wieder unzählige Verlierer unter seinen Bürgern geben soll. Die Europäische Zentralbank handelt, sie sollte aber nicht schon wieder alleine den Rettungsschirm aufspannen.
Eine Wirtschafts- und Währungsunion kann eine so heftige Krise nur gemeinsam durchstehen. Kredite sind als Hilfsmaßnahme für einzelne Mitgliedsländer die falsche Lösung. Sie erhöhen die öffentlichen Schulden weiter und könnten zu einer neuen Eurokrise führen. Deshalb braucht es eine gemeinsame europäische Finanzierung aller Krisenmaßnahmen über einen Corona-Bond. Nur so können wir sicherstellen, dass die Mitgliedsländer nicht erneut Ziel von Finanzjongleuren werden, die gegen Staaten mit hohen Schulden wetten.
Stoppen Sie europaweit Leerverkäufe und die Spekulation auf fallende Kurse! Verhindern Sie diesmal, dass uns Krisengewinner finanziell in Zugzwang bringen. Es ist inakzeptabel, dass wenige Gewinne einfahren, während viele um ihre Zukunft bangen.
https://www.finanzwende.de/kampagnen/europaeisch-handeln-spekulation-jetzt-ausbremsen/?L=0
Wie stehen Sie zum oben genannten Apell?
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Niethammer
Sehr geehrte Frau Niethammer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Den Appell der Bürgerbewegung Finanzwende meines geschätzten ehemaligen Kollegen Gerhard Schick teile ich ausdrücklich nicht - zumindest nicht hinsichtlich der Lösungsvorschläge. Das Corona-Virus stellt eine große Gefahr für unsere Gesundheit und unseren Wohlstand in Europa dar, und sowohl auf europäischer wie auf nationaler Ebene wurden und werden viele richtige Maßnahmen dagegen ergriffen, die meine Fraktion im Deutschen Bundestag konstruktiv unterstützt hat. Im Notfall kann der EU-Haushalt noch weitere Mittel mobilisieren, und wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt unabdingbar ist, könnte auch der Europäische Stabilitätsmechanismus einzelnen Ländern Hilfe leisten. Die Europäische Zentralbank trägt mit ihren Maßnahmen zur Funktionsfähigkeit und Stabilität des Bankensystems bei. Europa ist handlungsfähig.
Was wir nach meiner Überzeugung aber nicht tun dürfen, ist, in dieser akuten Krisensituation falsche Weichen für die Zukunft unserer Währung zu stellen. "Corona-Bonds" sind nichts anderes als Eurobonds, also Staatsanleihen mit Gemeinschaftshaftung. In einer Währungsunion mit dezentraler Haushaltspolitik kann eine Gemeinschaftshaftung aber nicht funktionieren, weil sie falsche Anreize setzt. Auch wären "Corona-Bonds" aufgrund vieler rechtlicher Detailprobleme ohnehin nicht kurzfristig einsatzbereit...
Es gibt gute Wege, die gegenwärtige Corona-Krise in Europa im Geiste europäischer Solidarität zu lösen - Eurobonds gehören aber nicht dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner